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Call for Papers für das Jahrbuch Historische Bildungsforschung
Nach politischen Umbrüchen wurde und wird immer wieder auf die Macht der Erziehung und der Bildung gesetzt. Dies war auch in der Weimarer Republik der Fall. Bildungs- und erziehungspolitische Utopien wurden sowohl in juristische als auch institutionelle Formen gebracht und prägten gesamtgesellschaftliche wie bildungssysteminterne Debatten. In diesem Zusammenhang war nicht zuletzt der Begriff der Demokratie umstritten und umkämpft. Seine begriffliche Spannweite reichte in der Weimarer Republik von kollektivistischen Gemeinschaftsutopien bis hin zu umfassender Parlamentarisierung und demokratischer Mitbestimmung in allen Organisationen und Institutionen einschließlich des Bildungssystems, umfasste aber auch Fragen der Bildungsbeteiligung. Mit Bezug auf die Epoche zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten sollen Debatten über Demokratie und Demokratisierung, über die Rolle des Bildungssystems und seiner Reform in diesem Zusammenhang und auch über die Frage einer gesellschaftsweiten Notwendigkeit politischer Bildung zum Thema gemacht werden. Für das Thema bedeutsam sind darüber hinaus Analysen staatlicher Reformmaßnahmen und ihrer Erfolge und Misserfolge im Bildungssystem, aber auch staatlicher und privater Initiativen im Wohlfahrtsbereich, vom vorschulischen Bereich bis zur sozialen Arbeit, und in der Erwachsenenbildung. Welche Kämpfe um Demokratisierung und Bildungsbeteiligung wurden hier ausgefochten? Welche Gegenkonzepte und -projekte wurden verfolgt, zum Teil in expliziter Abwehr von Demokratie und wachsender Bildungsbeteiligung?
Das bevorstehende Jubiläum „100 Jahre Weimarer Verfassung“ im August 2019 soll zum Anlass genommen werden, die in den „Schulartikeln“ für die Bildungspolitik der nächsten Jahrzehnte richtungsweisenden juristischen Vorgaben hinsichtlich der sie begleitenden pädagogischen Debatten und theoretischen Analysen der Zeitgenoss*innen genauer zu beleuchten, aber nicht zuletzt die Weimarer Zeit auch als eine Epoche zu begreifen, in der um die zukünftige Ausrichtung von Staat und Gesellschaft mit Hilfe von Bildung und Erziehung gerungen und zum Teil politisch fanatisch gekämpft wurde. Welche pädagogischen Ideen und Konzepte, Gruppen, Bewegungen und Einzelpersonen sich dabei auf welche Weise im Bildungssystem und in öffentlichen Debatten über Bildung und Erziehung Gehör verschafften, ist dabei eine ebenso machtpolitisch aufschlussreiche Frage der Bildungsgeschichte wie die bislang kaum beachtete Forschungsfrage nach der Korrespondenz einzelner Bereiche: die politische Bildung mit der institutionellen Reform, die pädagogischen Ideen und Konzepte mit gesetzlichen Maßnahmen usw.
Wenn bislang der sogenannte „Weimarer Schulkompromiss“ einen großen Teil der bildungshistorischen Einordnung dominierte, so sollen in diesem Schwerpunkt die Optionen für und die Auseinandersetzungen um eine bildungsgerechtere demokratische Zukunft im Bildungssystem und in seinen institutionellen wie nicht-institutionellen Kontexten (z. B. vorschulischer Bereich, Erwachsenenbildung) umfassender thematisiert werden. Denn wenn jugendbewegte Erwachsenenbildner*innen nach einer „Volkbildung durch Volksbildung“ strebten, gewerkschaftliche Aktivisten eine „Hochschule für das Volk der Arbeit“ gründeten und reformpädagogische Schulprojekte Teil des öffentlichen Schulsystems wurden, so verstanden sich diese Initiativen immer auch als Erziehung zur Demokratie und als Elemente eines demokratischen Bildungssystems, als Erziehung zum neuen Staat. Auch die Universitäten wurden, z. B. in Preußen durch die Kultusminister Konrad Haenisch und Carl Heinrich Becker, eingebunden in eine neue, staatsbürgerlich ausgerichtete Erziehungs- und Bildungsarbeit. Gleichzeitig musste im Bildungssystem immer mit einer Demokratiefeindschaft von innen gerechnet werden, von Seiten eines Teils der Lehrer- und Hochschullehrerschaft und auch mit der Agitation antidemokratischer Interessengruppen und Personen.
