Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Unser zweiter FEShistory-Beitrag widmet sich der besonderen Rolle von Bibliotheksgut bei der Aufklärung von NS-Verbrechen und im dazugehörenden Wiedergutmachungsprozess.
In der Provenienzforschung werden die Herkunft und die Besitzverhältnisse von Kulturgütern ermittelt. In Bibliotheken stehen dabei – wie sollte es anders sein – Bücher im Vordergrund. Viele Bücher in Bibliotheken, auch in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, werden antiquarisch eingekauft oder durch Bücherspenden in die Bestände übernommen. Diese Bücher enthalten oft Besitzvermerke in Form von beispielsweise Stempeln, Exlibris oder Wappen.
Von Washington bis Schwabing
Die letzten 20 bis 25 Jahre haben die Provenienzforschung vor allem in Bezug auf NS-Raubgut bekannt gemacht. Die Washingtoner Prinzipienvon 1998 und die Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung von 1999 verpflichten Einrichtungen dazu, ihre Sammlungen auf NS-Raubgut zu überprüfen und für identifiziertes NS-Raubgut eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden. Nach dem „Schwabinger Kunstfund“ von 2012 und der dazugehörigen besucherstarken Gurlitt-Ausstellung ist Provenienzforschung immer wieder ein Thema von medialem Interesse. Die Tatsache, dass Kunstwerken deutlich größere Aufmerksamkeit zukommt als Alltagsgegenständen, wie beispielsweise Büchern, liegt vor allem an ihrer Einzigartigkeit. Diese Einzigartigkeit macht ihren Wert aus: es gibt sie (in den meisten Fällen) nur ein einziges Mal in dieser bestimmten Form. Bücher dagegen sind in hundert-, tausend- oder sogar millionenfacher Auflage erschienen – sofern es sich nicht um Inkunabeln handelt.
Trotz des geringeren materiellen Werts haben als NS-Raubgut identifizierte Alltagsgegenstände einen, vor allem für die Opfer und deren Erben, hohen emotionalen Wert. Es muss ein gesellschaftliches Bewusstsein für jeden Bereich der Provenienzforschung – ob Museum, Galerie oder Bibliothek –entstehen, damit auch in Zukunft NS-Raubgut als solches erkannt werden kann und nicht in Vergessenheit gerät.
Bibliotheken und Bücher im Fokus der (NS-)Provenienzforschung
Im Vergleich zu zu überprüfenden Kunstwerken in Museen ist die Menge der zu überprüfenden Bücher in Bibliotheken deutlich höher. Es ist eine zeitaufwendige und detailintensive Arbeit. Insbesondere in wissenschaftlichen und staatlichen Bibliotheken bietet sich die gezielte Suche nach NS-Raubgut an. Diese Bibliotheken wurden unter der NS-Diktatur teilweise in ihrer Erwerbungspolitik begünstigt und profitierten von den Enteignungen und Beschlagnahmungen bei nationalsozialistisch Verfolgten. Eine Provenienzrecherche lohnt sich jedoch nicht nur in den vom Nationalsozialismus begünstigten Bibliotheken, auch private und erst nach Ende des Kriegs gegründete Bibliotheken können im Nachhinein durch antiquarische Ankäufe und/oder Bücherspenden unerkannt in den Besitz von NS-Raubgut gekommen sein.
Oft können Herkunft und Umstände der Erwerbung einzelner Bücher nicht aufgeklärt werden. Insbesondere die schlechte Quellenlage für die Jahre der NS-Diktatur, bedingt durch mutwillige Zerstörung durch das NS-Regime oder wegen der durch Luftangriffe verlorengegangenen Dokumente, erschweren die Aufklärung von NS-Raubgut. Für eindeutig als NS-Raubgut identifizierte Bücher soll im Rahmen der Provenienzforschung eine Restitution stattfinden. „Restitution“ bedeutet übersetzt „Wiederherstellung“ oder „Rückgabe“. Die Washingtoner Konferenz fordert in ihrer Erklärung, dass „gerechte und faire Lösungen“ für die Opfer der Enteignungen gefunden werden. Demnach bedeutet die Restitution nicht zwingend die Rückgabe der betroffenen Kulturgegenstände. Es kann, sofern sich die beteiligten Parteien einig werden, auch in Form von beispielsweise finanzieller Entschädigung Wiedergutmachung geleistet werden.
