Die FES wird 100! Mehr erfahren

#Angekommen | 6. und 7. März 2017 in der FES Berlin

Die Europapolitik der Parteien muss partizipativer werden

Europapolitik nimmt immer mehr Raum ein – auch in den Parteien. Jedoch finden diese ihre Positionen selten durch Mitgliederbeteiligung, stattdessen dominiert die Exekutive. Dabei wäre mehr Beteiligung durchaus möglich!

Bild: Bild: © fotolia/shutterstock

Europapolitik gewinnt immer mehr an Bedeutung – gerade angesichts der aktuellen Krisen, welche, so die Meinung vieler, nur auf europäischer Ebene nachhaltig zu lösen sind. Gleichzeitig wirkten die Mitgliedstaaten noch nie so uneins wie momentan und überdies bewerten mehr als ein Viertel der Deutschen die EU laut aktuellem Eurobarometer negativ. Europakritische Bewegungen und Parteien sind in vielen Ländern Europas auf dem Vormarsch – sei es in Frankreich, Kroatien, Großbritannien, Polen oder Deutschland. Sie nähren sich auch aus dem Gefühl vieler Menschen, wenig bis keinen Einfluss auf die Politikgestaltung in Brüssel zu haben und nicht miteinbezogen zu werden.

Nun kann man dies einfach auf das oft beschriebene Demokratiedefizit der Europäischen Union schieben, auf welches einzelne Akteure so oder so wenig Einfluss haben. Nur – so leicht sollte es sich niemand machen. Gerade nationale (prinzipiell pro-europäische) Parteien können viel dazu beitragen, ihre eigene Europapolitik und die Arbeit der Institutionen der EU besser zu erklären und partizipativer zu gestalten. Denn Parteien sind auf europäischer Ebene – nicht anders als auf nationaler – immer noch von zentraler Bedeutung für die Willensbildung und den Willensausdruck der Bürger_innen.

Zu eben diesem Thema hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine aktuelle Studie herausgebracht. Sie untersucht, wie die im Bundestag vertretenen Parteien (CDU, SPD, Die Grünen und Die Linke) zu ihren europapolitischen Positionen gelangen, wer welchen Einfluss auf sie hat und inwiefern Bürger_innen oder zumindest die Parteibasis einbezogen werden. Die vom renommierten Göttinger Institut für Demokratieforschung durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Mitgliederbeteiligung in europapolitischen Fragen in allen Parteien problematisch ist. In nahezu jedem Gespräch, welches die Autoren der Studie mit Parteiaktiven aller Ebenen geführt haben, wurde betont, wie wenig die Mitglieder über Mechanismen der Politikentscheidung sowie über mögliche Mitarbeitsformate auf europäischer Ebene Bescheid wissen.

Jedoch bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Parteien. Das Selbstverständnis der CDU als Europa-Partei zeige sich in der fast flächendeckenden Existenz von Arbeitskreisen zum Thema Europa auf Orts- und Kreisebene. Gerade auf Länder- und Bundesebene seien europapolitische Gremien bei der CDU jedoch vergleichsweise geschlossen und dienten eher der Beratung von Exekutive und Vorstand als der Einbindung der Parteibasis. Die Grünen und Die Linke weisen laut Studie mehr Möglichkeiten der Beteiligung auf. Auch die SPD setze auf Basisbeteiligung durch offene Formate, wodurch eine breite Mitgliederbeteiligung möglich wird. Gleichzeitig haben diese Gremien formal betrachtet kaum Einflussmöglichkeiten und werden überwiegend als Kommunikationsplattform genutzt.

Die Analyse zeigt die vielen Schwächen der Positionsbildung in den Parteien deutlich auf. Sie weist jedoch auch auf bestehende Stärken hin und nennt konkrete Möglichkeiten für mehr Beteiligung in europapolitischen Fragen:

Mehr Informations- und Mitbestimmungsrechte durch die feste Verankerung europapolitischer Gremien in den Parteistrukturen

Ausgeschiedene Europa-Parlamentarier könnten als eine Art Wanderlehrer fungieren, um vor allem die lokalen Ebenen zu schulen und zu aktivieren

Eine Stärkung der jeweiligen europäischen Dachpartei kann die gefühlte Dominanz der Exekutive abschwächen – so sei es zum Beispiel denkbar, dass die Dachpartei nicht nur die nationalen Parteimitglieder kooptiert, sondern auch individuelle Mitglieder aufnimmt

Mehr Basisbindung durch Politiker, welche der Basis gegenüber verantwortlich, aber nicht gleichzeitig MdEPs sind: Ein solches Modell prägt die Europapolitik der Grünen, hier entsenden die (aufeinander aufbauenden) Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften Delegierte für Organe und Veranstaltungen der europäischen Dachpartei

Es muss daran gearbeitet werden, dass Europapolitik nicht – wie momentan so oft – als „top-down“-Prozess empfunden wird, dass also die Parteispitze die Richtlinien vorgibt und Entscheidungen trifft, ohne die Basis und die Wählerschaft einzubeziehen. Denn auf diese Weise ist es sehr gut möglich, dass die Bürger_innen den Bezug zu Europa weiter verlieren und die kritischen bis ablehnenden Stimmen an Zuwachs gewinnen. Ein Europa der Zusammenarbeit und Solidarität hat weitaus bessere Chancen, wenn die Parteien ihre europapolitische Politikfindung transparenter gestalten und ein höheres Maß an Partizipationsmöglichkeiten gewährleisten.

Die gesamte Studie können Sie hier lesen.

Eine repräsentative 8-Länderstudie: EU vor Bewährungsprobe – Was erwarten, worum sorgen sich die Bürger? Policy Matters im Auftrag der FES, 2016

Magdalena König in Politik für Europa-2017plus, 23.03.2016: Stürmische Zeiten für die europäische Demokratie: Müssen die EU-Institutionen reformiert werden?

Ulrike Guérot in Politik für Europa-2017plus, 06.04.2016: Oder müssen wir die EU fundamental neu denken? Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie.

nach oben