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Kurzgefasst und eingeordnet von Hans-Peter Schunk – Hans-Peter Schunk ist Doktorand am Seminar für Neueste Geschichte der Philipps-Universität Marburg.
Mit Blick auf die digitale Transformation hinkt Deutschland weit hinter dem EU-Durchschnitt her. Komplexe Regulierungen hemmen den Fortschritt, und es besteht die Gefahr eines digitalen Blackouts, wenn diese Hindernisse nicht beseitigt werden. Die Lösung liegt in einer nutzerorientierten, resilienten und kooperativen Digitalisierung. Zu ihrer Umsetzung ist es notwendig, eine klare Datenstrategie zu entwickeln, angemessene Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und die digitale Bildung zu fördern.
Auch die Gesellschaft muss im Zuge des digitalen Wandels Beiträge leisten, indem sie Chancen besser nutzt und Risiken minimiert. Um die Vorteile der Digitalisierung allen zugänglich zu machen, sollte diese als gesellschaftliches Projekt behandelt und entsprechend parteiübergreifend gehandelt werden. Hier-bei ist es von Bedeutung, sowohl Optimismus als auch Realismus an den Tag zu legen und beide Haltungen miteinander zu verbinden.
Die Soziale Demokratie will den digitalen Wandel in Deutschland vorantreiben und dabei sicherstellen, dass die Vorteile der Digitalisierung allen Bürger_innen zugutekommen. Das Thema ist entsprechend auch einer der politischen Schwerpunkte der führenden Vertreter der Sozialen Demokratie. So haben sie sich in der Vergangenheit kontinuierlich für die Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland eingesetzt. Unter anderem wurde im Jahr 2015 ein wegweisenden Grundsatzprogramms zur Digitalisierung von der SPD vorgestellt, das im Mai 2023 nochmals aktualisiert wurde. Das vorliegende Buch bietet fruchtbare Analysen und Impulse für das Gelingen einer effizienten und sozial gerechten Digitalisierungsstrategie. Es trägt damit dazu bei, die Vision einer fortschrittlichen und inklusiven Digitalpolitik in die Realität umzusetzen.
Valentina Kerst, geboren 1979, ist studierte Betriebswirtin, Unternehmerin und ehemalige Staatssekretärin für „Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsförderung, Tourismus und Digitale Gesellschaft“ im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft.
Fedor Ruhose, geboren 1982, ist studierter Volkswirt und seit Mai 2021 Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung in Rheinland-Pfalz.
1. Deutschland auf dem Weg in den schleichenden Blackout
Deutschland hinkt in der digitalen Transformation hinterher. Grund hierfür sind komplexe Regulierungen, die den Fortschritt hemmen. Um nicht den Anschluss zu verlieren, sollte die Bundesregierung die Digitalisierung vorantreiben und sich bei der Umsetzung an anderen Ländern orientieren. Eine effiziente Digitalisierung darf sich dabei nicht allein darauf beschränken, bereits bestehende analoge Prozesse in digitale Prozesse umzuwandeln. Vielmehr bedarf es neuer Konzepte und kluger Investitionen.
Wichtig für den Ausbau der digitalen Infrastruktur ist auch ein entsprechendes Infrastruktur-Modernisierungsprogramm, das verschiedene Netzwerke in den Fokus nimmt, darunter die Stromversorgung, den Schienenverkehr, die Straßen und das Thema mobile Breitbandverbindung. Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung, die staatliche Verwaltung widerstandsfähiger gegenüber Störungen zu machen. Zu diesem Zweck müssen verschiedene Sicherungstechniken implementiert werden.
Bisher erfolgt die Digitalisierung des deutschen Staates ohne klare Strategie. Es ist jedoch dringend erforderlich, eine sinnvolle Datenstrategie zu entwickeln, die sowohl digitale Innovationen als auch eine effiziente Datenwirtschaft einbezieht. Die Politik sollte hierbei klare Leitlinien festlegen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft aktiv fördern. Dabei kann sie sich von konkreten Erfahrungen aus der Wirt-schaft inspirieren lassen, um die staatliche Verwaltung zu optimieren.
Die politischen Parteien haben in Bezug auf die Digitalisierung bisher nur eine unzureichende Rolle gespielt. Sie sollten sich intensiver mit dieser Thematik auseinandersetzen, klare Positionen entwickeln und aktiver an der Gestaltung der digitalen Zukunft teilnehmen.
