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Welche Verpflichtungen haben Staaten, wenn der Klimawandel auch Menschenrechte bedroht? Ein Artikel der Blogreihe „75 Jahre Menschenrechte“.
Der Klimawandel hat drastische Auswirkungen auf Menschenrechte. Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und tropische Stürme, aber auch langfristige Umweltveränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels, höhere Temperaturen sowie Bodenerosion und Waldsterben beeinträchtigen die Rechte der heutigen Weltbevölkerung und kommender Generationen.
Ein sicheres Klima ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Schwindende Trinkwasserquellen beeinträchtigen beispielsweise das Recht auf Wasser. Ausbleibende Ernten und Viehsterben betreffen das Recht auf Nahrung. Die Zerstörung von Häusern hat Einfluss auf das Recht auf Wohnen. Viele Landstriche werden durch Klimaveränderungen unbewohnbar. Dies führt zu binnen- oder grenzüberschreitender Vertreibung der Bewohner_innen, was insbesondere Kinder, Frauen und Minderheiten einem besonders hohen Risiko von Menschenrechtsverletzungen aussetzt. Das wiederum beeinträchtigt das Recht auf (psychische) Gesundheit und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Die ebenfalls entstehende Arbeitslosigkeit verletzt das Recht auf Arbeit. Kinder sind gezwungen, die Schule abzubrechen und stattdessen zu arbeiten. Kinderarbeit und Beeinträchtigungen des Rechts auf Bildung sind die Folge. Weitere Auswirkungen sind die Zunahme von geschlechtsspezifischer Gewalt und schlussendlich eine Gefahr für das Recht auf Leben.
Staaten sind gemäß völkerrechtlicher Verträge rechtlich verpflichtet Menschenrechte zu schützen, zu fördern und zu verwirklichen, und sie müssen für diese Verpflichtungen verantwortlich gemacht werden. Sie haben die Pflicht, die maximal verfügbaren Ressourcen zum Klimaschutz bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass alle Menschen über angemessene Mittel verfügen, sich an den Klimawandel anzupassen. Wo Verluste und Schäden bereits entstanden sind, muss es Entschädigungen geben. Internationale Menschenrechtsmechanismen spielen bei der Analyse dieser Verpflichtungen eine zentrale Rolle.
Als die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) 1948 verabschiedet wurde waren Umweltzerstörung und Klimawandel noch kein Thema. Daher finden sich in dem Dokument auch keine Verweise darauf. In den letzten Jahren haben jedoch die internationalen Menschenrechtsmechanismen (Menschenrechtsrat, Vertragsorgane, Sonderverfahren, Allgemeines periodisches Überprüfungsverfahren) und das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) mit maßgeblicher Unterstützung der Zivilgesellschaft, indigener Völker, sozialer Bewegungen und lokaler Gemeinschaften verstärkt daran gearbeitet, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte zu identifizieren. Sie haben ermittelt, welche Menschenrechte am stärksten betroffen sind, und die rechtlichen Pflichten, die sich daraus für Staaten ergeben, präzisiert. Ausserdem haben sie Empfehlungen veröffentlicht, wie Staaten den Klimawandel bekämpfen können, ohne dabei weitere Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Das kürzlich eingerichtete Mandat des Sonderberichterstatters für Menschenrechte und Klimawandel, der 2021 vom Menschenrechtsrat ernannt wurde, zeigt die Bedeutung und den Stellenwert, den das internationale Menschenrechtssystem diesem Thema beimisst.
Diese Bemühungen unterstreichen die maßgebende Rolle, die die Mechanismen bei der Auslegung und Anpassung der internationalen Menschenrechtsnormen spielen, wenn es um neue und unvorhergesehene Herausforderungen für die Menschheit und den Planeten geht. Die Wirksamkeit der Mechanismen hängt jedoch in hohem Maße von der kontinuierlichen Unterstützung und dem Engagement der zivilgesellschaftlichen Organisationen auf regionaler und multilateraler Ebene ab. Auf der multilateralen Ebene ist das Genfer Büro der FES Mitglied der Geneva Climate Change Consultation Group (GeCCco), in der sich zivilgesellschaftliche Organisationen mit den Zusammenhängen von Menschenrechten und Klimawandel befassen.
