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"Und erbitten wir einen ersten Bericht bis zum Ende des Jahres" : Die Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft beim Aufbau der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung" / von Rüdiger Zimmermann. Das gedruckte Gedächtnis der Arbeiterbewegung : Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. Electronic ed.: Bonn : FES Library, 1999.
Förderpolitische Ausgangslage Spezialbibliothek überregionaler Bedeutung Neue Wege Verfilmung historisch wertvoller Zeitungsbestände Die Einarbeitung der Periodikabestände in die Zeitschriftendatenbank Die Bibliothek des Deutschen Gewerkschaftsbundes Erschließung von Spezialbeständen - monographische Gewerkschaftsliteratur Virtuelle Fachbibliothek Sozialwissenschaften
Er habe sich oft gefragt - pflegte Professor Günter Gattermann in seinen Vorlesungen an der Universität Düsseldorf und dem Bibliothekarlehrinstitut Köln rhetorisch geschickt vorzutragen - wer das deutsche Bibliothekswesen eigentlich steuere. Ein Steuermann für dieses locker verkoppelte Gebilde unter staatlicher, halbstaatlicher und privater Trägerschaft sei ja nur schwer auszumachen. "Der Staat" - so Günter Gattermann weiter - könne es wohl nicht sein, da dieser im deutschen Bibliothekswesen nicht mit einer Zunge spreche. Ganz im Gegenteil: Die Interessen der staatlichen Träger - nämlich Kommunen, Länder, Bund, Landkreise und Landschaftsverbände - seien alles andere als einheitlich. Im Normalfall widersprächen sich sogar die Interessen der unterschiedlichen Gebietskörperschaften. Nach langen Überlegungen sei er zur Erkenntnis gekommen - so spannte Gattermann seine Zuhörer weiter auf die Folter -, dass der Motor des deutschen Bibliothekswesens die Deutsche Forschungsgemeinschaft sei. Genauer gesagt: deren Bibliotheksreferat mit seinen unterschiedlichen Gremien. Der ehemalige Leiter mehrerer bedeutender Bibliotheken ist sicherlich ein guter Zeuge. Saß er doch lange selbst im Herzen bibliothekarischer Entscheidungen.
In der Tat: Lange Jahre nach dem Krieg international als nicht besonders innovationsfreudig eingeschätzt, hat das deutsche Bibliothekswesen sich seit dem Ende der sechziger Jahre einen geachteten Platz erkämpft. Alle entscheidenden Innovationen wurden entweder von der Deutschen Forschungsgemeinschaft angestoßen oder mindestens von ihr mutig mitgetragen.
Natürlich: Auch "Irrungen und Wirrungen" trugen das Bibliotheksreferat und der dazugehörige Bibliotheksausschuss mit. Aber letztlich haben die bibliothekarischen Selbstverwaltungsorgane der deutschen Wissenschaft bemerkenswerte Impulse gegeben und Innovationen mit auf den Weg gebracht. Vielleicht ist es gerade die Stärke der Deutschen Forschungsgemeinschaft, keine beamtenähnlichen Dauerlösungen zu finanzieren, sondern durch gezielte zusätzliche Spitzenförderungen Gutes "zum Besseren" zu wenden.
An dieser Stelle soll keine Leistungsbilanz der bibliothekarischen Arbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft gezogen werden. In der Fachliteratur finden sich genug lobende Worte. An dieser Stelle kann und soll nur auf die außerordentlich positive Wirkung der Unterstützung der DFG für die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung eingegangen werden. Die Fördermaßnahmen der DFG haben nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Integration einer lokal operierenden Spezialbibliothek in das nationale und internationale Bibliothekswesen voranzutreiben. Neben den innovativen Fördergeldern aus dem IuD-Programm der ersten sozialliberalen Bundesregierung hat die Unterstützung der DFG dazu beigetragen, dass die Bibliothek eine angemessene personelle Ausstattung erhielt, ohne die sie ihre überregionalen Projekte nicht hätte erfüllen können.
Mit der Gründung der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 1969 wurde im westlichen Teil Deutschlands damit begonnen, eine "Marktlücke" zu schließen. Während in der DDR die Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung mit großem Nachdruck als Staatsforschung betrieben wurde, blieb dieser Teil der Historiographie im Zeichen des Ost-West-Konflikts in der Bundesrepublik lange Zeit unbeachtet. Die Gründe, die zu einem explosionsartigen Wachstum des Forschungsinteresses an der Geschichte sozialer Bewegungen Ende der sechziger Jahre im Westen Deutschlands geführt haben, sollen an dieser Stelle nicht untersucht werden. Nimmt man den "Ausstoß" entsprechender Dissertationen als Maßstab, so lässt sich mit Händen greifen, wie sich das forschungspolitische Klima seit den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik verändert hatte. Junge Examenskandidaten, Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler beklagten indes durchgängig die schlechte Ausstattung an Sekundär- und Primärquellen in den einschlägigen Bibliotheken.
Während in der DDR die Erschließungsmaßnahmen von Quellen auf bibliothekarischem Gebiet großzügig gefördert wurden, [ In diesem Zusammenhang muss der Zentralkatalog der Literatur zur Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung genannt werden, der die bis 1945 erschienene monographische Literatur aus Beständen von 15 wissenschaftlichen Bibliotheken der DDR umfasste. Er wurde parallel an der Deut schen Bücherei in Leipzig und der Deutschen Staatsbibliothek in Ost-Berlin geführt. S. Horst Gebauer: Über die Arbeit am Zentralkatalog der Literatur zur Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewe gung. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, H. 4 (1962), S. 977-982.] sah es mit entsprechenden Fördermaßnahmen "im Westen" eher bescheiden aus. Unterstützende Maßnahmen durch die DFG sollten diese Defizite ausgleichen.
Im Spätsommer 1975 hatte Jochen Briegleb vom Bibliotheksreferat der DFG Kontakt zur Leitung des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgenommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hatte 1974 der Stadtbibliothek Mönchengladbach eine größere Fördersumme zur Verfügung gestellt, um die Bestände der ehemaligen Bibliothek des Volksvereins für das katholische Deutschland zu erschließen. [ Die Förderaktivitäten schlugen sich in dem Bestandsverzeichnis Zeitschriften-Verzeichnis der Bib liothek des ehemaligen Volksvereins für das katholische Deutschland 1890-1933. Hrsg.: Stadtbibliothek Mönchengladbach, Mönchengladbach, 1985, nieder.] Durch eine glückliche Fügung hatten die reichen Bestände der katholischen Bibliothek, die reiche
Materialien für die christliche Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung bargen, die nationalsozialistische Vernichtungspolitik überlebt. [ Zur Geschichte der Bibliothek s. Hans Joachim Kamphausen: Die ehemalige Volksvereins-Bibliothek in Mönchengladbach. Untersuchungen zu Geschichte und Bestand. Köln, 1979.] Die DFG wollte nun den Kreis geförderter Bibliotheken, die sich mit der Erschließung von Bibliotheksbeständen zur Geschichte der Arbeiterbewegung befassten, deutlich erweitern. Zu diesem Zweck plante das Bibliotheksreferat der DFG eine Konferenz interessierter Bibliotheken.
Gedacht war an die Historische Kommission zu Berlin, an die neu gegründete Spezialbibliothek zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung am Fachbereich Geschichte an der Universität Bochum, an die DGB-Bibliothek in Düsseldorf, die Bibliothek der IG Metall in Frankfurt am Main, die Bibliothek des Dortmunder Instituts für Zeitungsforschung und die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. [ Vermerk von Kurt Klotzbach an leitende Angestellte der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 2. September 1975. Alle bibliothekseigenen Unterlagen über die Frühphase der DFG-Kooperation befinden sich im Aktenbestand "Projekt 58100501", das vom Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) verwaltet wird.]