Digitale Souveränität bedeutet, die Kontrolle über die Nutzung von digitalen Anwendungen und die Weitergabe von Daten zu haben, ohne dabei von großen Technologieunternehmen abhängig zu sein. Innerhalb der deutschen Gesellschaft bestehen jedoch erhebliche Unterschiede bezüglich der digitalen Kompetenz. Viele Bürger_innen können digitale Anwendungen zwar nutzen, verstehen jedoch deren Funktionsweise nicht ausreichend. Die Digitalisierung verschärft dabei in der Gesellschaft bestehende Probleme. Um sicherzustellen, dass die Vorteile der Digitalisierung allen Altersgruppen zugänglich sind, insbesondere im Hinblick auf die Einführung der elektronischen Patientenakte, sind Anpassungen nötig. Geld allein kann die hier bestehenden Herausforderungen nicht bewältigen. Vielmehr müssen bei der Bereitstellung digitaler Verwaltungsleistungen auch die Bedürfnisse der Menschen in puncto Benutzerfreundlichkeit und Transparenz berücksichtigt werden.
Die wachsende Bedrohung durch Cyberkriminalität, insbesondere durch Ransomware-Angriffe, ist eine im Zeitalter der Digitalisierung zunehmende Herausforderung. Es besteht daher ein dringender Bedarf an der Umsetzung von Maßnahmen zur Sensibilisierung für Cybersicherheit.
Mit dem Begriff „Erkenntnisparadoxon“ wird der Umstand bezeichnet, dass wir über uns selbst immer weniger wissen, weil wir immer weniger reflexiv aus unserem Leben erzählen, während soziale Medien immer mehr Informationen über uns sammeln. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass Entscheidungen von CEOs großer Technologieunternehmen wie etwa Elon Musk bei X (früher Twitter) die Informations- und Meinungsfreiheit beeinflussen können. In Deutschland sollte daher die Nutzung digitaler Technologien zur Bevölkerungsüberwachung, wie sie beispielsweise bei TikTok eingesetzt werden, durch eine angemessene Gesetzgebung untersagt werden. Die Wiedererlangung unserer digitalen Souveränität könnte dabei durch das sog. „Fediverse“ erreicht werden, ein Netzwerk unabhängiger sozialer Plattformen, die dezentral agieren. Um sich wirksam gegen die Macht der großen Tech-Konzerne behaupten zu können, ist in jedem Fall eine gemeinsame europäische Strategie erforderlich, die über nationale Grenzen hinausweist.
Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 hat durch die physische Zerstörung der Infrastruktur eindringlich die Möglichkeit eines abrupten digitalen Blackouts vor Augen geführt. Abgesehen von Naturkatastrophen besteht jedoch auch die ernsthafte Gefahr von Angriffen auf die digitale Infrastruktur. Daher ist es dringend geboten, die Sicherheit kritischer Infrastrukturen vor gezielten Cyberangriffen zu stärken. Diesbezüglich sollte der deutsche Staat entsprechende Informationsdienste schaffen und ein Cyberhilfswerk etablieren.
Auch im Privatbereich besteht dringender Handlungsbedarf, da immer mehr persönliche und berufliche Daten online gespeichert werden und sich die Auswirkungen eines digitalen Blackouts somit zunehmend verschlimmern. Vor diesem Hintergrund sollten Nutzer_innen stets auf die Zwei-Faktor-Authentifizierung sowie auf Passwortmanager zurückgreifen.
Die Vorteile der Digitalisierung sollten allen Mitgliedern der Gesellschaft zugänglich sein. Der Staat trägt daher die Verantwortung, eine Grundversorgung im digitalen Bereich sicherzustellen, die digitale Bildung zu verbessern und Verwaltungsdienstleistungen sowie E-Government-Dienste bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund betont das Konzept der „ermöglichenden Digitalisierung“ die Bedeutung von persönlicher Interaktion und analogen Angeboten, die durch digitale Lösungen nicht ersetzt, sondern ergänzt werden sollten. Um geeignete Standards zu setzen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu fördern, sollte eine koordinierte Bundesstruktur eingerichtet werden und regelmäßig eine Digitalisierungsfachkonferenz stattfinden.
