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Andrea Multmeier ist seit 1985 hauptamtliche Geschäftsführerin der Kreisgruppe Bottrop im Paritätischen Wohlfahrtsverband (PW), Landesverband NRW. Neben diesem nachhaltigen Engagement in der Begleitung und Betreuung der ehrenamtlich geführten Mitgliedsorganisationen vor Ort, sowie als Repräsentantin des Spitzenverbands auf kommunaler Ebene, übernahm sie während dieser Zeit verschiedene Funktionen auf Landesebene. Der Paritätische in NRW vertritt als Dachorganisation die Interessen von 3.000 Mitgliedsorganisationen aus einem breiten Spektrum sozialer Aufgabenfelder: Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitshilfe, Frauen- und Mädchenarbeit, Behindertenhilfe etc. U.a. wirkte sie hier als Bezirkskoordinatorin und als Vorstandsmitglied der Stiftung Gemeinsam Handeln. Zurzeit liegen ihre Aufgaben im Geschäftsbereich Bürgerschaftliches Engagement, mit dem Schwerpunkt CSR/Unternehmenskooperationen
MuP: Der Paritätische als große Dachorganisation bietet diverse Angebote für seine Mitgliedsvereine. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Welche Arbeitsfelder ergeben sich in diesem Schwerpunkt?
Multmeier: Der Paritätische setzt sich für die Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements in folgenden Bereichen ein:
MuP: Welche Herausforderungen insbesondere für die Vorstandsarbeit haben Sie/Der Paritätische bei Ihren Mitgliedsvereinen identifizieren können?
Multmeier: Die Anforderungen und damit auch der zeitliche Aufwand für Vorstände sind gestiegen. Damit sind besonders Vereine im Paritätischen gemeint, die Träger von sozialen Diensten und Einrichtungen mit hauptberuflichen Mitarbeiter/-innen sind, zum Beispiel Kindertageseinrichtungen in der Trägerschaft von Elterninitiativen. Die gesetzlichen Anforderungen, behördlichen Auflagen, und die finanziell knappe Ausstattung fordern von Vorständen juristische und betriebswirtschaftliche Kompetenzen, die allein ehrenamtlich nicht zu bewältigen sind. Außerdem müsse Vorstände in der Rolle als Arbeitgeber_innen mittlerweile häufiger betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, als dass sie auf die Erfolge der Arbeit des Vereins verweisen können. Das ist wenig schön. Damit sinkt auch die Bereitschaft von Menschen, die grundsätzlich an einem Engagement interessiert sind, ein Vorstandsamt zu übernehmen. Das ist die eine zu beobachtende Tendenz, daneben gibt es natürlich weitere Herausforderungen, die eher grundsätzlicher Art sind. Die Bereitschaft ein Vorstandsamt zu übernehmen ist bei Vereinen generell rückläufig. Das hat verschiedene Gründe: Zeitaufwand, langfristige Bindung, Unklarheiten bezüglich der Aufgaben, die mit dem Amt genau verbunden sind, Angst vor Haftungsrisiken etc.
MuP: Wie stellen sich Ihre Mitgliedsvereine diesen Schwierigkeiten in der Vorstandsgewinnung und -arbeit und wie kann Der Paritätische seine Vereine und deren Vorstände ganz konkret unterstützen?
Multmeier: In dem Maße, wie die Vereine feststellen, dass es nicht mehr so leicht wie früher ist, Vorstände zu finden, wird die Suche früher begonnen, intensiver betrieben und oft erklären sich die bisherigen Vorstände aus der Notsituation heraus bereit, das Amt noch ein Jahr länger auszuüben, obwohl sie eigentlich aufhören wollten. Das Wohl des Vereins ist ihnen sehr wichtig. Der Paritätische unterstützt seine Vereine auf vielfältige Weise. Neben persönlicher Beratung sind es vor allem Gremien und Arbeitskreise auf örtlicher Ebene, bei denen die Thematik und die damit verbundenen Fragestellungen diskutiert werden. Darüber hinaus finden Seminare zu verschiedenen Aspekten der Vorstandsarbeit statt, die sehr stark in Anspruch genommen werden. Wichtig ist dabei auch, dass die Vereine erleben, dass es anderen ähnlich geht und durch Austausch mit den anderen Vereinen neue Impulse und Ideen sowie neue Energien entstehen.
MuP: Sie planen und führen Seminare für ehrenamtliche Vorstände durch. Welchen Qualifizierungsbedarf haben ehrenamtliche Vorstände und welche Rahmenbedingungen sind wichtig, damit diese Angebote auch wahrgenommen werden?
