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Kurzgefasst und eingeordnet von Paula Schweers – Paula Schweers ist Journalistin und Autorin. Sie studierte Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und Europäische Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Derzeit wird sie beim ARTE Magazin und an der FreeTech Academy of Journalism und Technology zur Redakteurin ausgebildet.
Linda Scott will mit ihrem Buch Das weibliche Kapital die wissenschaftlichen Grundlagen liefern, um die Debatte zur gesellschaftlichen Ungleichheit um eine feministische Perspektive zu erweitern. Sie zeigt auf, dass es eine geschlechtsneutrale Ökonomie nicht gibt und das eine geschlechtsblinde Wirtschaft nicht nur den Individuen, sondern auch sich selbst schadet. Hierfür prägt sie die Begriffe „Double X-Ökonomie“ und „das weibliche Kapital“, womit sie die wirtschaftliche Rolle der Frauen umschreibt. Empirisch fundiert und mit zahlreichen Fallbeispielen belegt, erklärt Scott, wie Armutsbekämpfung und Gleichstellung zusammengedacht werden können. Zentral sind hierbei folgende Aussagen:
Zwar gibt es schon lange eine feministische Ökonomie, die etwa den Blick auf weibliche Sorgearbeit lenkt. Das Besondere an Scotts Arbeit ist aber die Verklammerung von sozialer Gerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit. Diese stellen zentrale programmatische Werte der Sozialen Demokratie dar. Scotts Diskussions- und Lösungsansätze helfen dabei, die Debatte mit Zahlen und Daten zu untermauern.
Verlag: Carl Hanser VerlagErschienen: 21.09.2020Seiten: 416ISBN: 978-3-446-26780-0
Linda Scott ist emeritierte Professorin für Entrepreneurship und Innovation an der Universität Oxford. Neben ihrer Forschung und der Lehrtätigkeit berät sie UN-Panels, Think Tanks und internationale Unternehmen. Sie wurde vom Prospect Magazine zwei Mal unter die Top 25 of Global Thinkers gewählt.
Linda Scott teilt ihr Buch in zwei Teile auf. Sie definiert den Begriff der Double-Ökonomie und beschreibt die damit zusammenhängenden Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Frauen. Im zweiten Teil skizziert sie Lösungsansätze, um die wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen zu beenden und die soziale Gerechtigkeit zu stärken.
Im ersten Teil des Buches erläutert Scott den von ihr geprägten Begriff der Double X-Ökonomie. Die Bezeichnung macht es möglich, die wirtschaftliche Rolle der Frauen und bestehende Diskriminierungsformen ihnen gegenüber zu erfassen. Die Kernaussage hierbei ist, dass in allen Ländern weltweit ein besonderes Muster der wirtschaftlichen Benachteiligung besteht, das durch strukturell gleiche Mechanismen befeuert wird. Eine gering ausgeprägte Geschlechtergerechtigkeit geht hierbei mit verstärkter Armut und gesellschaftlicher Instabilität einher. Diese Annahme wird durch große internationale Institutionen wie das UN-Entwicklungsprogramm und das Weltwirtschaftsprogramm belegt. Diese erforschen seit 2005 die Korrelation zwischen dem gesellschaftlichen Status von Frauen in Bezug auf Bildung, Führungspositionen oder Gesundheit und den Leistungsdaten von Volkswirtschaften.
Des Weiteren wird der Wert der unbezahlten Arbeit wie Hausarbeit, Kindererziehung und Altenpflege, den zu einem großen Teil Frauen leisten, nicht in wirtschaftliche Berechnungen aufgenommen. Dies umschreibt Scotts Begriff der weiblichen Schattenwirtschaft, die zwar einen großen Teil zum Funktionieren der Wirtschaft beiträgt, von der Gesellschaft aber nicht entlohnt oder berechnet wird. Auf diese Weise erhalten Frauen für einen großen der Teil der von ihnen erbrachten Wirtschaftsleistung keine Bezahlung oder Anerkennung.
Es gibt noch weitere Faktoren, die Frauen ökonomisch benachteiligen. So sind Bildung und der Zugang zu Informationen nicht gerecht verteilt. Dies hat den historischen Hintergrund, dass Frauen über Jahrtausende hinweg aus vielen Bereichen der Bildung ausgeschlossen waren: von der Möglichkeit, Lesen und Schreiben zu lernen, oder vom Studium der Naturwissenschaften. Frauentausch- und Heiratsregeln, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, gewaltvolle Beziehungen und gesellschaftliche Praktiken stellen weitere Hürden für gleichberechtigte Teilhabe dar.
