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#Angekommen | 6. und 7. März 2017 in der FES Berlin

Perfektes Timing

Im politischen Konflikt mit Russland steckt die EU in einer Sackgasse. Eine Kooperation mit der Eurasischen Wirtschaftsunion könnte jetzt einen wirtschaftlichen Ausweg bieten.

Bild: Engage von Daniel Seex/FES Vienna

25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges gibt es zwei wirtschaftliche Integrationsprojekte in Europa: die EU und die Eurasische Wirtschaftsunion (EWU), bestehend aus Russland, Kasachstan, Belarus, Armenien und Kirgistan. Diese Länder kooperieren eng mit Russland, handeln aber auch zunehmend mit der EU und würden von einer engeren Anbindung profitieren. Länder, die keiner der beiden Unionen angehören, müssen sich entscheiden: Entweder sie treten der EWU bei oder sie schließen ein Freihandelsabkommen mit der EU ab – beides zusammen ist bisher nicht möglich. Dass das viele Staaten vor eine Zerreißprobe stellt, zeigte sich ganz deutlich im Fall der Ukraine. Gleichzeitig ist der Konflikt in der Ukraine das größte Hindernis für die Kooperation der Unionen. Die EU weigert sich, die EWU als legitimen Partner anzuerkennen, bis Russland seinen Verpflichtungen des Minsk-II-Abkommens nachkommt. Dagegen wünscht sich Putin schon jetzt eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit .

Über die Potentiale eines verstärkten Dialogs zwischen EU und EWU diskutierten Vertreter_innen der EU und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) gemeinsam mit Osteuropa Expert_innen im Zuge der Veranstaltung des FES-Europabüros „The EU and the Eurasian Economic Union - Chances and Challenges for more Cooperation”, die am 23. April 2018 in Brüssel stattfand.

Skepsis seitens der EU

Die EU steht der Kooperation mit der EWU sehr skeptisch gegenüber. Laut Tomas Kuchtik von der Generaldirektion Handel der EU-Kommission führt man bereits Gespräche mit Armenien, Belarus und Kirgistan - weniger jedoch mit Russland. Erstens bestünden Sanktionen gegen Russland, die die Kooperation erst nach dem Ende der Ukraine-Krise möglich machen. Zweitens werde die EWU von Russland dominiert. Daher ziehe es die EU vor, zunächst bilaterale Kontakte mit den anderen Mitgliedsländern der EWU aufzubauen. Drittens habe Russland bereits gegen Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen und sei daher als Kooperationspartner nicht zuverlässig. Viertens habe die EU-Kommission schlicht kein Mandat, um mit der EWU-Kommission zu verhandeln.

Alexandra Dienes vom FES Regionalbüro Wien für Zusammenarbeit und Frieden in Europa setzt sich dagegen für die Kooperation ein. In ihrem von der FES veröffentlichten Artikel „Engage! Why the European Union Should Talk with the Eurasian Economic Union” (2017) erläutert sie die Gründe für einen verstärkten Dialog. Dieser habe das Potential, Wohlstand in der gemeinsamen Nachbarschaft zu steigern und diene gleichzeitig als Vehikel dafür, den politischen Konflikt zwischen der EU und Russland zu entschärfen. Zudem fördere er die Vernetzung in der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) und ebne den Weg für eine euro-atlantische und eurasische Sicherheitsgemeinschaft und Freihandelszone, wie sie in der Erklärung von Astana 2010 entworfen wurde. Davon profitiere ganz Europa.

Dienes betonte, dass die EU-Sanktionen gegen Russland begrenzt sind und nicht die gesamte russische Wirtschaft betreffen. Außerdem sei es die Aufgabe der EU als Vorbild, die noch schwache supranationale Struktur der EWU zu stärken. Seit der Gründung der EU Kommission liege das Mandat der Generaldirektor Handel darin, Handelsabkommen auszuarbeiten und zu verhandeln. Diese Kompetenz wurde von den EU-Mitgliedstaaten auf die supranationale Ebene übertragen und sollte nun nicht unnötig politisiert werden.

Kooperation statt Krise

Stattdessen empfiehlt Dienes eine Annäherung in drei Schritten:

  • Kurzfristig: Einleitung eines informellen Dialoges mit der EWU sowie Verlagerung der technischen Kontakte der Kommission auf eine höhere Entscheidungsebene. Themen könnten etwa Standardisierungs- und Zollprozeduren sein. Die Lösung der politischen Konflikte (Minsk II) ist parallel zu gestalten.
  • Mittelfristig: Anpassung der technischen Standards und Zollprozeduren sowie der Abbau von Handelshemmnissen, etwa durch die gegenseitige Anerkennung von Exportzertifikaten.
  • Langfristig: Aufbau einer Freihandelszone zwischen EU und EWU, die auch die Nachbarstaaten miteinschließt.

Wirtschaftliche Macht ist sowohl zwischen den beiden Unionen, als auch innerhalb ihrer Mitglieder und Nachbarstaaten sehr ungleich verteilt. Daher werden auch nicht alle Akteur_innen gleich stark profitieren. Auch die bilateralen Bestrebungen von einzelnen Staaten erschweren das Vorgehen. Trotzdem: die EU hat jetzt die Möglichkeit, sich für Multilateralismus einzusetzen, den Konflikt mit Russland und die Ukraine-Krise zu entschärfen und als Handelspartnerin für Osteuropa die erste Wahl zu bleiben. Putin hat die Hand bereits ausgestreckt. Das Timing ist perfekt.

Ansprechpartner in der Stiftung

Marco Schwarz

Alexandra Dienes

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