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Einwanderung - keine neue Erfahrung
Einwanderung ist also keine neue Erfahrung. Trotzdem wurden die Gesellschaften Westeuropas von der jeweiligen Bevölkerung selbst überwiegend als ethnisch und kulturell homogen, also vergleichsweise einheitlich wahrgenommen.6 Im Verständnis der jeweiligen Bürger teilte die Bevölkerung sowohl eine gemeinsame Sprache als auch zusätzliche kulturelle und ethnische Eigenschaften.
Trotz aller sozialen Unterschiede ging man also davon aus, dass das jeweilige Gegenüber mit einem selbst die jeweiligen Eigenschaften – als Spanier beispielsweise die spanische Sprache und die katholische Religion – teilt, und er/ sie wurde deshalb als Teil der Gruppe, als „Spanier“ betrachtet. Es bestand die Vorstellung einer irgendwie gearteten Homogenität, also Einheitlichkeit, zwischen den Bürgern.
Chancen und Herausforderungen kultureller Heterogenität
Warum ist kulturelle Heterogenität nun aus Sicht Sozialer Demokratie eine Herausforderung? Man könnte doch der Meinung sein, dass es für das Zusammenleben in einer Gesellschaft und das Wohlergehen ihrer Mitglieder nicht von Bedeutung ist, welche kulturellen Eigenschaften diese Mitglieder haben, sofern alle ein gesichertes und friedliches Leben führen können. So einfach ist es aber nicht. Mindestens vier Herausforderungen lassen sich erkennen:
(1) Mögliche gesellschaftliche Ausgrenzung
Eine Gesellschaft besteht aus vielen Teilen. Das sind gewissermaßen Teilsysteme wie das politische System, der Arbeitsmarkt, die Kultur oder die Zivilgesellschaft. In diese Teilsysteme sind die Mitglieder einer Gesellschaft in unterschiedlichem Ausmaß integriert. Kaum ein Mitglied einer Gesellschaft ist auf die gleiche Weise wie alle anderen Mitglieder in diese Teilsysteme integriert. Dies kann auf freiwilliger Entscheidung beruhen und ist dann nicht weiter tragisch. Problematisch ist allerdings eine unfreiwillige Exklusion, die so vom Betroffenen eigentlich nicht gewünscht ist.
Diese Möglichkeit besteht bei allen Gesellschaftsmitgliedern, ist allerdings bei Einwanderern wahrscheinlicher als bei Einheimischen. Eben gerade aufgrund der Einwanderung sind sie zunächst nicht in die gesellschaftlichen Systeme eingebunden (z. B. Nachbarschaften, Vereine, berufl iche Netzwerke). Es kann notwendig sein, bestimmte Hürden abzubauen, um Exklusion zu verringern.
(2) Mögliche Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Eine bestehende Gesellschaft kann von ihren Mitgliedern als kulturell relativ homogen wahrgenommen werden. Diese angenommene kulturell-ethnische Homogenität kann positiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen und damit das gegenseitige Vertrauen und soziale Kapital stärken. Mit der kulturellethnischen Homogenität geht häufi g die Vorstellung einer gemeinsamen Identität einher, die ebenfalls den gesellschaftlichen Zusammenhalt stützt.
Eine Zunahme ethnisch-kultureller Unterschiede kann nun diese wichtige Unterfütterung, diese so genannte soziale Kohäsion7, beeinträchtigen, wenn sie nicht politisch begleitet wird. Hier gilt es, genau zu sein: Kulturelle Heterogenität kann (muss aber nicht) den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächen. Es gibt aber auch vielfältige Möglichkeiten, ihn wieder zu stärken.
Andererseits kann der Zusammenhalt auch in einer Gesellschaft mit kultureller Homogenität schwach sein, z. B. bei großen sozialen Ungleichheiten. Letzteres verweist aus der Sicht Sozialer Demokratie auf zwei wichtige Stützen gesellschaftlichen Zusammenhalts: die soziale Absicherung aller und die Verhinderung der kulturellen Aufl adung sozialer Probleme.
(3) Mögliche Chancenungleichheit in gewachsenen Institutionen
Historisch gegebene Homogenität kann sich auch in die historisch gewachsenen sozialen und politischen Institutionen, hier im Sinne gesellschaftlicher Regelungen, eingelagert haben. Dies kann dazu führen, dass diese Institutionen nur bestimmte kulturelle Eigenschaften anerkennen und entsprechend fördern. Für Menschen mit diesen kulturellen Eigenschaften kann es zu Vorteilen kommen, während andere, zumeist Zuwanderer, benachteiligt werden. So orientieren sich beispielsweise die Akzeptanz bestimmter religiöser Symbole im öffentlichen Raum oder der Zeitpunkt staatlicher Feiertage meist an einer „alteingesessenen“ Religion. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine solche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen ist.
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