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Inflation und Inflationsrate

Was ist Inflation?

Die Preise für Waren und Dienstleistungen verändern sich im Laufe der Zeit. Übersteigen die Preiserhöhungen die Preisreduzierungen, entsteht ein anhaltender Prozess der Geldentwertung: die Inflation. Für das vorhandene Geld kann weniger gekauft werden, die Kaufkraft des Geldes verringert sich und mit ihr der Wert einer Währung. Für einzelne Haushalte bedeutet dies, dass sie sich immer weniger von ihrem Gehalt kaufen können bzw. dass sie immer weniger in der Lage sind, Ersparnisse für größere Anschaffungen oder für Notzeiten anzusammeln. Das Gegenstück der Inflation, die Deflation, kann mindestens so gefährlich sein wie die Inflation. Zum einen lässt sie sich weitaus schwieriger mit geldpolitischen Maßnahmen bekämpfen, zum anderen kann sie aufgrund der fehlenden Nachfrage schnell in eine Wirtschaftskrise bis hin zu einer Depression führen.

 

Messung von Verbraucherpreisindex und Inflationsrate

Gemessen wird die Inflation am Anstieg eines Preisindexes, der das allgemeine Preisniveau von Waren und Dienstleistungen am besten widerspiegelt. In Deutschland ist dies der Verbraucherpreisindex (VPI), der in Deutschland offiziell vom Statistischen Bundesamt ermittelt wird. Den prozentualen Anstieg des Preisindexes in einem bestimmten Zeitraum bezeichnet man als Inflationsrate. Um die Inflationsrate repräsentativ zu ermitteln, wird künstlich ein Warenkorb von allen Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten innerhalb eines Jahres konsumiert oder in Anspruch genommen werden, zusammengestellt. Der Verbraucherpreisindex in Deutschland umfasst etwa 650 Waren und Dienstleistungen, die den Konsum eines durchschnittlichen fiktiven Haushaltes repräsentieren. Dabei haben einzelne Produkte weniger Gewicht als andere.

 

Die jährliche Inflationsrate bildet den Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahres ab. Das Statistische Bundesamt ermittelt die Preise und gewichtet sie alle einzeln anhand eines Wägungsschemas. Brot und Brötchen haben zum Beispiel ein Gewicht von 0,627 %, Kraftstoffe für Fahrzeuge hingegen 3,525 %. Die Gewichtung reflektiert den durchschnittlichen Anteil bestimmter Ausgaben eines Haushalts. Auf diese Weise wird abgebildet, dass eine Teuerung bestimmter Güter die Verbraucher_innen besonders betreffen und damit potenziell stärkere Folgen für ihren Lebensstandard haben.

 

Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex der EU

Auf europäischer Ebene wird ebenfalls ein Verbraucherpreisindex einheitlich für alle Mitgliedsländer ermittelt, damit die Inflationsraten in den EU-Mitgliedstaaten besser vergleichbar sind. Dieser Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) erlaubt es, eine gemeinsame Inflationsrate im Euroraum zu berechnen. Im Gegensatz zum deutschen Verbraucherpreisindex umfasst der Harmonisierte Verbraucherpreisindex durchschnittlich etwa 700 Waren und Dienstleistungen. Auch ist die Gewichtung nicht bei allen Gütern gleich, daher ergeben sich leichte Abweichungen der errechneten Inflationsraten zwischen dem HVPI und dem Verbraucherpreisindex in Deutschland. Ermittelt werden die Daten vom Statistischen Amt der Europäischen Union. Dieses erhält die Zahlen von den Statistikämtern der einzelnen Mitgliedsländer.

 

Die Europäische Zentralbank beeinflusst die Geldmenge

Die Gesamtinflation ist besonders relevant für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Ziel der EZB ist es, mittelfristig ein stabiles Preisniveau zu gewährleisten, indem die Inflationsrate auf 2 %1 gehalten wird. Entwickelt sich die Inflation nicht wie angestrebt, versucht die EZB mithilfe des Leitzinses entgegenzuwirken. Dieser legt fest, zu welchen Konditionen Geschäftsbanken von der Zentralbank einen Kredit erhalten. Diese Bedingungen werden über die Banken an die Unternehmen und privaten Haushalte weitergegeben.

