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"Die Welt verändern – Revolutionen in der Geschichte“

CfP für die Tagung zum Archiv für Sozialgeschichte, 25.- 26.10.2018, Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin

„Die Welt verändern – Revolutionen in der Geschichte“

Call for Papers
Archiv für Sozialgeschichte

Die Welt verändern – Revolutionen in der Geschichte

»Lokomotiven der Geschichte« hat sie Karl Marx genannt: Revolutionen haben die Phantasien nicht nur von Intellektuellen beflügelt, den Traum von einer »besseren Welt«, die Hoffnung auf ein anderes Morgen. Was aber waren Revolutionen? Was unterschied sie von Rebellion und Protest? Wie fühlte es sich an, ein »Revolutionär« oder eine »Revolutionärin« zu sein? Revolutionsgeschichte hat ihre eigenen Konjunkturen, und so wie in den 1970er- und 1980er-Jahren die Suche nach der Revolution (und ihrem Ausbleiben) begleitet war von einem guten Schuss Romantik, so ist der Begriff der »Revolution« als analytische Kategorie zur Beschreibung historischen Wandels inzwischen vielfach durch andere, weniger aufgeladene Kategorien ersetzt worden. Eine eigene, gar sozialhistorisch fundierte Revolutionsforschung hat viel von ihrem früheren Schwung verloren. Über Revolutionen jedenfalls wird kaum mehr gestritten.
Das war lange anders, als beispielsweise die Deutung der Novemberrevolution, die sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal jährt, zu heftigen, auch deutsch-deutschen Auseinandersetzungen führte. Revolutionsgeschichte war immer auch Teil zeitgenössischer politischer Sinnsuche und erinnerungskultureller Konflikte. Dazu gehört die Frage, ob sich bestimmte historische Prozesse politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Wandels überhaupt mit dem Label »Revolution« beschreiben lassen. Waren die Unabhängigkeit der USA, der südamerikanischen Staaten und Haitis Revolutionen? Kann man die gescheiterten Umsturzversuche in Europa um 1848 als Revolutionen beschreiben? Ist es angemessen von der nationalsozialistischen »Machtergreifung« als »Revolution« zu sprechen? Waren die »68er« globale »Kulturrevolutionäre«? In welchem Verhältnis standen in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts Krieg und Revolution? Und wie veränderte beispielsweise die Erfahrung der Dekolonisierungsprozesse Theorien und Interpretationsmodelle revolutionären Wandels?
Gerungen wird nicht nur immer wieder über die Frage, ob Revolutionen ein »Mehr« an Freiheit oder »Emanzipation« bewirken, sondern auch über die Rolle der Gewalt. Dass Revolutionen »friedlich« verlaufen können, wird gewissermaßen in der politischen Debatte als deutscher »Sonderweg« interpretiert – und zum leuchtenden Vorbild gegenüber all denjenigen Bewegungen, die zu so viel »Zivilität« nicht in der Lage seien. Revolutionsmythen sind also nicht nur spezifisch für den Kalten Krieg, sondern fügen sich in sehr unterschiedliche Traditionsbestände und Narrative ein.
Debatten über Theorien der Revolutionen haben eine eigene Geschichte: Von den Arbeiten von Thomas Paine und Thomas Jefferson bis hin zu Jean-Jacques Rousseau, Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Karl Marx, Friedrich Engels und Michail Bakunin, Hannah Arendt, Michael Foucault oder Franz Fanon. Das Archiv für Sozialgeschichte hat seinen Band 2019 unter das Leitthema »Revolutionen« gestellt und möchte den alten Debatten über Revolutionen damit neuen Schwung verleihen.

Vier größere Themenfelder stehen dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit:

ZEITEN DER REVOLUTION
Die Beiträge könnten nach den Formen und der Zeitlichkeit von Revolutionen fragen: Welche Vorstellungen von gesellschaftlicher »Ordnung« prägten revolutionäre Bewegungen? Müssen Revolutionen immer spontan erfolgen oder gibt es auch geplante? Welche Rolle spielte Gewalt in den verschiedenen Phasen revolutionärer Erhebung? Welches Rechtsempfinden bestimmte die Bewegungen und vor allem: Wer waren ihre sozialen Trägergruppen? Revolutionen waren geprägt durch das Ringen um Legitimität und Herrschaft und bestimmt durch den Kampf um Zeit. Das galt nicht nur für die Französische Revolution, sondern lässt sich auch in allen größeren Revolutionsbewegungen des 20. Jahrhunderts und in ihrem Versuch erkennen, eigene Jahresrhythmen zu etablieren. Durch was waren solche Kämpfe um Zeit und »Zukunft« geprägt? Damit könnten solche Beiträge vor allem auch die revolutionären Sinnwelten (und die ihrer Gegner) erschließen und damit nach der »agency« im Prozess der Revolution fragen.

