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Die Smart City als Herausforderung für die deutsche Politik: Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Groß

Als Mitglied einer von der FES organisierten Arbeitsgruppe hat sich Michael Groß in Singapur um­ge­schaut. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, ob wir den südostasiatischen Stadtstaat um seinen strammen Masterplan beneiden sollten – oder uns mehr Zeit für die Fragen des Wohin und Warum nehmen sollten.

Bild: Michael Groß von Amrita Chandradas

Michael Groß, Du bist Mitglied einer von der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Arbeitsgruppe, die sich mit progressiven Konzepten von "Smart and Social City" beschäftigt. Eure Themen haben Euch, nach München, Wolfsburg und Wenningsen nun auch nach Singapur geführt. Acht Vertreter_innen einflussreicher deutscher Organisationen und Verbände sowie Du, als Mitglied des Bundestages, habt Euch über die Initiativen des Singapurer Smart-Nation-Programms informiert. Um was genau geht es Euch?

Es geht um ein gutes Leben innerhalb sozial gerechter Strukturen, die von neuen Technologien unterstützt werden. Einige Bereiche der Daseinsvorsorge und Bürger-Dienstleistungen werden in Singapur sehr gut gehandhabt. Zum Beispiel soll künftig eine einzige App den Zugang zu verschiedensten administrativen Dienstleistungen der Singapurer Regierung erleichtern. Das finde ich gut. Bei Themen wie individueller Datenschutz, Bürgerbeteiligung in der Planungsphase und demokratische Teilhabe hingegen sehe ich Singapur nicht als Best-Practice-Beispiel. Uns beschäftigt die Frage, wie Digitalisierung und Arbeit 4.0 auch neue Chancen eröffnen können und was dabei verloren geht. Wir denken darüber vorausschauend nach.

Euch geht es um die grundsätzliche Frage, wie technologische Innovationen dazu beitragen können, mehr soziale Gerechtigkeit in die Städte zu bringen.

Ja und ich sehe, dass in Singapur grundsätzlich ähnlich debattiert wird. Die Umsetzung ist hier allerdings eine andere. Bei uns wird erst reguliert, danach erprobt und schließlich umgesetzt. Hier wird etwas erst erprobt, dann zugelassen und später reguliert. Für Deutschland und Europa kann ich mir diesen Weg nur schwer vorstellen, weil dies unserer demokratischen Kultur widersprechen würde. Wir können und wollen zukunftsweisende Prozesse nicht top-down angehen.

In Deutschland wird aber zunehmend beklagt, dass Regierung und Politik Innovationen zu langsam ermöglichen. Das ist auch eine gern geäußerte Kritik aus Asien Richtung Berlin.

Ich sehe, besonders nach der Erfahrung in Singapur natürlich, dass unsere Art Innovationen anzugehen für Unternehmen und Industrie nicht immer nur Vorteile mit sich bringt. Wir haben das in Singapur, wo wir deutsche Firmen besucht und mit Unternehmern gesprochen haben, deutlich vernommen. Es ist aber eine große Errungenschaft, dass das Individualrecht bei uns stark ausgeprägt ist. Dass wir im Gegenzug Planungsprozesse haben, die etwas umständlich angelegt sind, halte ich natürlich auch für einen Nachteil. Andererseits sind diese ein Ergebnis unserer Demokratie. Bei uns haben Bürger_innen zum Glück die Möglichkeit Projekte in Frage zu stellen und gegebenenfalls sogar zu verhindern.

Singapur bietet, neben modernster Infrastruktur und einem ideal gelegenen Standort mitten in Südostasien aber auch noch etwas anderes, das viele schätzen: Planungssicherheit. Hier wird, ziemlich einmalig, Infrastruktur für bis zu drei Generationen vorausgeplant. Wie stehen die Chancen dafür bei uns in Deutschland?

Deutsche und internationale Unternehmen schätzen Singapur als Sprungbrett für ihre Asiengeschäfte. An Singapur schätzen sie besonders die langfristigen Planungsperspektiven, vor allem im Hinblick auf die Infrastruktur. Gleichzeitig schätzt man die Experimentierfreude der Singapurer Regierung. Im Gegenzug bieten Unternehmen dem Singapurer Staat innovative Entwicklungen an, die sie in Deutschland in dieser Form nicht oder noch nicht realisieren können. Daran müssen wir ganz klar arbeiten.

Auf welche Weise kann die deutsche Sozialdemokratie die Brücke schlagen zwischen berechtigten Anliegen. Nämlich dem, dass alle Bürger_innen zufriedenstellend an dieser Modernisierung teilhaben können versus den Interessen der Wirtschaft, schnelle Lösungen im Sinne des Marktes voranzutreiben?

Was wir als deutsche Gesellschaft brauchen, sind offene Verhandlungen über diese vermeintlichen Gegensätze. Mir ist es als Abgeordnetem sehr wichtig in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen, dass wir Fortschritt für Menschen wollen, für die Umwelt, und nicht nur für Märkte. Auf dieser Grundlage können wir abschätzen, was machbar ist und wo es Regulierungsbedarf gibt.

Mit Singapur verbinden in Deutschland viele vor allem Shopping Malls und ein rigides System. Wie ist Dein Eindruck dieser Stadt, die für viele Asiat_innen das Modell schlechthin ist?

Ich habe eine große Offenheit erlebt. Und eine unfassbare Lebendigkeit und Vielfalt. Menschen aus der ganzen Welt leben und arbeiten hier gemeinsam entlang sehr ehrgeiziger Zielsetzungen. Meine Spaziergänge durch die Stadt, durch Seitengassen alter malaiischer und chinesischer Viertel und dann wieder hypermoderner Hochhäuser, daran werde ich mich noch lange erinnern.

Interview: Adrienne Woltersdorf, Leiterin des Regionalbüros Asien der FES in Singapur

Link zur Webseite Smart City Singapur – ein Vorbild für unsere Städte?



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