 

Erhöht die Zentralbank die Zinsen, leihen sich weniger Banken, Unternehmen und Personen Geld – das Geld wird umgangssprachlich „teurer“. Geldanlagen lohnen sich dagegen eher, da diese höher verzinst werden. Beides führt dazu, dass weniger Geld im Umlauf ist, was wiederum den Wert des Geldes erhöht und die Inflation bremst.

 

Wie entsteht eine Inflation?

Es gibt zwei prinzipiell unterschiedliche Ursachen für Inflation. Zum einen kann die Ursache im monetären Bereich (Monetarismus) liegen, vor allem bei der im Umlauf befindlichen Geldmenge, zum anderen kann die Ursache in Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage auf den Gütermärkten liegen. Im letzteren Fall kann zwischen einer Nachfrage- und einer Angebotsinflation unterschieden werden.

 

Die Geldmenge wird im Euroraum von der Europäischen Zentralbank (EZB) beeinflusst. Zuletzt verfolgte die EZB aufgrund der Schuldenkrise eine stark expansive Geldpolitik. Durch massive Ankäufe von Staatsanleihen wurde die umlaufende Geldmenge ausgeweitet. Dies führte aber keineswegs zu einer höheren Inflation. Zugleich wurden die Zinsen auf einem historisch niedrigen Niveau belassen. Erst mit dem Anstieg der Inflationsraten in jüngster Zeit schwenkte die EZB auf den neuen Kurs der US-amerikanischen Zentral- und Notenbank (FED) um und erhöhte schrittweise den Leitzins.

 

Nachfrageinflation entsteht dann, wenn z. B. aufgrund stark gestiegener Löhne die Güternachfrage das Güterangebot übersteigt und die Produzenten ihr Angebot nicht mehr ausweiten können, weil sie ohnehin an ihren Kapazitätsgrenzen produzieren.

 

Liegt hingegen ein zu knappes Güterangebot im Verhältnis zur Güternachfrage vor, kommt es zu einer Angebotsinflation. Die zuletzt stark gestiegenen Energie- und Getreidepreise sind überwiegend durch den Wegfall russischer Gas- und Öllieferungen sowie der kriegsbedingt ausgefallenen Getreidelieferungen der Ukraine entstanden. Auch die vor allem coronabedingt unterbrochenen Lieferketten haben zu Produktionsengpässen und damit zu einem reduzierten Güterangebot geführt. Kann die Automobilindustrie z. B. aufgrund mangelnder Computerchips ihre Produktion nicht aufrechterhalten, entstehen nicht nur Knappheiten bei der Herstellung von Fahrzeugen, sondern auch in vielen nachgelagerten Industriezweigen, wie etwa dem Transportsektor.

 

Sobald sich Inflationserwartungen auf einem Niveau von deutlich über dem Zielniveau von 2 % verfestigen, versuchen die Gewerkschaften durch höhere Lohnforderungen ihre Mitglieder vor der negativen Reallohnentwicklung zu schützen. Es entsteht dann ggf. eine Lohn-Preis-Spirale, die wiederum die Inflation weiter antreibt. Höhere Lohnkosten, die deutlich über dem Produktivitätsfortschritt liegen, führen zu deutlich höheren Produktionskosten und damit zu deutlich höheren Güterpreisen. Steuert die Zentralbank nun mit einem höheren Leitzins gegen diese Entwicklung, besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleitet und die Beschäftigung sinkt. Schon Helmut Schmidt machte 1972 als Wirtschaftsminister den berühmten Ausspruch: „Fünf Prozent Inflation sind leichter zu ertragen als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“. Es ist also besser, die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten und dafür eine höhere Inflationsrate zu akzeptieren.