Weil Frauen fast nie Land besitzen durften und zugleich Grundbesitz über lange Zeit die größte Wohlstandsquelle war, führt auch dieser Aspekt dazu, dass sie weitaus weniger Kapital besitzen als Männer. Weltweit liegt der Anteil der Frauen am Grundbesitz derzeit bei nur 20 %. Gewerkschaften, Kooperativen und Wirtschaftsverbände schlossen Frauen zudem über lange Zeit aus, in vielen Ländern ist dies noch immer so. Ähnlich sieht es auch beim weltweiten Finanzhandel aus, in dem die Märkte und Gewinne am größten sind. Nur sehr wenige Frauen haben Teil am internationalen Handel oder bekommen große Verträge mit Institutionen – in beiden Wirtschaftsbereichen kontrollieren Männer 99 % der Geschäfte.
Einem Arbeitspapier des IWF von 2017 zufolge ist dies auch ökonomisch gesehen ein Fehler, da Vielfalt Volkswirtschaften besser gegen Konjunkturflauten schützt und ihre Innovationskraft steigert. Scott belegt zudem, dass mehr Frauen in den Aufsichtsräten der Unternehmen zu verbesserten Leistungen und höheren Renditen, geringeren Risiken und fairem Personalmanagement führen. Nachhaltiges Wachstum wäre somit dadurch möglich, dass die vernachlässigten Ressourcen und Fähigkeiten von, vielfach gut ausgebildeten, Frauen in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Der Zusammenhang zwischen dem Grad der Geschlechtergerechtigkeit und dem gesamtgesellschaftlichen Wohlergehen ist wissenschaftlich gut fundiert. Die Wirtschaftsleistung eines Landes und dessen Pro-Kopf-Einkommen sind hiervon betroffen. Die Gleichstellung der Frauen ist somit kein Luxus, den sich nur die reichen Länder leisten können und sollten. Stattdessen ist es umgekehrt. Gleichstellung führt zu Wohlstand, während männliche Dominanz dafür sorgt, dass Länder arm sind und bleiben.
Die Länder mit der höchsten Frauenerwerbsquote sind die reichsten. Zugleich sind es die Länder mit dem niedrigsten Pro-Kopf-BIP, in denen Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit verrichten. Dadurch fallen sie als Akteure auf dem Markt für bezahlte Arbeit aus, was sich wiederum negativ auf das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes auswirkt.
Die zentrale Rolle der Frauen für das gesellschaftliche Wohlergehen wird systematisch unterschätzt. Dabei zeigt die Datenlage, dass die besten Ergebnisse erzielt werden können, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt zusammenarbeiten. Scott ermutigt Unternehmen und Politik, zu Wirtschaftsstrukturen beizutragen, die inklusiv und frei von patriarchalen Ausbeutungsstrukturen sind, und vermehrt Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.
Unabhängige internationale Organisationen sollten sich für die wirtschaftlichen Interessen von Frauen einsetzen und die Datenlage durch vermehrte Forschung zum Themenbereich stärken. Zudem sollten auch die Wirtschaftswissenschaften für Frauen attraktiver gemacht werden, indem Diskriminierung am Arbeitsplatz reduziert wird.
Linda Scotts Werk umreißt verschiedene Facetten der Zusammenhänge von sozialer Gerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit. Aus diesem Grund lässt sich dem Buch attestieren, dass es eine Lücke schließt, die andere große ökonomische Entwürfe der vergangenen Jahre offengelassen haben. Sehr spannend ist hierbei insbesondere, welches Potenzial eine Stärkung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen in armen Ländern und Schwellenländern entfalten könnte. Sowohl Gewalt als auch Armut könnten hierdurch deutlich verringert werden.
Für politische Arbeit sind zudem ihre Argumente für mehr Frauen in Führungspositionen und der große Datenschatz interessant, der den Zusammenhang von Geschlechtergerechtigkeit und wirtschaftlicher Stärke eines Landes offenbar macht. Interessant wäre es zusätzlich gewesen, auch Daten zur Lohnentwicklung und zum Zustand der Sozialsysteme in die Analyse einzubeziehen. Das Bruttoinlandsprodukt, das Scott hauptsächlich als Grundlage nimmt, gibt noch keine Auskunft darüber, wie Einkommen und Vermögen innerhalb einer Gesellschaft verteilt sind.