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Eine feministische Außenpolitik ist ein politisches Konzept, das Diskriminierung und Marginalisierung entgegentritt. Patriarchale Strukturen sollen abgebaut und damit die Menschenrechte weltweit gestärkt werden. Dabei sollen die Situationen und Perspektiven aller Menschen berücksichtigt werden, unabhängig von Faktoren wie Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion und Hautfarbe.
Das Positionspapier zur „Annäherung an eine feministische Außenpolitik Deutschlands“ des Deutschen Frauenrats von August 2022 nennt die feministische Außenpolitik „transformativ“ und erklärt dies wie folgt: „Sie setzt sich für den Abbau von patriarchalen Strukturen und Gewaltverhältnissen ein. Sie erkennt Geschlechtergerechtigkeit als eine zentrale Voraussetzung für Frieden an. Für sie ist die Überwindung struktureller Gewalt, die aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Rassifizierung, sexueller Orientierung, Behinderungen und anderen mehrfach ineinandergreifenden Diskriminierungskategorien ausgeübt wird, Voraussetzung für Frieden und menschliche Sicherheit.“
Feministische Außenpolitik ist kein neues Konzept. Der Begriff wurde schon vor mehr als 100 Jahren erstmals verwendet: Im Jahr 1915 war feministische Außenpolitik ein zentrales Thema beim Internationalen Frauenkongress in Den Haag.
Seitdem ist viel passiert und die Notwendigkeit, Frauenrechte zu stärken sowie andere marginalisierte Gruppen zu unterstützen und ihnen eine Stimme zu geben, wurde immer mehr erkannt und unterstrichen. Trotzdem müssen zum Abbau struktureller und patriarchaler Ungleichheiten noch an vielen Stellen Rahmenbedingungen und Infrastrukturen überdacht und geschaffen werden – sowohl außenpolitisch als auch in anderen Politikfeldern.
Die vom Sicherheitsrat am 31. Oktober 2000 verabschiedete Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit zum Beispiel, betont erstmalig, wie essenziell die Beteiligung von Frauen für die Schaffung und Erhaltung von Frieden ist. Die Erkenntnisse einer Studie des International Peace Institute zur Rolle von Frauen in Friedensprozessen aus dem Jahr 2015 unterstreichen dies: Demnach bringen Frauen in Friedensverhandlungen wertvolle, neue Perspektiven und Gedanken ein. Dies führe nicht selten dazu, dass ein hergestellter Frieden umso länger anhält, je stärker Frauen in den Friedensprozess einbezogen wurden.
Eine gelungene feministische Außenpolitik kann also einen sehr positiven gesamtgesellschaftlichen Effekt haben. Kritiker_innen behaupten allerdings, dass eine umfängliche Umsetzung einer feministischen Außenpolitik ein utopisches Ziel sei. Das heißt jedoch nicht, dass man sie nicht bestmöglich verfolgen und weiter optimieren sollte. Aus feministischen Kreisen werden vermehrt Forderungen laut, die Perspektive des intersektionalen Feminismus stärker in den Fokus zu nehmen – sprich zu berücksichtigen, dass Menschen gegebenenfalls nicht nur wegen ihres Geschlechts, sondern gleichzeitig wegen ihrer Hautfarbe und/oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden könnten.
Die Notwendigkeit für eine feministische Außenpolitik zeigt sich insbesondere in Kriegs- und Krisenzeiten. Dort treten strukturelle Ungleichheiten am deutlichsten zutage und sie sind der eindeutigste Ausdruck patriarchaler Machtpolitik. Im Zuge dessen wird häufig sexualisierte Gewalt als Waffe eingesetzt. Gleichzeitig werden traditionelle Geschlechterrollen in und nach bewaffneten Konflikten oftmals zementiert. Ein umfassender Sicherheitsbegriff ist demnach zentraler Kern von feministischer Außenpolitik. Im Gegensatz zur menschlichen Sicherheit hinterfragt die feministische Außenpolitik aber auch explizit bestehende Machtstrukturen und ist intersektional.
Das Konzept eines positiven Friedens steht dabei einem traditionellen Sicherheitsverständnis, das auf militärischer Stärke und Abschreckung beruht, kritisch gegenüber: Statt auf immer mehr und immer tödlichere Waffen zu setzen, soll bei den zugrundeliegenden strukturellen Ursachen für Unruhen angesetzt werden. Würde man beispielsweise dafür sorgen, dass Faktoren wie Armut und Ungleichheit weltweit abnähmen, könne das Problem bei der Wurzel gepackt werden. So ließen sich Konflikte verhindern. Demnach ist Abrüstung eine der traditionellen Forderungen feministischer Außenpolitik. Statt in militärische Aufrüstung sollten finanzielle Mittel beispielsweise zu Gunsten sozialer Sicherung und Entwicklungszusammenarbeit investiert werden. Auch dabei muss im Rahmen von feministischer Politik neu gedacht werden, wie es Svenja Schulze und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in ihrer im März 2023 vorgestellten Strategie getan haben.
Schweden hat schon 2014 aktiv die Umsetzung einer feministischen Außenpolitik beschlossen und war damit eines der ersten Länder. Die konzeptionelle Umsetzung war beispielhaft: Im Handbuch der schwedischen feministischen Außenpolitik wurden Grundlagen, Methoden und Normen detailliert hergeleitet und festgeschrieben.