 

Aktuelle Inflationsrate in Deutschland

Die vergangenen Dekaden waren von sehr niedrigen Inflationsraten, phasenweise mit Werten deutlich unterhalb der Zielinflationsrate der Deutschen Bundesbank bzw. der Europäischen Zentralbank (EZB), gekennzeichnet. Die angestrebte Zielinflationsrate der EZB liegt bei 2 %, was als Zustand der Preisstabilität angesehen wird. Seit 1994 lag die tatsächliche Inflationsrate in Deutschland immer zwischen 0-2.5 %. Vor allem seit der Finanzkrise 2008/2009 wurden unter Ökonom_innen eher die Gefahren einer Deflation als die einer hohen Inflation diskutiert. Erst mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Störungen der globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten sowie den Steigerungen der Staatsausgaben stieg die Inflationsrate 2021 zunächst auf 3.1 % und im September 2022 auf 10 %.

 

Neben der Ausweitung der staatlichen Ausgaben während der Corona-Pandemie haben Nachholeffekte bei den Konsumausgaben nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen und vor allem die Angebotsverknappungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine die Inflation nach oben getrieben. Insbesondere die Verbraucherpreise für Gas, Öl und Kohle sowie Getreide sind überproportional gestiegen, wodurch sich die Inflation in Deutschland im September 2022 auf über 10 % gesteigert hat. Der Verbraucherpreisanstieg für Energie betrug zuletzt sogar 43,9 %, der für Nahrungsmittel 18,7 %.

 

Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation

Die Bundesregierung hat die Folgen der hohen Inflation auf die privaten Haushalte mit verschiedenen Maßnahmen abgemildert. Bis Oktober 2022 wurden vier Entlastungspakete in Milliardenhöhe geschnürt. Die ersten beiden im Frühjahr 2022 verabschiedeten Entlastungspakete beliefen sich auf rund 30 Milliarden Euro, das dritte Entlastungspaket vom September 2022 hat einen Umfang von 65 Milliarden Euro. Zuletzt wurde ein massives Unterstützungspaket in Höhe von 200 Milliarden Euro („Doppel-Wumms“) als Abwehrschirm gegen die hohe Preissteigerung im Energiebereich beschlossen.

 

Zu den Maßnahmen gehören u. a.:

 

  • Tankrabatt für einen begrenzten Zeitraum für Kraftstoffe
  • Günstiger öffentlicher Personennahverkehr (9-Euro-Ticket)
  • Energiepreispauschale für Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende
  • Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer und höherer Arbeitnehmer_innen-Pauschbetrag
  • Einmalzahlung für erwachsene Empfänger_innen von Leistungen der sozialen Sicherungssysteme
  • Einmalbonus zum Kindergeld
  • Heizkostenzuschuss für Wohngeldhaushalte
  • Abschaffung der EEG-Umlage
  • Energiepreispauschale
  • Gaspreisdeckel

 

All diese Schritte zielen auf die soziale Abfederung der durch die Preisschocks besonders betroffenen Verbraucher_innen: untere Einkommensbezieher_innen, Sozialhilfeempfänger_innen und Rentner_innen. Allerdings profitieren von vielen Maßnahmen auch die oberen Schichten überproportional.

 

In Zeiten massiver externer Schocks muss der Staat tief in die Schatulle greifen. Es wäre kontraproduktiv, in solch einer Situation auf die Einhaltung der Schuldenbremse zu bestehen. Die Folge wäre lediglich eine weitere Kontraktion der Wirtschaftsleistung, welche die Rezession verschlimmern und damit auch die Staatseinnahmen weiter zurückgehen lassen würde.

 

Auch die beschlossenen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank sind in solch einer Konstellation nicht unproblematisch. Zwar trägt eine Erhöhung des Leitzinses langfristig zur Verringerung der Inflation bei, aber wenn die Preiserhöhungen so eindeutig von externen Faktoren herrühren, wie es bei den Energiepreisen der Fall ist, wird die Inflation durch die Zinserhöhung kaum reduziert werden, sondern stattdessen wird die Wirtschaft in eine Rezession getrieben.

 


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