Die Koordinierungsgespräche des Bibliotheksreferats der Deutschen Forschungsgemeinschaft waren Ausfluss einer veränderten Konzeption für die Förderung von Spezialbibliotheken, die 1971 verabschiedet worden waren. [ Ebda.] Die DFG hatte bis dahin "liberal zugängliche Spezialbibliotheken" nur dann gefördert, wenn sie "anstelle von Sondersammelgebieten oder zentralen Fachbibliotheken die Hauptverantwortung für die überregionale Literaturversorgung auf ihrem Sektor" tragen oder mit bestimmten Sammelsegmenten das System der Sondersammelgebiete wirksam ergänzen konnten. Das Anfang der siebziger Jahre verabschiedete Konzept sollte nun auch ausgewählten Spezialbibliotheken - hier war zunächst an geistes- und sozialwissenschaftliche Bibliotheken gedacht , die als "leistungsfähig" galten -, in das Gesamtsystem der überregionalen Literaturversorgung integrieren.
In einem umfangreichen Pflichtenheft wurden Mindestanforderungen bei der formalen und sachlichen Erschließung der Bestände, ihrer Zugänglichkeit und ihrer Benutzung definiert. Die zentralen Überlegungen des Bibliotheksreferates mündeten 1975 in einer gewichtigen Denkschrift [ Überregionale Literaturversorgung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik Deutsch land. Boppard, 1975.] , die im deutschen Bibliothekswesen breit diskutiert wurde und ungeteilte Zustimmung erhielt. [ Paul Kaegbein: Literaturerschließung und Informationsmaterialien in Zentralen Fachbibliotheken und Sondersammelgebietsbibliotheken. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 23 (1976), S. 383-396.] In einem Vortrag, gehalten in der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulbibliotheken, hatte Horst Braun, der spätere Leiter des Bibliotheksreferats der DFG und stille Förderer der Spezialbibliotheken, erstmals offensiv die künftige Rolle der geisteswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Spezialbibliotheken bei der Erwerbung und Bereitstellung nichtkonventioneller Literatur be-tont. [ Horst Braun: Die Denkschrift der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur überregionalen Literatur versorgung. Möglichkeiten der Realisierung. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 23 (1976), S. 71-77.] Diese neuen forschungspolitischen Akzente der DFG waren in der Spitze des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung bekannt.
Im Februar 1976 stellte die Leitung des Instituts bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen Antrag auf finanzielle Unterstützung für die "Beschaffungskosten ausländischer, insbesondere grauer Literatur" sowie finanzielle Unterstützung bei der "Aufarbei-tung unerschlossenen Bibliotheksgutes". Die Bitte um Fördermittel ging Hand in Hand mit einer umfangreichen Selbstdarstellung über Ziele und Funktion der Bibliothek und war eine der ersten schriftlich fixierten großen "Visionen" der Bibliothek über die kom-menden Aufgaben und Ziele. Die Bitten an die DFG waren nicht bescheiden dimensio-niert: Zwei wissenschaftliche Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen, eine Diplomkraft und eine Sekretärin sollten mit Hilfe der DFG zeitlich finanziert werden. Der Antrag wurde nicht ohne Grund rasch eingereicht. Die Spitze des Forschungsinstituts wollte rechtzeitig "den Hut in den Ring werfen", da auch andere öffentlich finanzierte Bibliotheken Ansprüche geltend machten. [ Die Darstellung folgt den Unterlagen in der entsprechenden Projektakte.]
In einer ersten Stellungnahme von Horst Braun machte die DFG Anfang März 1976 deutlich, dass bei "dem für dieses Förderprogramm der Forschungsgemeinschaft zur Verfügung stehenden Finanzvolumen der Antrag vollständig bewilligt werden kann". Horst Braun regte weitsichtig an, "Prioritäten für eine eventuelle Förderung der Bibliothek der Stiftung zu setzen". Am 19. März 1976 kam es in den Räumen der DFG zu einem hochkarätigen Treffen, auf dem sich vor allem die von der DFG beauftragten Gutachter ein Bild über die entsprechenden Bibliotheken machen sollten. Professor Hans Mommsen und Professor Otto Büsch vertraten die Ruhr-Universität und die Historische Kommission zu Berlin. Der stellvertretende Leiter des Forschungsinstituts, Gerhard Stümpfig, vertrat die Friedrich-Ebert-Stiftung. Auf dieser Konferenz wurden die zentralen Weichen gestellt, die für die langfristige Förderung der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung von zentraler Bedeutung waren. Die ungesicherte personelle und sachliche Ausstattung der Bibliotheken in Bochum und Berlin gab letztlich den Ausschlag zu Gunsten der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. Auf Grund des Prinzips, dass die DFG keine Doppelförderung im gleichen Fachgebiet akzeptieren kann, waren die intensiven Anstrengungen des Bochumer Professors Hans Mommsen, eine Teilung des Sammelauftrages herbeizuführen, ohne Chancen auf Realisierung.
In gezielter Übereinstimmung mit der Sammelphilosophie des Bibliotheksreferats der DFG stellte im Juli 1976 die Leitung des Forschungsinstituts der Stiftung einen "Antrag auf finanzielle Förderung der Beschaffung 'grauer' Parteien- und Gewerkschaftsliteratur" mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Im Antrag wurden die Bezahlung einer wissenschaftlichen Bibliotheksstelle, "sachliche Beschaffungskosten" und Kosten für Beschaffungsreisen erbeten. Als eine Art Leistungskontrolle wurden regelmäßige Zugangslisten in Aussicht gestellt.
Nach dem vorgeschriebenen Begutachtungsverfahren und der Bewilligung im Dezember 1976 wurden Strukturen geschaffen, wie sie heute noch existieren. Über die Beschaffung der Grauen Literatur hinaus hatten die DFG-Gutachter visionär der Bibliothek die Rolle einer zentralen Forschungsbibliothek zugedacht. Im Bewilligungsschreiben wurde dieser Punkt besonders herausgestrichen: "Von fachlicher Seite wurde der Vorschlag gemacht, andere historische, Graue Literatur (etwa ab 1850) aus dem genannten Bereich einzubeziehen und über die Neuerscheinungen hinaus eine Bibliothek aufzubauen, die für die
historische Forschung von Interesse ist." Der Bibliothek wurde gleichzeitig signalisiert, dass sie mit finanziellen Zuschüssen bei geschlossenen antiquarischen Erwerbungen rechnen könne.
Bereits im ersten Bericht nach Anlaufen des Projektes machte die Leitung des Forschungsinstituts deutlich, welch einzigartigen Bestand die Bibliothek innerhalb eines Jah-res zusammengetragen hatte. Gleichzeitig gab sie eine "Selbstverpflichtung" ab, "dass im Bereich Inland die Bibliothek [...] selbstverständlich bemüht ist, neben den Veröffentlichungen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die der Kategorie Grauer Literatur zuzurechnenden Publikationen der Einzelgewerkschaften und des DGB so vollständig wie möglich zu sammeln, so dass sich hier Inlands- und Auslandsaktivitäten in sinnvoller Weise zusammenfügen".