Schweden gilt damit als Vorreiter feministischer Außenpolitik. Dennoch muss sich das Land Kritik für sein Konzept gefallen lassen: Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass der schwedische Ansatz der 3R (für Repräsentanz, Rechte und Ressourcen) nicht transformierend wirkt, sondern nur auf Reformen im bestehenden patriarchalen System hinwirkt, anstatt dieses abschaffen zu wollen. Darüber hinaus hieß es bisweilen, dass das Konzept vor allem in der Theorie bestehe und in der Praxis nur nachlässig umgesetzt werde. Ein weiterer Schwachpunkt sei außerdem, dass es ausschließlich das weibliche Geschlecht fokussiere und den Fokus nicht weiter in Richtung anderer Geschlechter aufmache.
Zu einer Verbesserung wird es vorerst allerdings nicht kommen, denn im Oktober 2022 verkündete der neu ernannte schwedische Außenminister Tobias Billström von den konservativen Moderaten, künftig auf eine feministische Außenpolitik Schwedens verzichten zu wollen.
Als Grund dafür nannte Billström das Bedürfnis, die schwedische Außenpolitik in erster Linie den schwedischen Interessen widmen zu wollen – und dies stehe in Konflikt mit dem bisherigen feministischen „Etikett“ der Außenpolitik. Derartige Etiketten verschleierten seiner Ansicht nach häufig die eigentlichen Ziele und Inhalte. Der Außenminister betonte gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT aber, dass trotz dieses Konzeptwechsel in der schwedischen Außenpolitik die Gleichstellung der Geschlechter ein grundlegender Wert des Staats und der Regierung bleiben werde.
Die Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zu einer „feminist foreign policy“. Darin werden, anknüpfend an die UN-Resolution „Frauen, Frieden, Sicherheit“ von 2000, die Stärkung von Repräsentanz, Rechten und Ressourcen (3R) für Frauen und Mädchen als Kernziele für eine feministische Außenpolitik genannt. Hinzu kommt ein „D“ für Diversität – so wird mittlerweile von einem „3R+D“-Modell gesprochen.
Die Bundesregierung will Diversität in ihrer feministischen Außenpolitik gesamtgesellschaftlich mitdenken und hat dies auch als Ziel der nationalen Sicherheitsstrategie etabliert. So heißt es in dem im Juni 2023 von der Bundesregierung veröffentlichten Dokument zur nationalen Sicherheitsstrategie: „Wir betreiben eine aktive Menschenrechtspolitik und fördern die Beseitigung diskriminierender Machtstrukturen sowie Teilhabe und Diversität. Wo Menschenrechte geschützt werden, sind Krisen und Kriege weniger wahrscheinlich.“ Das soll in allen gesellschaftlichen Bereichen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führen und eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe und Partizipation begünstigen. Zudem sollen Frauen gezielter in Friedensverhandlungen und Konfliktlösungsbemühungen einbezogen werden.
Auch in der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik stehen die Zeichen auf Feminismus: Entwicklungsministerin Svenja Schulze betont die Wichtigkeit einer feministischen Entwicklungspolitik. So soll die Rolle von Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern allgemein gestärkt werden. Darüber hinaus setzt die Ministerin auf Einbezug von Frauen in Entwicklungsprojekte und die Förderung ihrer Erwerbstätigkeit. Dass man diese Themen in den betreffenden Ländern in erster Linie mit Männern verhandeln müssen, mache nichts, solange man die Entwicklung insgesamt in die richtige Richtung lenke.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat dazu im März 2023 eine neue Strategie vorgestellt, die einen transformativen Gedanken zur Überwindung diskriminierender Machtstrukturen mit folgenden Leitlinien und Handlungsfeldern verfolgt: „die Verwirklichung der Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen, die Sicherstellung ihres Zugangs zu Ressourcen und die Förderung ihrer Repräsentanz (Handlungsfeld 1), die Verankerung des feministischen Ansatzes über das BMZ-Portfolio hinweg (Handlungsfeld 2), die Stärkung feministischer Entwicklungspolitik in internationalen Allianzen (Handlungsfeld 3) sowie die Weiterentwicklung eigener Strukturen und Arbeitsweisen im Sinne einer feministischen Entwicklungspolitik (Handlungsfeld 4).“
Außenministerin Annalena Baerbock rückt feministische Außenpolitik immer wieder in den Fokus und betont, dass diese für Deutschland nicht nur eine moralische Notwendigkeit, sondern auch ein strategisches Gebot sei. Bemühungen in Richtung Empowerment von Frauen hätten schließlich gezeigt, dass die Gleichstellung der Geschlechter einen entscheidenden, positiven Einfluss auf Frieden, Sicherheit und soziale Entwicklung habe. Demnach könne durch eine feministische Außenpolitik auch das Wirtschaftswachstum indirekt mit angekurbelt werden. Die feministische Außenpolitik, so Außenministerin Annalena Baerbock, sei mehr als nur ein „Frauenthema“, käme jedem zugute und gehöre unbedingt zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts.
Das Auswärtige Amt plant demnach, das Thema mehr denn je voranzutreiben: Es solle konkrete „Projekte zum Schutz vor geschlechtsbasierter Gewalt, für die Bildung von Mädchen und jungen Frauen und für die Förderung von Unternehmerinnen“ geben. All dies könne bei der Arbeit der Bundesregierung stets mitgedacht werden. Dazu wurden Anfang Februar 2023 Leitlinien für feministische Außenpolitik veröffentlicht. Gemeinsam mit internationalen Expert_innen sowie Ansprechpartner_innen aus der Zivilgesellschaft wurden darin die Eckpfeiler einer deutschen, feministischen Außenpolitik definiert. In insgesamt 10 Leitlinien erklärt das Auswärtige Amt, wie es zukünftig die Perspektive von Frauen und marginalisierten Gruppen in seine Arbeit einbeziehen will.
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