Provenienzforschung in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
Bisher wurde die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung immer wieder zur Anlaufstelle für Restitutionen für als NS-Raubgut identifizierte Bücher aus Universitäts-, Stadt- und Staatsbibliotheken. Restituierte Bücher bekommen einen Einleger, welcher auf ihre Besitzverhältnisse und die Restitution hinweist.
2020 beginnt in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Unterstützung des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste ein Projekt im Bereich NS-Raubgut. Im Rahmen des Forschungsprojekts soll anhand einer systematischen Bestandsprüfung der ‚Gründungsbestand‘ auf seine Provenienzen untersucht werden. Dieser ‚Gründungsbestand‘ setzt sich aus Büchern zusammen, welche der Bibliothek zur Gründung 1969 vom SPD-Parteivorstand übergeben oder bis 1977 zur Bestandserweiterung eingekauft wurden.
Dass der ‚Gründungsbestand‘ im Fokus der Provenienzforschung steht, resultiert aus dem Verdacht, dass sich hier unerkanntes und nicht dokumentiertes NS-Raubgut befindet. Durch die Übernahme der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten SPD-Parteibibliothek und den antiquarischen Einkäufen bis 1977 kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich nationalsozialistisch verfolgungsbedingt entzogenes Raubgut auch seinen Weg in die Friedrich-Ebert-Stiftung gefunden hat. Ein Nebeneffekt der Bestandsüberprüfung ist die Aufklärung der Verluste der vor dem NS-Regime bestehenden SPD-Bibliothek. Die Recherche nach NS-Raubgut ermöglicht demzufolge eine Rekonstruktion der 1933 durch den Nationalsozialismus enteigneten SPD-Parteibibliothek. Ziel der Rekonstruktion ist es, das verloren gegangene und verschollene Bücher erkannt, dokumentiert und die Ergebnisse der Forschung zugänglich gemacht werden.
Gegen das Vergessen und für die Erinnerung
Die Perspektiven der Provenienzforschung werden sich zukünftig auf verschiedene Bereiche ausdehnen. So gibt es seit einigen Jahren neben NS-Raubgut-Forschung auch Projekte im Bereich der ehemaligen Kolonien und im Kontext der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik. An verschiedenen Universitäten werden zudem Module und Seminare und sogar ganze Studiengänge eingerichtet, um Studierende in der Provenienzforschung auszubilden.
Das begangene Unrecht – in Form von Enteignungen und Beschlagnahmungen durch den Nationalsozialismus – muss aufgeklärt werden. Diese Aufklärung spielt eine bedeutende Rolle in der deutschen Erinnerungskultur und Restitution nimmt hierbei eine wichtige Position im Wiedergutmachungsprozess ein.
Auf der Projektwebsite halten wir Sie über den Projektverlauf, -fortschritte oder auch besondere Fundstücke, die uns bei der Untersuchung des ‚Gründungsbestands‘ begegnen, auf dem Laufenden.
Hannah Schneider
30 Oral History Interviews mit Gewerkschaftsfunktionärinnen und ‑funktionären der mittleren Ebene sollen dazu beitragen, den gewerkschaftlichen…
#AdsD50-Blogbeitrag zum Tag der Bibliotheken über die Geschichte der Bibliothek der FES. Sowohl Archiv als auch Bibliothek stehen in direkter…
10. Dezember, 18 Uhr c.t. | Universität Bonn und im Livestream
Auftaktveranstaltung zum 100-jährigen Jubiläum der FES | Donnerstag, 21. November 2024, 17.30 bis 19.45 Uhr | Friedrich-Ebert-Stiftung, Godesberger…
Lesung und Gespräch mit Gün Tank über weibliche Arbeitsmigration |
09.10.2024 | 18.00–19:30 Uhr | Berlin