1980 machte die DFG darauf aufmerksam, dass die personelle Förderung der wissenschaftlichen Bibliotheksstelle 1982 aus eigenen Mitteln zu erfolgen habe, "da das Projekt seinen Nutzen bis dahin wohl zweifelsfrei erwiesen haben dürfte und von einer Start-finanzierung im eigentlichen Sinne nicht mehr die Rede sein könne". Dies war eine Auf-forderung, der die Leitung des Forschungsinstituts entsprach. Damit war das Projekt in ein Fahrwasser geraten, das der Normalfinanzierung der Bibliotheken mit überregionaler Bedeutung entsprach. Finanziert wurden künftig ausschließlich sachliche Ausgaben, wobei die Besonderheit der Bonner Bibliothek - im Gegensatz zu den meisten anderen geförderten Bibliotheken - bei den Beschaffungsreisen lag. Die Akzeptanz der Bibliothek als Sammeleinrichtung von "überregionaler Bedeutung" hat der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung viele Tore geöffnet. Alle anderen Unterstützungsprojekte durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft basierten auf der "Anerkennung" aus dem Jahre 1976.
Von daher kann die Weichenstellung Mitte der siebziger Jahre gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Projekt selbst verlief im Kernbereich - Beschaffung nichtkonventioneller Literatur Westeuropas - über viele Jahre stabil. Es durchlief indes verschiedene Modifikationen, die nicht nur durch finanzielle Rahmenplanung der Stiftung verursacht wurden, wobei Phasen der "Projektausdehnung" und Phasen der "Projekteinengung" zu verzeichnen waren.
Die Demokratisierung in den Staaten des Warschauer Paktes im Gefolge der sowjetischen Reformpolitik schienen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung erneut die Chance zu bieten, ihr Sammelprofil an Primärquellen zu erweitern. Wissenschaftliche Sekundärliteratur aus dem "Ostblock" - soweit sie das Hauptsammelgebiet betraf - wurde seit Jahren in der Bibliothek intensiv erworben, zum Sammelrepertoire zählten ebenso die Zentralorgane der Kommunistischen Parteien und der Gewerkschaftsdachverbände. Die Kontakte zu Institutionen und Persönlichkeiten inner- und außerhalb der Machteliten waren eng. Namentlich zu Polen bestanden enge Verbindungen. Vor allem war innerhalb der Bibliothek die Sprachkompetenz vorhanden, Materialien aus den ehemaligen staatssozialistischen Ländern inhaltlich kompetent zu erschließen.
Die Bibliotheksleitung stellte 1990 den Antrag, die in Westeuropa so erfolgreichen Erwerbungsreisen auf osteuropäische Länder auszudehnen. Die ersten Reisen, die Bibliotheksmitarbeiter unternahmen, waren erfolgversprechend.
Die Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen der Stiftungsarbeit ließ dieses ehrgeizige Ziel in immer weitere Ferne rücken. 1989/90 - kurz nach der Wende - hatten die politischen Stiftungen umfangreiche Sondermittel für infrastrukturelle Aufbauarbeiten in der ehemaligen DDR erhalten. Diese Mittel wurden Anfang der neunziger Jahre beträchtlich gekürzt. Alle Abteilungen in der Friedrich-Ebert-Stiftung mussten ihre Kern-aufgaben neu definieren. Die Bibliothek wurde mit ihrem Aufgaben- und Leistungsspektrum mehrfach evaluiert. Die Verknappung ökonomischer Mittel ging Hand in Hand mit dem Verlust von Stellen. In den Jahren 1993/94 wurde offensichtlich, dass das Erwerbungsprofil gestrafft werden musste. Eine solche Straffung wurde von der Stiftungsleitung unmissverständlich verlangt.
Vor allem bei internen Überprüfungen wurde mehrfach die Frage gestellt, warum die Bibliothek Materialien von "bürgerlichen Parteien" aus dem westlichen Ausland sammele. Diese Literaturgattung - so die Kritiker - seien ein Fremdkörper im Sammelgefüge. Gleichzeitig wurde bei der großen Vielfalt der Osteuropainstitute in Deutschland um Antworten gebeten, warum die Stiftung mit ihrer Bibliothek ein so großes Osteuropaangebot fahre. Ähnliche Diskussionen wurden über den Sammelschwerpunkt 3. Welt geführt. Auf die komplizierten Diskussionen innerhalb des Hauses über die künftige Struktur und Funktion der Bibliothek soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
Ausfluss der Diskussion war jedoch ein Schreiben an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das um Verständnis warb, im Sammelprofil nichtkonventioneller Literatur gewisse Einschränkungen vorzunehmen. Vor allem bat die Bibliotheksleitung darum, vom Sammelauftrag für die bürgerlichen Parteien entbunden zu werden. Die Sammelaktivitäten aus den osteuropäischen und nordeuropäischen Ländern sollten ganz eingestellt werden, da in der Zwischenzeit die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung mit der Bibliothek der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv eine Vereinbarung getroffen hatte, dass diese bedeutende und große Bibliothek mit ihren Kontakten zu osteuropäischen Einrichtungen und ihrem sprachlichen Know-how überregionale Funktionen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung übernehmen sollte.
Die Leitung des Bibliotheksreferats der Deutschen Forschungsgemeinschaft akzeptierte diesen Vorschlag nicht in dieser Form. In einem intensiven Fachgespräch zwischen dem Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung und der DFG wurden neue Vereinbarungen getroffen, die einerseits der Bibliothek in ihrer schwierigen Situation helfen sollten, andererseits das kontinuierlich Erreichte nicht in Frage stellen sollte. Die Resultate des Gespräches können als beispielhaft für die Fähigkeit der DFG angesehen werden, in "unverschuldete" Schwierigkeiten geratenen Bibliotheken kompetent und unbürokratisch zu helfen.
Es wurde seitens der DFG signalisiert, einen Antrag wohlwollend zu unterstützen, die Bibliothek der Stiftung Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) in das Förderprogramm für Spezialbibliotheken für die Regionen Nord- und Osteuropa aufzunehmen. Der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde die Zusage gemacht, wohlwollend eine Förderung bei ihren Erwerbungen im Inlandsbereich zu unterstützen .Im Gegenzug verpflichtete sich die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Sammeltätigkeit bei den bürgerlichen Parteien Westeuropas wieder aufzunehmen. Alle entsprechenden Anträge der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung und der SAPMO wurden durch die Gutachter bewilligt. Die Kooperation zwischen der Berliner
und Bonner Bibliothek hat sich in der Zwischenzeit gut eingespielt. Gemeinsame Projekte im Editions- und Dokumentationsbereich, der Quellensicherung und im EDV-Bereich sprechen eine deutliche Sprache und zeigen, dass im "digitalen Zeitalter" eine Zusammenarbeit auch auf große Entfernungen möglich ist.
Ein neues Kapitel der Förderung im Rahmen des Projektes Spezialbibliotheken von überregionaler Bedeutung wurde 1999 aufgeschlagen. Für die Jahre 1999 und 2000 hatte die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung den Antrag gestellt, für den Erwerb von Parteien- und Gewerkschaftsmaterialien aus der 3. Welt gefördert zu werden. Diese Bitte an die DFG ging Hand in Hand mit einer neu formulierten Erwerbungspolitik, die Sammlung von Primärveröffentlichungen aus der 3. Welt wiederum stärker zu berücksichtigen. Die neu gesetzten Akzente waren maßgeblich durch die Tatsache beeinflusst worden, dass Bonn sich zu einem angesehenen Nord-Süd-Zentrum entwickeln soll. Die Erwerbung von Gewerkschaftsmaterialien aus der 3. Welt soll schwerpunktmäßig über die Zentren der Internationalen Berufssekretariate und über die internationalen Gewerkschaftsberater im eigenen Hause gesteuert werden. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeforderten Absprachen mit dem Südostasieninstitut der Universität Heidelberg und den Hamburger Regionalinstituten sind in der Zwischenzeit zu einem positiven Ergebnis gekommen, so dass nach langen Jahren der Konsolidierung erstmals eine Erweiterung des Sammelspektrums mit Unterstützung der DFG erfolgen wird.