Da die Jahre zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft aber nicht nur in Deutschland eine Epoche der Umbrüche und des versuchten Neubeginns waren, soll sich der Fokus auch auf Debatten und Reformen der Bildung und Erziehung in den jungen Nationalstaaten richten, die sich nach dem Ende der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie gebildet haben, sowie auf den transnationalen Austausch. Hier können Einzeluntersuchungen, Vergleiche und staatenübergreifende Fragestellungen transnationaler Art zur Erweiterung des bildungshistorischen Wissens über Herausforderungen aller neuen Staaten beitragen.
Obgleich der Terminus „Politische Bildung“ sich erst in der frühen Bundesrepublik - zusammen mit der akademischen Disziplin „Politikwissenschaft“ in Folge der Reeducation – für den schulischen und außerschulischen Bereich durchsetzen konnte, war er bereits nach dem Ersten Weltkrieg präsent, oszillierte zwischen Staatsbürgerlichen Belehrung und Bürgerkunde. Wie sich dieses Konzept, seine Probleme und seine Umsetzungsversuche in der Weimarer Republik im Vergleich mit anderen Staaten, die vor ähnlichen Herausforderungen standen, darstellt, wäre eine weitere mögliche Analyseperspektive.
In der Frage nach der Bildung und Erziehung, Bildungssystemreform, Demokratie und ihren diskutierten Alternativen kreuzen sich zudem vielfältige bildungshistorische Zugriffe auf Institutionen, Protagonist*innen, theoretische Entwürfe und pädagogische Praxen. Der Aufruf zur Mitarbeit zielt daher auf mehrere Ebenen:
- Welche Ebenen von Demokratisierung wurden im Bildungsdiskurs adressiert oder abgewehrt? - Spielten andere Aspekte als soziale Ungleichheit eine Rolle, z. B. Emanzipation der Frauen, Konfessionalität, Homosexualität? - Welche Optionen auf sozialen Aufstieg durch Bildung wurden verstärkt oder neu ermöglicht, sowohl im Bereich der Schulen als auch der Hochschulen (z. B. Werkstudenten), und wie wurden diese vorbereitet, diskutiert und begründet? - Durch welche Entwicklungen wurden Aufstiegs- und Reproduktionsprozesse möglicherweise erschwert? - Wie und durch wen wurden Jugendfürsorge und Jugendpflege, frühkindliche Erziehung und Versorgung im Prozess von Demokratisierung berücksichtigt und entwickelt? - Wie und mit welchen Zielen (Stärkung oder Abwehr von Demokratie und Bildungschancen) mischten sich Vertreterinnen der Pädagogik und der Disziplin Erziehungswissenschaft als wissenschaftliche Beraterinnen in die Ausgestaltung des Prozesses der Demokratisierung des Bildungssystems und seiner Kontexte auf der Beratungsebene und auf der Handlungsebene ein? - Wie reagierten Lehrer*innen und Professoren auf die inhaltlichen und institutionellen Demokratisierungsanforderungen? - Waren die internationalen pädagogischen Organisationen (z.B. new education Fellowship) und ihre Kongresse Orte der Zirkulation pädagogischen Wissens?
Bitte senden Sie Ihr Exposé bis zum 30.06.2018 per E-Mail an die Herausgeberinnen. Die Einladung an die Autor*innen erfolgt zum 01.08.2018. Die Beiträge müssen bis 15.11.2018 vorliegen. Die Begutachtung und Überarbeitung der Aufsätze werden bis zum 31.03.2019 abgeschlossen. Der Band erscheint im Juli/August 2019.
Außerdem wird für die Bereiche Abhandlungen und Quellen eingeladen, Vorschläge für bildungshistorische Beiträge einzureichen, die nicht auf den Schwerpunkt bezogen sind.
Herausgeberinnen: Prof. Dr. Edith Glaser, Universität Kassel, eglaser@uni-kassel.de Prof. Dr. Carola Groppe, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, groppe@hsu-hh.de Dr. Joachim Scholz, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, scholz@bbf.dipf.de
Friedrich-Ebert-Stiftung Archiv der sozialen Demokratie Referat Public History, Netzwerk Demokratie/Geschichte 2018/19
KontaktPeter Beule
Godesberger Allee 149 53175 Bonn
+49 228 883 8076peter.beule(at)fes.de
www.geschichte-der-sozialdemokratie.de