Aus menschenrechtlicher Perspektive müssen Staaten in ihren Maßnahmen zum Klimaschutz zunächst zwei grundlegende Bedingungen erfüllen. Erstens haben Menschen neben den substantiellen Rechten (wie dem Recht auf Leben, Nahrung und Gesundheit) auch Verfahrensrechte auf eine informierte, freie, aktive und bedeutungsvolle Beteiligung an öffentlichen Angelegenheiten. Dies gilt auch für Entscheidungsprozesse in der Klimapolitik – auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene. Staaten sind verpflichtet, alle Menschen über solche Entscheidungsprozesse zu informieren und miteinzubeziehen, insbesondere diejenigen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. So kann sichergestellt werden, dass Maßnahmen zu Klimaschutz und Anpassung sowie Entschädigungen tatsächlich den Bedürfnissen vor Ort gerecht werden. Nur wenn diese Verfahrensrechte von vornherein gewährleistet sind, können alle Beteiligten gemeinsam Strategien entwickeln, die die substantiellen Menschenrechte sichern. Noch in diesem Monat wird die Welt in Dubai zur 28. VN-Klimakonferenz (Conference of Parties, COP28) der Klimarahmenkonvention der VN (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) zusammenkommen, um das weitere Vorgehen im Kampf gegen den Klimawandel zu diskutieren. Gerade bei derartigen Veranstaltungen müssen die Verfahrensrechte gewährleistet sein.
Zweitens sind Staaten laut den zentralen Menschenrechtsverträgen verpflichtet, gemeinsam zu handeln, um die Verwirklichung der Menschenrechte voranzutreiben. Da der Klimawandel ein globales Phänomen ist, müssen die Staaten gerade hier international zusammenarbeiten, um seine Auswirkungen zu bekämpfen. Diejenigen, die bisher am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, tragen derzeit die größten Folgen. Staaten müssen sich daher zusammenschließen und Ressourcen, Wissen und Technologien im Geiste echter Solidarität teilen. Nicht nur aus moralischen oder ethischen Gründen, sondern aufgrund ihrer rechtlichen Verpflichtungen in den internationalen Menschenrechtsverträgen.
Nur wenn garantiert ist, dass Menschenrechte in die Klimapolitik integriert und geschützt werden, wird sie letztlich zu Maßnahmen führen, die den Bedürfnissen der Betroffenen wirklich gerecht werden. Die Menschenrechte sind dabei kein zusätzliches Hindernis für wirksame und rechtzeitige Klimaschutzmaßnahmen. Im Gegenteil, sie sind ihr Katalysator.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Menschenrechte identifiziert und anerkannt wurden. Die rechtlichen Pflichten der Staaten sind präzisiert, Handlungsempfehlungen liegen vor. Staaten müssen endlich individuell und gemeinsam diesen Verpflichtungen nachkommen und eine menschenrechtsbasierte Politik umsetzen, um Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Es gibt für die Menschheit keine größere Herausforderung. Schnelle und ambitionierte Maßnahmen sind daher unerlässlich.
Der 10. Dezember wird jährlich als Internationaler Tag der Menschenrechte begangen. Im Jahr 2023 konzentriert sich die VN-Initiative "Human Rights 75" im Vorfeld des Jahrestages jeden Monat auf ein anderes Thema. Im November liegt der Schwerpunkt auf Umwelt und Klimawandel. Diese monatlichen Themenschwerpunkte sollen über verschiedene Fragen im Zusammenhang mit den Menschenrechten informieren, Diskussionen bereichern und konkrete Wege zur Umsetzung verschiedener Aspekte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufzeigen. Es wird erwartet, dass das High Level Event der Vereinten Nationen am 11. und 12. Dezember durch konkrete Versprechungen von Staaten und Organisationen der Zivilgesellschaft zu Veränderungen und Fortschritten führen und in den Zukunftsgipfel 2024 einfließen wird.
Weitere Informationen zu den Feierlichkeiten zum Jahrestag der AEMR:
Dieser Artikel erschien am 31.10.23 in englischer Sprache auf geneva.fes.de.
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Koordination Dr. Cäcilie Schildberg
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