Die Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft beim Sammeln nichtkonventioneller Literatur war die erste große Födermaßnahme des Selbstverwaltungsorgans der deutschen Wissenschaft für die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie hat der Bibliothek entscheidende Impulse verliehen und erheblich zur Professionalisierung der bibliothekarischen Arbeitsabläufe beigetragen.
Mitte der achtziger Jahre startete die Bibliothek zwei neue Projektreihen gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft: die Verfilmung historisch wertvoller Zeitungsbestände und die Einarbeitung der Periodikabestände in die Zeitschriftendatenbank (ZDB). Während das erste Projekt sich in "konventionellen Bahnen" bewegte, betrat die Bibliothek mit der Integration ihrer Bestände in die zentrale nationale Datenbank Neuland.
Die Idee des "Verfilmungsprogramms" stammte aus den späten siebziger Jahren. Mit dem neuen Förderprogramm, das 1978 aufgelegt wurde, wollte die DFG "den Bibliotheken helfen, historisch wertvolle Zeitungsbestände durch Reparatur der Originale und/ oder durch Verfilmung zu erhalten". [ Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 25 (1978), S. 434.] Das Projekt durchlief mehrere Phasen. Kurzfristig eingestellt, wurde es im März 1985 neu aufgelegt, da weiterhin ein großer Bedarf bestand. [ Aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 32 (1985), S. 368.]
Das Projekt war eng verzahnt mit dem Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse in Dortmund und sollte vor allem der Verfilmung wissenschaftlich bedeutsamer Zeitungen dienen, deren Nutzungsbedingungen eingeschränkt waren. Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte den ersten Förderzyklus "verpasst", gleichwohl waren schon um-fassende Vorüberlegungen angestellt und erste Absprachen getroffen worden. Die Biblio-thek dachte nicht daran, eigene Bestände zu verfilmen, sondern dachte an eine Koope-ration mit Partnern, die wichtige Zeitungsquellen verwahrten, keine eigenen Anträge stellen oder den von der DFG eingeforderten Eigenanteil nicht erbringen konnten.
Die Bibliothek hatte seit Mitte der siebziger Jahre große Erfahrung mit kooperativen Verfilmungsprojekten mit Partnern gesammelt. So wurden in enger Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Breslau, der Woiwodschaftsbibliothek Stettin und der Polni-schen Akademie der Wissenschaften Zeitungen der deutschen Arbeiterbewegung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten verfilmt. Unterstützt wurde dieses "Projekt Beschaf-fung und Sicherung von Kulturgut aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten" durch Fördermittel der Daimler-Benz Aktiengesellschaft.
Erste Akzente im DFG-Verfilmungsprojekt setzte die Bibliothek im Inlandsbereich. Nach langen Verhandlungen erklärte sich im Frühjahr 1986 die Stadtbibliothek Nürnberg bereit, die historischen Bestände der "Fränkischen Tagespost" in das Projekt einzubringen. [ Zur Geschichte des Blattes s. Gert Rückel: Die Fränkische Tagespost. Geschichte einer Parteizeitung. Nürnberg, 1964.] Das bedeutendste bayerische SPD-Blatt war eine von drei sozialdemokratischen Zeitungen, die es als "farbloses Blatt" geschafft hatten, die Verbots- und Verfolgungsphase während des Sozialistengesetzes zu überstehen. Entsprechend hoch war ihr Quellenwert zu veranschlagen. Das Projekt wurde nachdrücklich durch Professor Hermann Weber gefördert, der Spezialgutachten zur Unterstützung des Stiftungsprojekts beisteuerte.
Ähnlich bedeutsam müssen die Verfilmungen der diversen Augsburger Arbeiterblätter eingeschätzt werden, die im September des gleichen Jahres als Anschlussprojekt auf den Weg gebracht wurden. Kooperationspartner war diesmal die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, die in liberaler Weise Hilfestellung leistete. [ Die Bedeutung der verfilmten Quelle wird gut illustriert durch die Arbeit von Ilse Fischer: Industriali sierung, sozialer Konflikt und politische Willensbildung in der Stadtgemeinde. Ein Beitrag zur Sozial geschichte Augsburgs 1840-1914. Augsburg, 1977.] Neben dem ab 1891 unter wechselnden Namen erscheinenden SPD-Blatt konnten auch sämtliche Vorläuferblätter von 1878 an verfilmt werden. Die Bedeutung dieses süddeutschen Projektes lag in einer wichtigen Erweiterung der Quellenbestände der frühen Arbeiterbewegung und in einer weiteren Ergänzung der bayerischen Bestände. Vor allem die Lücken bei den bayerischen sozialdemokratischen Quellen waren in der Vergangenheit von ausgewiesenen Spezialisten unter den Bibliotheksbenutzern beklagt worden.
Die beiden süddeutschen Projekte waren Routineprojekte. Hingegen waren die sich anschließenden Verfilmungsprojekte in Magdeburg und Breslau schwieriger und in vielfacher Hinsicht Ausdruck der sich abzeichnenden revolutionären Veränderungen in den Warschauer Pakt-Staaten. Verfilmungen mit DDR-Bibliotheken hatte es bereits vor 1978
gegeben. Die leitenden Bibliotheksmitarbeiter, die mit der Friedrich-Ebert-Stiftung kooperierten, handelten meist aus hohen bibliotheksethischen Motiven, um an die gewünschten westlichen Verlagsveröffentlichungen "heranzukommen". Die Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, die als "Zentrum zur Verfälschung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" galt, [ Manfred Teresiak: Anteil und Funktion der Friedrich-Ebert-Stiftung bei der Ausarbeitung und Durch setzung der bürgerlichen Integrationskonzeption zur Verfälschung der Geschichte der deutschen Arbei terbewegung, Diss. Berlin (DDR), 1972. ] barg für die ostdeutschen Kollegen manches Risiko, obgleich die Bibliotheksleitung der Stiftung vorsichtig agierte. Ein bedeutendes Projekt mit der Landesbibliothek Dresden musste abgebrochen werden, weil der leitende Direktor massiven politischen Repressionen ausgesetzt war.
Die Agoniephase des DDR-Staates in den letzten Jahren seines Bestehens führte zu verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Annäherungen an die Bundesrepublik Deutschland und ihre Institutionen. Diese Annäherung war widersprüchlich, da sie mit einer verschärften Abgrenzungspolitik auf anderen politischen Feldern Hand in Hand ging.
Ein Besuch des stellvertretenden Ministers für Kultur der DDR, Dietmar Keller, in der Friedrich-Ebert-Stiftung im Frühjahr 1988 war mit einem kulturellen Kooperationsangebot an die Stiftung verbunden. Die Bibliothek unterbreitete ihrerseits den Vorschlag, die "Magdeburger Volksstimme" zu verfilmen.
Der Einfluss ehemaliger Angehöriger der Magdeburger Arbeiterbewegung in der bundesdeutschen Nachkriegssozialdemokratie war groß. Ihr bedeutendster Repräsentant war der Parteivorsitzende Erich Ollenhauer. In seinem Umfeld gab es viele Exponenten, denen an einer Sicherung der Quellen der Magdeburger Arbeiterbewegung gelegen war. Mehrfach hatte das ehemalige SPD-Vorstandsmitglied und Schatzmeister der Partei, Fritz Heine, eine Verfilmung dieser bedeutsamen Quelle angeregt. Unterstützt wurde er bei seinen Bemühungen vom ehemaligen Magdeburger Buchhändler und späteren hannoveranischen Verleger Gustav Schmidt-Küster, der nach dem Krieg den Verlag J.H.W. Dietz Nachf. neu begründet hatte. Schmidt-Küster hatte mit eigenen Mitteln finanziell Projekte unterstützt, die Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung in Magdeburg aufzuarbeiten. Alle gutgemeinten Anregungen waren schließlich daran gescheitert, dass die Quellenbasis für ein solches Projekt in der Bundesrepublik Deutschland zu schmal war.