ZIELE UND OBJEKTE DES REVOLUTIONÄREN WANDELS
Der Band fragt zweitens nach den Zielen und Objekten des revolutionären Wandels: Gegen wen richteten sich revolutionäre Kritik und Praxis: König und Adel, Staat, Eliten, Institutionen des Rechts, Agrarökonomien, Parteiherrschaften, Kirchen oder Religion? Welche Formen antirevolutionärer Bewegung ließen sich erkennen und durch welche Motive waren sie bestimmt? Macht- und Herrschaftsfragen galten nicht nur dem politischen System und (so es sie gab) den Verfassungen, sondern insbesondere auch den Eigentums- und Besitzverhältnissen, der Verfügungskraft über Kapital und Arbeit, Land und Boden. Revolutionäre Bedrohungsszenarien schufen eine eigene politische Legitimationsideologie, ein eigenes Recht, Formen der Selbstermächtigung und eine spezifische Form des »Notstands«. Solche Kulturen des revolutionären Ausnahmezustands mit ihren Praktiken der Gewalt könnten ebenfalls lohnenswerte Untersuchungsgegenstände sein.

AKTEURE UND REVOLUTIONÄRE HANDLUNGSDYNAMIKEN
Die dritte Dimension berührt die Frage nach den revolutionären Handlungsdynamiken, den Akteuren und den – im weitesten Sinne – sozialen, politischen, ökonomischen, geschlechtsspezifischen und kulturellen Folgen von Revolution. Welche Trägergruppen konnten ihre Ziele durchsetzen? Welche Bedeutungen hatten Utopien und das Verhältnis von Erwartung und Enttäuschung? Wie weit reichten die Veränderungsimpulse, der Elitenaustausch, die Dynamik »von unten«? Und: Wie lassen sich solche Veränderungen messen? Woher stammten die Instrumentarien, mit denen unterschiedliche Wissenschaften den Erfolg oder Misserfolg revolutionärer Bewegungen zu quantifizieren versuchten? Insofern ist der Band auch offen für Beiträge, die sich mit der Geschichte all jener Disziplinen beschäftigen, die Revolutionen zu untersuchten versuchten. Eingeladen sind explizit auch die historisch arbeitenden sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen, ihre revolutionstheoretischen Debatten und Perspektiven, die bis in die jüngste Gegenwart heranreichen, bis hin zu den Umwälzungen im »Arabischen Frühling« oder in der Ukraine.

RÄUME DER REVOLUTION
Der Revolutionsbegriff hat selbst eine eigene Geschichte. Dazu gehört die Frage, ob das Konzept jenseits von Europa Aussagekraft hat. Räumlich sind deshalb neben europäischen auch außereuropäische Themen und Vorschläge explizit eingeladen. Wie eng verwoben eine solche Geschichte der Revolution ist, lässt sich insbesondere im Prozess der verschiedenen Dekolonisierungswellen beobachten. Die revolutionstheoretischen Klassiker haben ihre Ergebnisse vielfach an den großen revolutionären Bewegungen Europas beziehungsweise Amerikas gewonnen. Wie unterschiedlich die Zugriffe und Themensetzungen sein können, lässt sich beispielsweise an der Rezeption der Arbeiten Franz Fanons und seiner Kritik des kolonialen Rassismus als Motiv für eine gewalttätige, revolutionäre Erhebung ablesen. Insofern stellen sich manche Fragen nach der Bedeutung von Ethnizität, Klasse oder Geschlecht aus einer solchen postkolonialen, auch räumlich über Europa ausgreifenden Revolutionsgeschichte noch einmal neu.

Wir laden alle Interessierten ein, ihre Ideen und Angebote mit Blick auf die vier zentralen Themenkomplexe zu formulieren. Abstracts und Texte können in Deutsch und Englisch eingereicht werden. Die Vorschläge sollten 3.000 Zeichen nicht überschreiten, Einsendeschluss ist der 31. Mai 2018. Zur Vorbereitung wird am 25./26. Oktober 2018 eine Tagung mit eingeladenen Autorinnen und Autoren des Bandes bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin stattfinden.

Das Archiv für Sozialgeschichte wird herausgegeben von Beatrix Bouvier, Kirsten Heinsohn, Thomas Kroll, Anja Kruke, Philipp Kufferath (geschäftsführend), Friedrich Lenger, Ute Planert, Dietmar Süß und Meik Woyke.

Kontakt

Friedrich-Ebert-Stiftung
Archiv für Sozialgeschichte
Dr. Philipp Kufferath
Godesberger Allee 149
53175 Bonn

afs@fes.de
+49-228/883-8057


Friedrich-Ebert-Stiftung
Archiv der sozialen Demokratie

Referat Public History, Netzwerk Demokratie/Geschichte 2018/19

Kontakt
Peter Beule

Godesberger Allee 149
53175 Bonn               

+49 228 883 8076
peter.beule(at)fes.de

www.geschichte-der-sozialdemokratie.de

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