Protokolle als Primärquelle

In einem Archiv begegnen einem unterschiedliche Arten von Schriftgut – Briefe, dienstliche und private Korrespondenz, Vermerke, Urkunden und last but not least auch Protokolle. Diese sogenannten Primärquellen sind der eigentliche Ausgangspunkt für wissenschaftliche Forschung – quasi als Beweisführung, um Argumente zu untermauern. Protokolle sind, salopp ausgedrückt, in gewisser Weise die Stars unter den verschiedenen Schriftgutgattungen – ihnen kommt eine zentrale Rolle zu.

Im elektronischen Lesesaal der Bibliothek der FES ist die  Online Edition der Protokolle über die Verhandlungen der Parteitage der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von 1890 bis 1959 verfügbar.

Unsere Bibliothek bietet aber auch darüber hinaus viele weitere Parteipublikationen zur Ausleihe an.

Für einen ersten Überblick über Protokolle in unseren Beständen - schriftlich oder als Tondokument - besuchen Sie unseren iServer.

Der Duden führt vier Bedeutungen des Begriffs ‚Protokoll‘ auf und zwar u.a. definiert er es als „wortgetreue oder auf die wesentlichen Punkte beschränkte Niederschrift über eine Sitzung, Verhandlung, ein Verhör o. Ä“.. Sehr nüchtern zusammengefasst sind Protokolle Ausdruck von Verwaltungshandeln. Sie werden angefertigt um den Inhalt einer Sitzung, Besprechung oder Veranstaltung festzuhalten. Dies kann eins zu eins als ausführliches Wortprotokoll der Fall sein, also wortwörtlich, oder als Ergebnisprotokoll in Stichpunkten und nicht zuletzt ein Gedächtnisprotokoll oder auch Verlaufsprotokoll, was grob eine Zusammenfassung darstellt. Auch die Form der Überlieferung variiert. So sind im Falle der Bundestagfraktion neben verschriftlichten Protokollen auch Tonbandaufnahmen vorhanden. Protokolle dienen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Handlungen. Neben dem eigentlichen Protokoll gehören im Regelfall auch Anwesenheitsliste und häufig auch Anlagen dazu.

Parteivorstands- und Parteiratsprotokolle gehören zu den zentralen Dokumenten, wenn Wissenschaftler/-innen sich mit historisch-politischen Themen zur Geschichte der SPD auseinandersetzen möchten. So ist es dem Archiv der sozialen Demokratie auch ein wichtiges Anliegen, das diese möglichst vollständig überliefert sind und sukzessiv zum Beispiel auch in edierter Form zur Verfügung gestellt werden können. Protokolle der Parteivorstandsitzungen, aber auch die im Regelfall publizierten Protokolle zu den Parteitagen, gehören zu den von Archivnutzer/-innen häufig eingesehenen Dokumenten. Darüber hinaus gehören auch Vorstandsprotokolle von Gewerkschaften und sozialdemokratischen Umfeldorganisationen zu den Beständen des Archivs der sozialen Demokratie.

Protokolle des Parteivorstands sind eine herausragende Quelle der innen- und außenpolitischen Parteiengeschichte in Alltagspraxis und im Rahmen wichtiger politisch-historischer Vorgänge. Protokolle dokumentieren Willens-, Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse in entscheidungsrelevanten Gremien. So kann nachverfolgt werden, wie es zum Beispiel zu Beschlüssen gekommen ist, ob es Kontroversen gab, ob es Alternativen gab, ob der Entschluss modifiziert veröffentlicht wurde etc. Im Prinzip kann man den Weg zu einem Entschluss nachverfolgen und dabei nicht nur inhaltliche Aspekte, die dazu führten erkennen, sondern auch die Arbeitsweise und strukturelle Voraussetzungen. Protokolle ermöglichen eine Binnensicht auf die Funktionsweise eines Gremiums und bieten ebenso einen Blick auf die innere Parteiorganisation. Im Rahmen einer konstituierenden Sitzung wird zum Beispiel die Gründung einer neuen Partei, wie damals der Sozialdemokratischen Partei in der DDR 1989, festgehalten und in weiteren Sitzungsprotokollen ihre organisatorische und programmatische Entwicklung dokumentiert.

Auch in linguistischer Hinsicht ist eine Auseinandersetzung mit Protokollen sinnvoll, da über lange Zeiträume ein Wandel des politischen Sprachgebrauchs nachlesbar und wahrnehmbar ist. Nicht zuletzt können sich auch Aspekte wie Performanz und Selbstwahrnehmung einzelner politische Akteure oder ganzer Gruppen können in Protokollen niederschlagen. Somit bieten diese Quellen auch Ansätze zu biographischen und prosopographischen Untersuchungen.

Klingt das Wort ‚Protokoll‘ zunächst nicht besonders einladend, so möchte die Autorin doch sehr diese Quellengattung dem geneigten Leser ans Herz legen.

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