Die zentrale Quelle lag in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle. Der entsprechende Verfilmungsantrag an die DFG wurde von Professor Peter Lösche vom Seminar für Politikwissenschaft der Georg-August-Universität in Göttingen unterstützt, dessen familiäre Wurzeln selbst in die Magdeburger Arbeiterbewegung hinein reichten. Im Gefolge des bewilligten Projektes erhielt erstmals eine bundesdeutsche Reprofirma die Erlaubnis, ihre Kameras in einer staatlichen Einrichtung aufzubauen. Ihre Aktivitäten wurden von den staatlichen Sicherheitsorganen ebenso genau verfolgt, wie die zweiwöchige Vorbereitungsarbeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Bibliothek in Halle.
Ein DFG-Nachfolgeprojekt sollte in der gleichen Bibliothek das hallesche SPD-Organ "Volksblatt" sichern. Das Projekt fiel zusammen mit der friedlichen Revolution in der
DDR. Ein Stück deutsch-deutscher Normalisierung, die Annäherung von Menschen und Institutionen begleitete die Verfilmung des "Volksblattes", das in der linksradikalen Region Halle-Merseburg politisch innerhalb des Spektrums der Sozialdemokratie "rechts" stand.
Zu einer Odyssee entwickelte sich die Verfilmung des Zentrumorgans "Schlesische Volkszeitung". Die Zeitung stand - wie das unterstützende Gutachten des Düsseldorfer Hochschullehrers Professor Christoph Weber bemerkte, "mit nur geringem Abstand zu den beiden Blättern "Germania" und "Kölnische Volkszeitung" auf der Ebene der regional führenden Zentrumsblätter, deren Aufteilung ungefähr der regional-föderalistischen Struktur dieser Partei entsprach". Scheinbar problemlos konnte mit der Verfilmung des Blattes an die erfolgreich realisierten Projekte in der Universitätsbibliothek Breslau angeknüpft werden. Die politischen Verwerfungen in Polen und die radikale Zirkulation der politischen Eliten im universitären Bereich machte dieses Projekt indes zum Alptraum. Viermal wechselte im Projektzeitraum die Bibliotheksleitung in Breslau. Verloren gegangene Sendungen, monatelanger Briefwechsel, staatsanwaltschaftliche Untersuchungen in der Universitätsbibliothek, Rückforderungen bereits erhaltener Mittel durch die DFG, Neuverfilmungen aus Stiftungsmitteln waren die "Stolpersteine", die dieses Projekt begleiteten. Zeitweise schien es, dass das gute Verhältnis zur DFG durch das Breslau-Projekt ernsthaft gefährdet wäre.
Erst im September 1993 konnte der Bibliotheksleiter Horst Ziska mit Übersendung des "Abnahmeprotokolls" des Mikrofilmarchivs der deutschsprachigen Presse der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein gutes Ende des Projektes signalisieren. Wie kein zweites Projekt machte diese "Chaosverfilmung" in Breslau allerdings auch deutlich, worin die Besonderheit der Zusammenarbeit mit der DFG bestand. Unbürokratische Streckung der Fördergelder, Orientierung am "Forschungsprodukt", Akzeptanz unvermuteter Hindernisse und Motivation bei scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten sind die Stichworte, die diese "besondere Beziehung" hinreichend beschreiben. Insgesamt waren die DFG-geförderten Verfilmungsprojekte für die Forschung ein großer Erfolg. Namentlich die Verfilmung der Magdeburger "Volksstimme" initiierte eine Reihe bedeutender Untersuchungen, wobei die Studien der ehemaligen Magdeburger Bürgerrechtlerin Ingrun Drechsler besonders hervorgehoben werden müssen. [ Ingrun Drechsler: Die rote Stadt im roten Land. Die Magdeburger Sozialdemokratie unter besonderer Berücksichtigung ihrer Gründungsphase und Entwicklung vor dem Ersten Weltkrieg, als sozialdemo kratische Hochburg im Spiegel ihrer Wahlergebnisse während der Weimarer Republik und ihrer erfolg reichen kommunalen Wohnungsbaupolitik. In: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 29, 1993, S 177-194. Ingrun Drechsler: Die Magdeburger Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg, Oschersleben, 1995.]
Als große Kraft bei der Integration der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in das nationale Gefüge, als Motor innerbetrieblicher Modernisierung und als Schrittmacher bei der Anwendung bibliothekarischer Normen erwies sich die Integration der Periodikabestände in die Zeitschriftendatenbank (ZDB), die mit Hilfe der DFG erfolgte und noch erfolgt.
Gegründet wurde die Bibliothek als typische Präsenzbibliothek. Jedoch wurden von den rigiden Ausleihbeschränkungen nach außen bald Ausnahmen gemacht, nachdem die ersten "roten Fernleihscheine" die Bibliothek erreichten. 1977 stellte die Bibliothek beim Zentralkatalog in Köln einen Antrag auf Integration der Bestände. Diesem Wunsch wurde 1979 stattgegeben. Damit war ein wichtiger Schritt aus der Isolierung heraus hin zu einer weltweit "offenen" Bibliothek erfolgt. Integrierte der Kölner Zettelkatalog anfänglich noch Katalogzettel von Zeitschriften, Zeitungen, Protokollen und Geschäftsberichten, so gab er diese Praxis bald auf, da diese Aufgabe von der Zeitschriftendatenbank in Berlin übernommen wurde. Primär blieb die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Fernleihbibliothek für Monographien. Hermann Rösch führte 1984 in seiner Assessorarbeit den empirischen Nachweis, welche bedeutenden überregionalen Periodikabestände die Bibliothek verwahrte und regte in seiner bibliothekarischen Abschlussarbeit an, die Bestände mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft in die Zeitschriftendatenbank zu integrieren. [ Hermann Rösch: Die Bibliotheken parteinaher Stiftungen. Am Beispiel der Bibliotheken der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung, Köln, Fachhochschule für Bibliotheks- und Doku mentationswesen, Hausarbeit, 1984.]
An dieser Stelle soll nicht die Geschichte der Zeitschriftendatenbank und auch nicht der Weg der "Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik" beschrieben werden. Karl Wilhelm Neubauer hat bereits sehr früh die überregionale Bedeutung dieser nationalen Datenbank skizziert und visionär ihre Zukunft für Wissenschaft, Forschung und das Bibliothekswesen beschrieben. [ Karl Wilhelm Neubauer: Entwicklung des GZS-Zeitschriftenkatalogisierungssystems bis zur "Zeit-schriftendatenbank". In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 25 (1978), S. 2-15.] Jahre später hat der Leiter der TIB Hannover nochmals die Rolle der wichtigsten Bibliotheksschöpfung der Nachkriegszeit skizziert und dabei auf die überragende Rolle der DFG beim Aufbau dieses einzigartigen Instrumentes hingewiesen: "Wegen der herausragenden überregionalen Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Beschleunigung des für die deutsche Wissenschaft und Forschung eminent wichtigen Leihverkehrs, hat die DFG die ZDB von Anfang an in ganz besonderem Maß finanziell und bibliothekspolitisch unterstützt, sei es durch die Bereitstellung von Personalmitteln für die Einarbeitung von Titeln und Beständen [...], sei es durch finanzielle Beteiligung bei der Beschaffung der Hard- und Software und für die Systementwicklung beim DBI." [ Gerhard Schlitt: Perspektiven der Zeitschriftendatenbank (ZDB) in Berlin. In: Zeitschrift für Biblio thekswesen und Bibliographie, 33 (1986), S. 71-90.] Vor allem strich Schlitt die Rolle des 1977 ins Leben gerufenen Steuerungsgremiums heraus, das in Absprache mit allen Beteiligten die Zusammenarbeit koordinierte.
