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Studie: Wirtschaftliche Polarisierung in Europa

Gefahr für Eurozone und Europäische Union

Spätestens seit der globalen Finanz-und Wirtschaftskrise driftet Europa zunehmend auseinander. Die wirtschaftliche Polarisierung bedeutet auch eine erhebliche Gefahr für den sozialen und politischen Zusammenhalt in Europa, und damit auch für den Fortbestand der Eurozone und der Europäischen Union insgesamt.

Wirtschaftspolitische Strategie für Europa

Anstatt die Standortkonkurrenz in Europa weiter zu verschärfen, fordern die Autoren dieser Studie eine wirtschaftspolitische Strategie für ganz Europa. Das heißt: weitere institutionelle Reformen, mehr Investitionen in einer Vielzahl an Politikfeldern. Statt „Jeder gegen Jeden“ mehr grenzüberschreitende Solidarität und Unterstützung – damit vom Wohlstand in Europa alle profitieren.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:

  • Die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen driften zwischen den europäischen Volkswirtschaften immer stärker auseinander – eine Gefahr für EU und Eurozone.
  • Die Ursache liegt in einer strukturellen Polarisierung zwischen den EU-Mitgliedsländern, die sich in den letzten zehn Jahren weiter verschärft hat.
  • Das institutionelle Rahmenwerk der EU und die bisher verfolgten wirtschaftspolitischen Maßnahmen reichen nicht aus, um diesen nicht nachhaltigen Entwicklungen entgegenzuwirken.
  • Es braucht eine wirtschaftspolitische Gesamtstrategie für Europa:
    weitere institutionelle Reformmaßnahmen, mehr Investitionen in einer Vielzahl an Politikfeldern sowie mehr grenzüberschreitende Solidarität und Unterstützung.

Mit dem Projekt Für ein besseres Morgen will die Friedrich-Ebert-Stiftung einen Beitrag zur Debatte über die Zukunft Europas leisten. Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier:

Für ein besseres Morgen

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Auswahl der Ergebnisse

Die makroökonomische Polarisierung in Europa

Etwa 20 Jahre nach der offiziellen Einführung des Euro und mehr als zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 bleibt die sozioökonomische Entwicklung innerhalb der EU bemerkenswert ungleich. Wie die Abbildung 1 zeigt, haben die südlichen Länder der Eurozone ein „verlorenes Jahrzehnt“ hinter sich, denn spätestens seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der sich zeitlich daran anschließenden Krise in der Eurozone erlebten sie eine verheerende Wachstums- und Wohlstandsentwicklung. Seither sind ganz klar wieder divergierende ökonomische Entwicklungspfade festzustellen, die sich auch deutlich auf die Migrationsbewegungen innerhalb Europas auswirken.

Der wirtschaftliche Integrationsprozess Europas steckt folglich - trotz all seiner unbestreitbar großen Erfolge – in einer schweren Krise. Darüber kann auch die in allen EU-Mitgliedsländern in den letzten Jahren zu beobachtende konjunkturelle Erholung nicht hinwegtäuschen. Damit wird auch das Versprechen, dass die europäische Integration zu mehr wirtschaftlicher und sozialer Konvergenz führen würde, nicht mehr erfüllt. Dies stellt nicht nur eine erhebliche Gefahr für den ökonomischen, sondern auch für den sozialen und politischen Zusammenhalt Europas und damit auch für den Fortbestand der EU und der Eurozone dar.

Ungleiche technologische Kapazitäten in Europa

Die Wohlstandsniveaus innerhalb Europas unterscheiden sich auch 20 Jahre nach Errichtung der Eurozone erheblich. Die linke Grafik von Abbildung 8 zeigt, dass die Unterschiede im BIP pro Kopf im Zeitverlauf weiter zugenommen haben. Die rechte Grafik von Abbildung 8 zeigt, dass diese Divergenz in der Wohlstandsentwicklung maßgeblich mit Unterschieden in den technologischen Kapazitäten der EU-Mitgliedsländer zusammenhängt: Länder mit hoher technologischen Kapazität weisen tendenziell auch ein hohes Wohlstandsniveau auf (und vice versa).

Die ungleiche Verteilung der technologischen Kapazitäten sowie die unterschiedliche institutionelle und rechtliche Einbettung in den europäischen und globalen Standortwettbewerb führt in der EU zu unterschiedlichen Produktionsstrukturen, sektoralen Spezialisierungsmustern sowie gesamtwirtschaftlichen Wachstumsmodellen und in der Folge zu unterschiedlichen, sich selbst verstärkenden und letztlich nicht nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklungspfaden. Das gegenwärtige institutionelle EU-Rahmenwerk und auch die bisher ergriffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen reichen nicht aus, um diesen pfadabhängigen Prozessen effektiv entgegenzuwirken.

Wirtschaftspolitische Impulse für ein prosperierendes Europa

Statt einer weiteren Verschärfung des europäischen Standortwettbewerbs bedarf es einer kohärenten wirtschaftspolitischen Gesamtstrategie für Europa, wie sie in Abbildung 14 schematisch dargestellt ist. Sie stellt die Sicherung bzw. den Ausbau bestehender Werte und Institutionen ins Zentrum und umfasst weitere institutionelle Reformmaßnahmen, einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel mit mehr Investitionen in einer Vielzahl an Politikfeldern sowie mehr grenzüberschreitende Solidarität und Unterstützung. Nur mit einem koordinierten und kooperativen Einschreiten aller wirtschaftspolitischen Akteure lässt sich ein weiteres Auseinanderdriften der ökonomischen Entwicklungspfade der EU-Mitgliedsländer vermeiden und eine wirtschaftlich stabile und prosperierende EU und Eurozone sicherstellen.

Die gemeinsame europäische Gesamtstrategie besteht aus folgenden Bausteinen:

  • gemeinsame und koordinierte industriepolitische Maßnahmen umsetzen
  • eine größere innereuropäische Solidarität gewährleisten
  • einen alternativen wirtschaftspolitischen Zielkatalog entwickeln
  • die Handelspolitik aktiver und nachhaltiger gestalten
  • der steigenden Einkommens- und Vermögenskonzentration effektiv entgegenwirken
  • die institutionelle Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion vervollständigen
  • den Finanzsektor mit weiteren Reformen stabilisieren und zähmen
  • den destruktiven Standortwettbewerb innerhalb Europas beenden
  • die exzessiven Leistungsbilanzüberschüsse einzelner Mitgliedsländer abbauen
  • über das Wirtschaftswachstum als primäres Ziel hinausdenken

Kontakt

Markus Schreyer
Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik

+49 (0) 30 26935 8312
Markus.Schreyer(at)fes.de

Presse

Johannes Damian
Kommunikation und Grundsatzfragen

+49 (0) 30 26935 7047
Johannes.Damian(at)fes.de


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