Um einen digitalen Blackout zu verhindern, sollte der Staat als Plattform organisiert werden. Durch die große Anzahl an Nutzer_innen würden positive Wechselwirkungen entstehen. Komplexe Abläufe würden vereinfacht und die Kosten für Transaktionen gesenkt. Entscheidend hierfür sind eine Automatisierung von Routineaufgaben sowie eine medienbruchfreie digitale Verwaltung. Um dies zu gewährleisten, ist ein einheitliches Digitalisierungsbudget erforderlich. Unter den Bundesländern sollte dabei das „Einer-für-alle-Prinzip“ gelten. Ferner sollte die Ausarbeitung von Konzepten für die Nutzung von Web3 und generell der Blockchain-Technologie in Betracht gezogen werden, wobei die Datensicherheit und sich eventuell abzeichnende gesellschaftliche Risiken berücksichtigt werden müssen. Der Dialog mit der Zivilgesellschaft ist auch hier entscheidend, um innovative Ideen zu fördern und Probleme frühzeitig zu identifizieren.
Unser Programm für einen Weg aus dem digitalen Desaster und für den digitalen Aufstieg: Um den schleichenden Blackout in unserer Gesellschaft zu verhindern, ist individuelle Verantwortung von entscheidender Bedeutung. Es sollte daher eine Checkliste für persönliche Blackouts geben, die die Aspekte Prävention, Detektion und Reaktion umfasst. Die Diversifizierung von Daten, alternative Speicherlösungen und analoge Sicherungen sind wichtig. Gleichzeitig ist staatliche Unterstützung in der Digitalisierung unerlässlich, um Aufklärung, Beratung und eine verbesserte Schutzinfrastruktur zu gewährleisten. Cybersicherheit erfordert koordiniertes Handeln sowie eine enge IT-Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Absolute Sicherheit ist in der IT zwar unerreichbar; dennoch sollten in neuen Projekten von Anfang an immer auch Mittel für die Informationssicherheit eingeplant werden.
Neben den genannten Chancen und Vorteilen, die die Digitalisierung bietet, ist sie auch mit Risiken und Nachteilen verbunden. Hierzu gehört, dass die Digitalisierung zu einem Verlust persönlicher Kontakte führen kann und somit potenziell zur Vereinsamung beiträgt. Deshalb sollten regelmäßige Einsamkeitsberichte erstellt werden.
Um Abläufe effizienter zu gestalten, ist zusätzlich zur Digitalisierung von Prozessen auch eine Entbürokratisierung erforderlich. Zudem bedarf es einer gezielten Regulierung von Digitalunternehmen, um deren Marktmacht zu begrenzen. Nur in einem kooperativen Ökosystem zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups kann die Digitalisierung vorangetrieben werden.
Ebenfalls vonnöten ist ein digitaler Sozialstaat, der eine digitale Grundsicherung und einen Zukunftspakt einschließt, um die digitale Infrastruktur zu stärken und Chancengleichheit sowie Teilhabe an der digitalen Gesellschaft sicherzustellen.
Die Digitalisierung sollte auf die Bedürfnisse der Nutzer_innen ausgerichtet sein und zur Etablierung einer robusten Infrastruktur führen, um Freiheit und Wohlstand zu sichern. Es ist zentral, den schleichenden Blackout zu verhindern und sich den Herausforderungen der Digitalisierung sowie anderen gesellschaftlichen Problemen zu stellen. Die Politik muss bestrebt sein, gesellschaftliche Spaltungen zu vermeiden und einen sicheren digitalen Raum zu schaffen. Plattformstrukturen in den Bereichen Verwaltung, Information und Kommunikation können dazu beitragen, die digitale Souveränität zu stärken. Die unüberlegte Einführung von Technologien sollte vermieden werden. Stattdessen ist eine realistische und förderliche Digitalisierung vonnöten. Es ist entscheidend, dass alle Beteiligten, einschließlich der Politik, sich ihrer Verantwortung bei der Gestaltung der Digitalisierung bewusst sind und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.
Die Analysen und detaillierten Vorschläge von Kerst und Ruhose sind äußerst überzeugend. Sie formulieren klare Richtlinien, um eine effiziente und soziale Digitalisierung in Zukunft zu ermöglichen. Das vorliegende Buch bietet fruchtbare Analysen und Impulse für das Gelingen einer effizienten und sozial gerechten Digitalisierungsstrategie. Es trägt damit dazu bei, die Vision einer fortschrittlichen und inklusiven Digitalpolitik in die Realität umzusetzen.
Verlag: Verlag J.H.W. Dietz Nachf.Erschienen: Mai 2023Seiten: 168ISBN: 978-3-8012-0658-1