Als Hermann Rösch im Oktober 1984 als wissenschaftlicher Referent in die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung eintrat, tat er viel dafür, die in seiner Assessorarbeit entwickelten Perspektiven einer Integration der Stiftungsbestände in die ZDB zu realisieren. Er führte Gespräche mit der DFG und warb im Hause für ein solches Konzept.
Nach Rücksprache mit dem Bibliotheksreferat der Deutschen Forschungsgemeinschaft richtete die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung im Juli 1985 eine "Anfrage" zur Vorlage auf der Sitzung des Steuerungsgremiums der Zeitschriftendatenbank. Hinter der Anfrage verbarg sich umfangreich empirisches Material, das die Bibliothek im ersten Halbjahr 1985 erhoben hatte und das die herausragende überregionale Bedeutung der
Periodikabestände der Bibliothek beleuchtete. Gezählt wurden über 10.000 Periodikatitel, die nahezu gleich auf in- und ausländische Titel entfielen. 2.403 gezählte Titel galten als laufend.
Eine empirische Detailanalyse im Buchstabenabschnitt A ergab, dass 31,8 % der Titel in der ZDB überhaupt nicht nachgewiesen waren. Weitere 21,8 % waren in der Leihverkehrsregion nicht vorhanden. Angesichts des mittlerweile hohen Prozentsatzes der in die ZDB integrierten Daten dokumentierte diese Quote die Exklusivität des Bonner Periodikabestandes. Während des Sommers 1985 hatte sich die Leitung des Forschungsinstituts in Absprache mit der Geschäftsführung der Stiftung bereit erklärt, das Projekt parallel zur DFG-Förderung mit einer Bibliothekarsstelle zu unterstützen. Zwischenzeitlich hatte auch das Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen seine Bereitschaft signalisiert, über zugelieferte Datenblätter die Eingabe an die ZDB zu unterstützen. In Absprache mit der DFG wurde der Projektbeginn auf den 1. Oktober 1986 terminiert und entsprechend genehmigt.
Die Zuarbeit zur großen nationalen Datenbank war als reine Servicefunktion der Friedrich-Ebert-Stiftung konzipiert. Die erweiterten Dienstleistungen entsprachen dem bildungspolitischen Auftrag der Stiftung. Für den innerorganisatorischen Modernisierungsprozess schien die Zusammenarbeit aus der Sicht des Jahres 1986 nicht geeignet. Außer einem beträchtlichen "Zugewinn" von Fernleihbestellungen schien zunächst kein Gewinn für die Bibliothek herauszuspringen. In welchem Maße die Integration der Periodikabestände der Bibliothek in die Zeitschriftendatenbank zu einer stärkeren Benutzung führen sollte, ließ sich ohne Schwierigkeiten an der Fernleihstatistik ablesen. Von 1987 bis 1989 stieg die Zahl der erhaltenen Bestellungen bei inländischen Zeitschriften von 627 auf 1.516 und bei ausländischen Zeitschriften von 203 auf 1.282 pro Jahr an.
Unerwartete Hindernisse bei der DFG-gestützten Zuarbeit traten vor allem bei der Quantität der zu integrierenden Titel zu Tage. Die ursprüngliche Zahl der zu bearbeitenden Titel war mit 10.625 "gezählt" worden. Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte indes kaum Erfahrungen mit der nationalen "Erfassungsnorm" RAK-WB. Vor allem die Regel "Titeländerung gleich Neuaufnahme" (split entry) ließ die Zahl der zu bearbeitenden Titel in die Höhe schnellen. Dazu kamen beträchtliche Bestandszuwächse im Bearbeitungszeitraum, wie die Übernahme der Bibliothek des Internationalen Metallarbeiterbundes. Die DFG kam den Bitten um Projektverlängerungen in liberaler Weise nach. Insgesamt wurde das Basisprojekt von Oktober 1986 bis Ende März 1992 finanziell getragen.
Hinter der Zahl von 16.424 Bestandsmeldungen, 6.954 Titelstrukturierungen und 1.930 Körperschaftsstrukturierungen verbarg sich ein reicher Literaturschatz, der der nationalen und internationalen Forschung zugänglich gemacht wurde. Die nackten Zahlen sagen auch etwas über das Wachstum der Bibliothek aus. Dieser enorme Zuwachs an Beständen wurde in weniger als in einem Vierteljahrhundert "geschafft". Ähnliche Zuwachsraten wird man in vergleichbaren Bibliotheken in Deutschland vergeblich suchen.
Eine spezielle Schwierigkeit im Projektverlauf konnte 1988 überwunden werden, als das Hochschulbibliothekszentrum in Köln die Zusammenarbeit mit der ZDB als Vermittler nicht mehr übernehmen konnte und die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung sich mit Hilfe einer eigenen Datex-P-Leitung von Abhängigkeiten emanzipierte. Diese Form der
Emanzipation war nicht der einzige Zugewinn aus dem Projekt. Aus der Retrospektive sind die Pluspunkte leicht auszumachen: Erstmals fügte sich die Bibliothek mit allen Konsequenzen in das nationale Gefüge ein. Die Umwandlung einer lokal operierenden "beschränkten" Spezialbibliothek hin zu einer offenen Bibliothek mit modernen Arbeitsmitteln und modernen "Arbeitsordnungen" wurde durch die Zusammenarbeit mit der ZDB Realität. Ein Teil der Belegschaft gewann wichtige Erfahrungen im Online-Bereich. Von diesem Erfahrungsschatz profitierte die Bibliothek im hohen Maße als sie 1992/ 1993 daran ging, den gesamten Arbeitsablauf zu modernisieren.
Der größte Gewinn aus der ZDB-Zusammenarbeit wurde allerdings erst 1993 ausgeschüttet. Er war ungeplant und daher mehrfach wertvoll. Eine vom Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen programmierte Schnittstelle zwischen der ZDB-Datenstruktur und der eingesetzten Bibliothekssoftware Allegro ermöglichte es der Bibliothek, "auf einen Schlag" sämtliche Zeitschriftenbestände in das lokale System herunterzuladen. Dieser Informationszugewinn innerhalb kürzester Zeit verschaffte der Bibliothek innerhalb des eigenen Hauses ungeahnten Respekt.
Die ZDB-Zuarbeit hatte auch für die eigene Arbeitsorganisation beträchtliche Auswirkungen. Die Primärkatalogisierung der Zeitschriftenbestände wurde in die ZDB "ver-legt". Entsprechende Schulungen und arbeitsorganisatorische Umstrukturierung waren nötig, um 1994 dieses Ziel zu erreichen. Ursprünglich als Arbeitsstelle außerhalb des All-tagsbetriebes angesiedelt, rückte die ZDB-Arbeit in das Herz bibliothekarischen Arbei-tens. Die DFG-Förderung trug nicht wenig zu diesem guten Ergebnis bei.
Als im Jahr 1995 die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (parallel zur Archivübernahme) die vollständige Bibliothek des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Düsseldorf übernahm, wurden weitreichende Pläne realisiert, über die innerhalb der Stiftungsspitze in den sechziger Jahren lange nachgedacht worden war: In Deutschland ein großes und bedeutendes Dokumentationszentrum zur Geschichte der Arbeiterbewegung zu schaffen, welches Materialien der politischen Arbeiterbewegung und der Gewerkschaftsbewegung gleichermaßen einschloss.
