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EU-Staaten wollen wieder nach Griechenland abschieben – ein Grund für die Regierung, ihr Asylsystem nicht zu verbessern.
Bild: Nicole Katsioulis von © FES-Griechenland
Das Dublin-System der Europäischen Union legt fest, dass der Staat für die Prüfung von Asylanträgen verantwortlich ist, über den eine asylsuchende Person in die EU eingereist ist. Diese Regelung trifft die Länder an den europäischen Außengrenzen besonders hart und wurde in den vergangenen Jahren punktuell ausgesetzt. Jetzt will die EU-Kommission zu Dublin zurückkehren – Asylsuchende, die beispielsweise in Griechenland registriert wurden und trotzdem nach Deutschland weitergereist sind, sollen wieder nach Griechenland abgeschoben werden. Unsere FES-Expertin in Athen, Nicole Katsioulis, erläutert, was das für Griechenland bedeutet:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied im Jahr 2011, dass kein Asylsuchender nach Griechenland abgeschoben werden darf – denn dort wurden die Menschenrechte von Schutzsuchenden immer wieder verletzt. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen diese Abschiebungen nun wieder aufgenommen werden. Zum Beispiel sollen Geflüchtete, die nach dem 15. März 2017 in Deutschland eingereist sind, wieder nach Griechenland zurückgeführt werden, sofern es sich nicht um besonders schutzbedürftige Personen handelt.
Abschiebung mit Hindernissen
Allerdings hat die EU-Kommission diese Rückführungen mit relativ hohen bürokratischen Hürden versehen. So kündigte Ungarn zwar an, über 4.000 Asylsuchende nach Griechenland abschieben zu wollen, tatsächlich mussten aber erst drei Personen ausreisen. Denn vor jeder Rückführung müssen die griechischen Behörden dem jeweiligen EU-Staat zusichern, dass die betroffene Person adäquat und in Einklang mit europäischen Normen untergebracht werden kann.
Die zweite Hürde besteht darin, dass die Rückführungen gekoppelt sein sollen an die Entlastung Griechenlands im Rahmen des EU Relocation-Programms. Im Jahr 2015 war vereinbart worden, dass innerhalb von zwei Jahren insgesamt 66.400 Asylsuchende aus Griechenland auf andere Länder umverteilt werden. Bisher wurden allerdings erst ein wenig mehr als 11.000 Geflüchtete umgesiedelt. Die EU-Staaten sind nun angehalten, zuerst ihr Kontingent im Relocation-Programm zu erfüllen, bevor sie wieder beginnen, nach Griechenland abzuschieben. Damit kommt die Kommission ein Stück weit der griechischen Regierung entgegen, die erwartet, dass die EU strikter gegen Staaten vorgeht, die sich weigern, im Rahmen der Umverteilung Asylsuchende aufzunehmen. Griechenland plädiert für die Einführung eines finanziellen Ausgleichs- oder Strafsystems im Rahmen von Dublin IV.
Drohende Rückführungen stehen Verbesserung des griechischen Asylsystems im Weg
Hingegen ist die Wiederanwendung der Dublin-Verordnung ganz und gar nicht im Interesse der griechischen Regierung. Giannis Mouzalas, der griechische Migrationsminister, sagte der Presse, Griechenland respektiere zwar die Verordnung, könne aber keine Asylsuchende aus nordeuropäischen Ländern „zurücknehmen“, weil die Kapazitäten des Landes dafür nicht ausreichten.
Tatsächlich ist die griechische Asylbehörde, die erst seit 2013 existiert, überlastet – und zugesagte EU-Unterstützung oft noch nicht eingetroffen. Grundsätzlich werden Asylanträge in Griechenland sehr langsam bearbeitet. Es kommt vor, dass Geflüchtete erst vier Monate nach ihrer Ankunft registriert werden. Auf die Anhörung für den Asylantrag warten sie in der Regel mehrere Monate bis zu einem Jahr. Darüber hinaus bemängeln Nichtregierungsorganisationen, die Asylverfahren seien noch zu wenig transparent, teilweise diskriminierend und würden juristische Mängel aufweisen. Über ihre Rechte würden die Flüchtlinge nicht ausreichend informiert und die Reihenfolge der Bearbeitung der Asylanträge erscheine willkürlich.
Insgesamt sind die Lebensbedingungen für Asylsuchende nach wie vor katastrophal. Gerade die Hotspots auf den Inseln sind überfüllt, es kommen dort mehr Menschen an als abreisen. In einigen Lagern auf dem Festland gibt es wiederum Probleme mit sexueller Ausbeutung und auf der Insel Chios wurden Geflüchtete von Inselbewohnern körperlich angegriffen. Noch immer sind längst nicht alle geflüchteten Kinder in staatlichen Schulen untergebracht und Möglichkeit, dass Asylsuchende in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, besteht aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit schlicht nicht.
Gleichzeitig hat Griechenland kein Interesse daran, sein Asylsystem effektiv zu gestalten – eben weil die EU die Wiederaufnahme von Rückführungen gekoppelt hat an den angeblich „guten“ Zustand des Asylsystems vor Ort. Je besser Geflüchtete in Griechenland versorgt werden, desto größer ist die Befürchtung, dass andere EU-Länder wieder nach Griechenland abschieben. Noch mehr Asylsuchende aufnehmen zu müssen, will das Land aber in jedem Fall vermeiden.
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Freya Grünhagen ist Referentin im Referat Westeuropa/Nordamerika der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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