Multmeier: Vorstände möchten vor allem wissen, welche Aufgaben genau zu ihrem Verantwortungsbereich gehören und welche Vorgaben und Bestimmungen des Vereinsrechts sie kennen und beachten müssen. Darüber hinaus besteht Interesse an praktischen Tipps, zum Beispiel wie eine Mitgliederversammlung und eine Vorstandssitzung gestaltet werden können. Dafür ist es wichtig, dass nicht alle Fragen frontal von einem Experten beatwortet werden, sondern auch die Möglichkeit zum Austausch und für gegenseitige Tipps genutzt wird.
MuP: Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie/Der Paritätische, die Vorstandsarbeit machbarer zu gestalten (z.B. Neue Organisationsformen, bzw. Schaffung von Hauptamt, Gründung von gGmbHs)?
Multmeier: Die Vorstandsarbeit kann machbarer gestaltet werden, wenn der Umfang der Aufgaben und Verantwortung überschaubar bleibt und wenn bei auftretenden Schwierigkeiten jemand von außen angesprochen und um Rat oder Auskunft gebeten werden kann. Der Paritätische bietet verschiedene Serviceleistungen für seine Mitgliedsvereine an, zum Beispiel einen Gehalts- und Finanzbuchhaltungsservice. Hiervon machen viele Vereine Gebrauch. Vereine, die stark wachsen und bei denen die bisherige Organisationsform nicht mehr passt, werden bzgl. Umstrukturierungen, GmbH-Ausgründungen u.a. fachlich unterstützt und beraten.
MuP: Einige Ihrer Mitgliedsvereine haben sich für das Modell „hauptamtlicher Vorstand“ entschieden. Ab wann macht Ihrer Meinung nach ein hauptamtlicher Vorstand eigentlich Sinn?
Multmeier: Das Modell „hauptamtlicher Vorstand“ bedeutet, dass ein großer Teil der bisher ehrenamtlichen Vorstandsverantwortung, einschließlich der Haftung, auf die hauptamtliche Ebene verlagert wird. Anstelle des bisher ehrenamtlich tätigen Vorstands wird ein neues Organ geschaffen, zum Beispiel ein Verwaltungsrat, der die Kontroll- und Aufsichtsfunktion gegenüber dem hauptamtlichen Vorstand wahrnimmt. Das Modell setzt voraus, dass der Verein die hauptamtlich erbrachte Vorstandstätigkeit finanzieren kann.
MuP: Ab wann macht es Sinn?
Multmeier: Grundsätzlich lohnt die o.g. Struktur mit einem hauptamtlichen Vorstand erst ab einer bestimmten Größe (Angebote und Umsatz als Kennziffern). Es muss bedacht werden, dass in dieser Struktur ja auch ein neues Gremium geschaffen wird, das in der Folge auch kompetent besetzt werden muss. Allgemeingültige Empfehlungen können hier nur sehr schwer gegeben werden. Innerhalb der Vereinsstruktur bietet das Modell jedoch sicher eine gute Alternative zur GmbH. Wir würden eine solche Entscheidung immer im Einzelfall und unter Hinzuziehung der verschiedenen Fachbereiche beraten.
MuP: Wie werden Ihre Angebote von den Vereinen angenommen und welche Wirkungen zeigen sie in Bezug auf die Besetzung und Qualifizierung von Vorstandspositionen?Multmeier: Angesichts der sehr großen Zahl von Vereinen im Paritätischen und immer wieder anstehenden Veränderungen in den Vorständen werden die Angebote stark nachgefragt, begrüßt, und in ihrer Funktion passgenau Unterstützung zu leisten sehr geschätzt.
MuP: Stellen Sie sich nun Folgendes vor: Ihre Mitgliedsvereine haben sich fit für die Zukunft aufgestellt. Was waren die wichtigsten Schritte dahin und wie hat Der Paritätische als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege sie dabei unterstützt?
Multmeier: Im Wesentlichen sind hier die Punkte zu nennen, die auch weiter oben bei der Frage nach der Unterstützung der Mitgliedsvereine aufgeführt sind. Gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen versucht der Paritätische immer die aktuellen Herausforderungen aufzugreifen und in einem fachlichen Dialog mit den Mitgliedsorganisationen zu bearbeiten. Durch die breite Facharbeitskreisstruktur des Paritätischen, unter Einbeziehung der Kompetenz aus den zahlreichen Organisationen, kann so ein konstruktiver Umgang mit den Zukunftsaufgaben entwickelt werden.
Wir bedanken uns für das Interview. Herzlichen Dank auch an Herrn Heinecke, Bildungsreferent Vereinsführung, Kommunikation, Schuldnerberatung, sowie an Herrn Theißen, Fachreferent für bürgerschaftliches Engagement des Paritätischen Wohlfahrtverbandes für Ihre Mitarbeit am Interview.
Hinweis: Die Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder.
Bonn, 2020