Die Übernahme der DGB-Bibliothek brachte den reichsten Zugewinn, den die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer kurzen Bibliotheksgeschichte erfahren hatte. Neben dem zentralen Zugewinn an Quellen bedeutete die Übernahme der Bibliothek auch eine zusätzliche "Last", da die Stiftungsbibliothek wegen der angespannten Haushaltslage keine zusätzliche personelle Unterstützung erhielt.
Die DGB-Bibliothek umfasste 120.000 Bände, davon waren ca. 80.000 durch konventionelle Kataloge erschlossen. Der Rest war unverzeichnet. Die Zahl der Periodika (nach der deutschen Regelwerkzählung) belief sich auf über 13.000 Periodika, wobei über 40% der Titel in der Zeitschriftendatenbank nicht nachgewiesen waren. Detailanalysen machten vor allem deutlich, in welch geringem Maße die deutschsprachige Gewerkschaftsliteratur in die nationale und regionale Pflichtexemplarbibliothek Einzug gehalten hatte.
Nach den empirischen "Durchschnittsnormen" ergab sich für den Gewerkschaftsbestand eine Einarbeitungsphase von über 11 Jahren. In einem Antrag im März 1995 formulierte die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stifung ihre Bitte: Unter der Voraussetzung, dass die DFG die Finanzierung einer bibliothekarischen Fachkraft übernehme, werde die Friedrich-Ebert-Stiftung eine gleichwertige Personalstelle zur Verfügung stellen. Nach gutachterlicher Überprüfung wurde dem Antrag entsprochen und im Dezember 1995 mit der Einarbeitung begonnen. In der Zwischenzeit ist das Projekt letztmalig bis in das Jahr 2001 bewilligt worden. Die ZDB-Zuarbeitung hat im Laufe der Zeit viele gedruckte Spezialverzeichnisse gespeist, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund oder einer seiner Einzelgewerkschaften als Nachweis ihrer Bestände in der Zwischenzeit übergeben wurden.
Die Fortschritte, die mit Hilfe der DFG bei der Erschließung der Gewerkschaftsbestände erreicht wurden, trug die Bibliothek auf der jährlichen DGB-Beiratssitzung vor. Hier versammelte sich neben bedeutenden Wissenschaftlern aus deutschen Hochschulen der Geschäftsführende Bundesvorstand des DGB. Diese "Mischung" von Forschung, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen ist in Deutschland selten, um so höher ist diese Art der Verschränkung von "Arbeit und Wissenschaft" einzuschätzen.
Wie ist der Wert der Einarbeitung der DGB-Bestände einzuschätzen? Wo liegen die besonderen Akzente? Haben sich die investierten Forschungsgelder gelohnt? Der Wert der Einarbeitung liegt sicher in der Einmaligkeit der Quellen, die überregional verfügbar gemacht wurden. Die Zahl der Unikate und Leihverkehrsunikate kann deutlich aus der Zahl der neu strukturierten Körperschaftsansetzungen im Projektverlauf abgelesen werden. Regionale und lokale Veröffentlichungen von gewerkschaftlich organisierten Transportarbeitern, Bäckern, Hilfsarbeitern, Kupferschmieden, Buchbindern etc. kamen in einem Umfang ans "Tageslicht" wie es vorher nicht zu vermuten war. Die Hebung dieses Schatzes allein hat allen Aufwand gelohnt. Vielleicht werden künftige Bibliothekswissenschaftler die Rolle der Spezialbibliotheken darin sehen, eine große virtuelle Nationalbibliothek mit "verteilten Beständen" mit aufgebaut zu haben. Für eine solche virtuelle Nationalbibliothek war die DGB-Bibliothek ein zentraler Baustein.
Die Einarbeitung der Gewerkschaftsbestände ging allerdings nicht Hand in Hand mit einem explosionsartigen Wachstum der Fernleihbestellungen. Im Gegenteil: Die Integration konnte den Verlust bei auswärtigen Bestellungen nur ausgleichen; der Zugewinn an Bestellungen im statistischen Vergleich blieb gering. Die Gründe liegen auf der Hand. Das einzigartige Forschungsinteresse am Hauptsammelgebiet der Bibliothek hat etwas nachgelassen. Die Ursachen liegen darin, dass in der Zwischenzeit die vielen weißen Flecken im "Forschungsteppich" kleiner geworden sind. Viele Standardwerke zur Organisationsgeschichte und zur verbandsübergreifenden Strukturgeschichte sind geschrieben. Aus dem gleichen Grund wird das quantitativ hohe Niveau bei den Studien zur "demokratischen Heimatgeschichte" nicht mehr erreicht.
Darüber hinaus ist die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung nach der staatlichen Wiedervereinigung in eine Art Konkurrenz zu vielen mitteldeutschen Bibliotheken geraten. Die Integration von Arbeiterbewegungsbeständen in der Landesbibliothek Dresden, der Landes- und Universitätsbibliothek Halle oder der Staatsbibliothek in Berlin haben zu Mehrfachnachweisen in der Zeitschriftendatenbank geführt. Aus Sicht der Benutzer und aus konservatorischer Sicht kann dieser Zustand nur begrüßt werden. Das Leihverkehrsaufkommen geht in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich hin zu neueren Beständen. Man muss kein Prophet sein, um zu konstatieren, dass "jüngere" Unikate - aus DFG-Projekten beschafft und integriert - die Rolle der alten "Schätze" einnehmen werden.
Die Unterstützung bei der Einarbeitung der Periodika der DGB-Bibliothek stellte eine Säule bei der Erschließung der Literatur des "arbeitenden Menschen" dar. Unerschlossen hingegen blieb ein Gutteil des Monographienbestandes. Von den übernommenen Beständen waren ca. 70.000 Bände (Monographien und Periodika) in konventionellen Katalogen verzeichnet. Gut 50.000 Bände (durchgängig monographische Literatur) waren unbearbeitet, da die personelle Situation in der DGB-Bibliothek eine kontinuierlich bibliothekarische Erschließung unmöglich machte.
Der alte Monographienkatalog der DGB-Bibliothek wurde auf Kosten der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Hilfe einer holländischen Konversionsfirma maschinenlesbar gemacht und in das lokale Bibliotheksnetz eingespeist. Unerschlossen blieb somit nur noch der nicht katalogisierte Monographienbestand. Den mit weitem Abstand wertvollsten Anteil des Bestandes bildete die sogenannte Graue Literatur der Gewerkschaften. Es handelte sich um Literatur (datierend ab 1890), die außerhalb des Verlagsbuchhandels erschienen war oder in gewerkschaftlichen Eigenverlagen verlegt wurde. Dieses Schriftgut gelangte in der Regel nicht in die Universal- und Nationalbibliotheken. Im Rahmen des DFG-Förderprogramms zur Erschließung von Spezialbeständen stellte die Bibliothek im Februar 1996 einen Antrag auf Bewilligung einer Diplomkraft.
Entscheidendes Kriterium für die Voraussetzung einer Förderung - so die Deutsche Forschungsgemeinschaft in ihren schriftlich fixierten Förderrichtlinien - "ist ihre herausragende Bedeutung für die Forschung. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Geschlossenheit der Sammlung und ihre Seltenheit bzw. Singularität des Bestandes im
Ganzen oder einzelner Teile zu berücksichtigen sowie das aktuelle Interesse der Forschung an dem betreffenden Sachgebiet und die Intensität der bisherigen Benutzung des Bestandes".
Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung bündelte den Antrag auf Erschließung der DGB-Literatur gemeinsam mit einem Antrag auf formale und inhaltliche Erschließung der Grauen Literatur der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG). Anfang 1994 übergab der Bundesvorstand der DAG vertraglich seine Archivbestände dem Archiv der sozialen Demokratie in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Unberücksichtigt von diesem Vertrag blieb die Bibliothek der DAG, die weiterhin in Hamburg verblieb. Die Graue Literatur der DAG wurde jedoch in der Regel in den einzelnen Abteilungen bei den Organisationsakten verwahrt, so dass mit der Archivübernahme ein beachtlicher Zufluss von Bibliotheksgut in das Archiv kam und an die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung weitergeleitet wurde.
In ihrem Antrag "wagte" die Bibliothek eine organisationssoziologische Prognose: "Alle politischen Zeichen im gewerkschaftspolitischen Raum deuten darauf hin, dass die berufsständische Angestelltengewerkschaft [DAG] mittelfristig zur 'Mutterorganisation' [zum DGB] zurückkehrt, so dass die Sammlung Graue Literatur der DAG als besonderer geschlossener Bestand zur Soziologie und Sozialgeschichte der Angestelltenbewegung in einer befristeten Etappe der beruflichen Interessenvertretung angesehen werden kann." Der gewerkschaftliche Konzentrationsprozess ist in der Zwischenzeit weit über diese "Prognose" hinweg geschritten. Der Gebrauchswert der gedruckten DAG-Quellen wurde durch die jüngste Gewerkschaftsgeschichte zusätzlich erhöht.
In einer Projektvorphase erhob die Bibliothek wiederum umfangreiches empirisches Material, um den Förderrichtlinien gerecht zu werden. Das Gesamtergebnis einer Auszählung mit Erschließungszeitraum nach 1945 (auf der Basis einer Zufallsstichprobe) entsprach frappierend den Ergebnissen, die die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung für die periodischen Gewerkschaftsveröffentlichungen bereits an anderer Stelle nachgewiesen hatte: Das Schriftgut der Gewerkschaften fehlt im hohen Maße in deutschen Bibliotheken. Für insgesamt 20.000 einzuarbeitende monographische Titel grauer Gewerkschaftsliteratur beantragte die Bibliothek eine Diplomkraft für insgesamt 4 Jahre. Neben einer halben Personalstelle brachte die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung darüber hinaus weitere beträchtliche Eigenleistungen ein.
Erste Arbeitsergebnisse konnten in dem Bestandsverzeichnis "Angestelltengewerkschaf-ten in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. Graue Literatur aus dem Archiv der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft. Bearb. von Angela Rinschen und Katrin Stiller. Bonn, 1997 (Veröffentlichungen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung ; 2)" präsen-tiert werden. Der Druck des Bestandskataloges erzeugte vor allem innerhalb der Ange-stelltenorganisation ein positives Echo und erleichterte die Zusammenarbeit mit regio-nalen Untergliederungen der DAG beim Erwerb nichtkonventioneller Literatur beträcht-lich. Nach Abschluss des Projektes wird eine spezielle "Gewerkschafts-CD-ROM" und ein informatives Begleitheft über die Struktur der Bestände und ihren Nutzen für die Forschung informieren.
Über die Intentionen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dieses neue Projekt ins Leben zu rufen, hat Reinhard Rutz in der Fachliteratur ausführlich berichtet. [ Reinhard Rutz: SSG-Programm, Virtuelle Fachbibliotheken und das Förderkonzept der DFG. In: Bib-liothek, Forschung und Praxis, 22 (1998), S. 303-308.] Für die Sozialwissenschaften hat das Informationszentrum Sozialwissenschaften in Bonn gemeinsam mit dem Institut für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt die Federführung beim Aufbau einer Virtuellen Fachbibliothek Sozialwissenschaften übernommen. Kooperationspartner sind die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, das Zentrum für interdisziplinäre Technikforschung an der Technischen Universität Darmstadt, die Redaktion der "Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie" und die Redaktion der Zeitschrift "Soziologie".
Das gemeinsame Projekt "zielt auf die integrierte Bereitstellung sozialwissenschaftlicher Literaturinformationen aus verteilten, verschieden strukturierten und inhaltlich unterschiedlich erschlossenen Datenbeständen, die sich in miteinander nicht verbundenen, heterogenen Organisationsstrukturen und Zugänglichkeitskontexten befinden: Institutsbibliotheken, Sondersammelgebiete der Universitätsbibliotheken, wissenschaftliche Spezialbibliotheken, Referenzdatenbanken, digitale Volltexte". [ IZ-Telegramm. März 1999, o. Pag.]
Im Laufe des Projektes sollen in erster Linie Probleme des inhaltlichen Zugriffes auf verteilte Dokumentenbestände gelöst werden, deren Erschließungsintensität, Dichte und Tiefe deutlich voneinander abweichen.
Neben den Metadaten der eigenen konventionellen Bestände, dem erworbenen Know how bei direkter Internetbestellung wird die Bibliothek ihre "verwahrten" Volltexte zur Verfügung stellen. Das Projekt läuft ab dem 1. Mai 1999. Es bettet sich harmonisch in die übrigen Fördermaßnahmen der DFG ein. Gleichzeitig stellt es einen besonderen Vertrauensbeweis dar, dass die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung im Modernisierungsprozess, dem alle Bibliotheken unterworfen sind, eine besondere Rolle spielen kann.
Welches Resümee kann man nach einem knappen Vierteljahrhundert Zusammenarbeit von DFG und FES-Bibliothek ziehen? Eine Abschlussbilanz fällt leicht. Über fördernde Freunde kann man in der Regel nicht negativ berichten. Am stärksten ins Auge springen für den Beobachter aus der Binnenperspektive die Veränderungen, die diese Zusammenarbeit für den "eigenen Laden" gebracht haben: Innovation, Öffnung, Professionalisierung und Verantwortung sind die Vokabeln, mit denen die positiven Auswirkungen der Zusammenarbeit auf die Stiftungsbibliothek beschrieben werden können. Nur wer sich selbst weiter entwickelt kann auch anderen helfen. Von daher ist vielleicht die Hilfe zur Selbsthilfe von Seiten der DFG am höchsten zu bewerten. Eine Ende der engen Kooperation ist nicht abzusehen. Ein spannender Weg liegt noch vor uns.
"Vergessen wir [darüber] aber nicht die Erschließung der alten Bestände. Die Wissensgesellschaft muß ja über sich und ihre Geschichtlichkeit nachdenken. Und dies können nur die Bibliotheken ermöglichen. ...Die bibliothekarische Erschließung sowie die weitere Behandlung und Betreuung dieser Bestände durch die Bibliotheken ist nicht nur von bibliothekarischem Interesse. Sie sind auch nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern sie sind auch und vor allem von kulturpolitischem Belang."
"Vergessen wir [darüber] aber nicht die Erschließung der alten Bestände. Die Wissensgesellschaft muß ja über sich und ihre Geschichtlichkeit nachdenken. Und dies können nur die Bibliotheken ermöglichen. ...
Die bibliothekarische Erschließung sowie die weitere Behandlung und Betreuung dieser Bestände durch die Bibliotheken ist nicht nur von bibliothekarischem Interesse. Sie sind auch nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern sie sind auch und vor allem von kulturpolitischem Belang."
Festvortrag des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Johannes Rau (Tonband-abschrift). In: Hermann Havekost, Jürgen Hering und Eberhard Zwink (Hrsg.): Bibliotheken im Verbund, Arbeitsplätze und neue Techniken. 70. Deutscher Bibliothekartag in Wuppertal vom 27. bis 31. Mai 1980. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft 32, Frankfurt am Main, 1981, S. 21.