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„Meine Mission? In Kiel zeigen, wie wir all das gut unter einen Hut bekommen“ – ein Gespräch mit Ulf Kämpfer

Die KommunalAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung lädt vom 18. bis 20. Juni 2021 zur 19. kommunalpolitischen Sommerakademie ein. Gesprächsgast beim Eröffnungspanel der Konferenz ist Dr. Ulf Kämpfer, der Oberbürgermeister der Stadt Kiel. Wie er Kiel regiert und welche Mission er für die Zukunft sieht, hat er uns im Interview verraten.

Authentisch, zielstrebig, zukunftsorientiert – so könnte man Ulf Kämpfer, den Oberbürgermeister der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel in drei Worten beschreiben. Allen negativen Trends im Bund zum Trotz erzielt der 48-jährige Sozialdemokrat immer wieder Spitzenergebnisse. Dabei gehört stets der Klimaschutz zu seinen Herzensangelegenheiten. Bei jedem Diskurs steht für Kämpfer die Bürgernähe im Vordergrund. Bei seinem Wahlkampf 2019 konnte er mit dieser Einstellung auf die Unterstützung von vier weiteren Parteien zählen. Er zeigt auch gerne seine kreative Seite: So widmet er seiner Stadt sogar einen Poetry-Slam-Text.

Wir freuen uns sehr, Ulf Kämpfer am 19. Juni 2021 als Gast der kommunalpolitischen Sommerakademie begrüßen zu dürfen. Uns interessiert dabei besonders, welche zentralen Herausforderungen für die Städte und Gemeinden Deutschlands er in Zukunft sieht, welche Maßnahmen zum Klimaschutz sich am meisten lohnen und welches sein persönliches Erfolgsrezept ist.

„Uns eint die Überzeugung, dass sich vieles ganz grundsätzlich ändern muss, aber auch ändern lässt.“

Die „Welt“ nannte Sie vor einigen Jahren in einem Artikel den „Robert Habeck der SPD“. Warum, denken Sie, werden Sie mit dem Co-Vorsitzenden der Grünen verglichen? Fühlen Sie sich wohl mit diesem Vergleich?


Ja, mit dem Vergleich fühle ich mich wohl. Robert Habeck und ich kennen uns seit vielen Jahren, ich schätze ihn – politisch und persönlich. Bei aller Unterschiedlichkeit eint uns vielleicht die Grundphilosophie, mit der wir Politik machen wollen – die man „pragmatischen Idealismus“ nennen könnte. Uns eint die Überzeugung, dass sich vieles ganz grundsätzlich ändern muss, aber auch ändern lässt. Dass unsere Demokratie, unsere Gesellschaftsordnung dringend verbesserungsbedürftig, aber eben auch verbesserungsfähig und im Kern erhaltenswert sind. Wir wollen gestalten, brauchen also Macht und Mehrheiten, und beides bekommt und behält man nur, wenn man sich nicht nur im Recht wähnt, sondern offen bleibt für neue Eindrücke und Erkenntnisse. Wir machen beide mit Haut und Haaren und allen Talenten und Unzulänglichkeiten, die wir haben, Politik, und versuchen gleichzeitig, uns nicht zu sehr vom Politikbetrieb vereinnahmen zu lassen. Als wir 2012 gemeinsam das Energiewende-, Landwirtschafts- und Umweltministerium in Schleswig-Holstein von der CDU übernommen haben (er als Minister, ich als Staatssekretär), konnten wir uns daran versuchen, unseren Anspruch praktisch einzulösen.

Entgegen aller Negativtrends der Mutterpartei auf Bundesebene haben Sie die Wiederwahl zum Oberbürgermeister souverän mit über 65 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen. Was macht Sie so erfolgreich?


Ob ich erfolgreich bin, mögen andere entscheiden. Mit meiner Wiederwahl war es so: Vor meiner ersten Wahl gab es wenig Kontinuität und viele lose Fäden im Rathaus, meine Vorgängerin trat nach 10 Monaten im Amt zurück. Wir konnten während meiner ersten Amtszeit vieles in Gang bringen: Mobilitätswende, neue kommunale Wohnungsgesellschaft, Kitaplätze, Masterplan Klimaschutz, Digitalisierungsprojekte, ein innovatives Kraftwerk. Und sogar die finanziellen Handlungsmöglichkeiten im sprichwörtlich klammen Kiel wurden größer. Ich versuchte, auch wenn das eine ziemlich abgenudelte Floskel ist, ein OB für alle Kielerinnen und Kieler zu sein und gute Kontakte in alle Milieus zu knüpfen. So kam es, dass schließlich vier Parteien meine Wiederwahl unterstützten. Da war es dann nicht so schwer, ein gutes Ergebnis zu bekommen.


„Ein Beispiel geben, wie linksliberale, sozialdemokratische Politik nicht nur gut gemeint, sondern professionell und erfolgreich sein kann!“

Können Sie der SPD auf Bundesebene etwas raten für die Bundestagswahl im September 2021?


Nichts erzwingen wollen, keine Angst vor Pathos und Emotionen haben. Den zentralen Kampagnenbegriff „Respekt“ finde ich sehr gut, wenn die Wähler_innen am Ende des Wahlkampfs zwei, drei konkrete Ideen damit verbinden und einigen Sozis begegnet sind, die ihnen Respekt, Freundlichkeit und echtes Interesse an ihren Alltagsnöten entgegengebracht haben – noch besser. Das reicht dann vielleicht nicht für die Regierung, aber hoffentlich für den Beginn des Wiedererstarkens der SPD.

2019 rief die Stadt Kiel den Klimanotstand aus. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um mit Kiel der Klimakrise entgegen zu wirken? Welche Ansätze funktionieren besonders gut?


Das geht nur mit vielen kleinen und großen Mosaiksteinen. Unser Kohlekraftwerk haben wir 2019 abgeschaltet. Wir planen eine Stadtbahn und bauen Premiumradrouten, breiter als in Kopenhagen. Landstromanlagen für Schiffe, Solarpflicht für Gewerbebauten, 'Zero Waste' statt Einweg, Förderung nachhaltiger Start-ups etc. – wir müssen überall umdenken, und besonders wichtig und erfolgreich ist in Kiel der Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft. Dass wir u.a. dafür aktuell den Deutschen Nachhaltigkeitspreis verliehen bekommen haben, ist uns Ansporn, nicht Ruhekissen.

Wenn Sie an die Zukunft denken, was sind für Sie die größten Herausforderungen, denen Städte, Länder und Bund begegnen müssen? Wie sieht Ihre Mission für die Zukunft aus?


Auf einen Begriff gebracht: Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sichern. Das klingt abstrakt, diese Einheitlichkeit ist aber sehr real bedroht: Überall zerren Zentrifugalkräfte an der Gesellschaft, im Bildungsbereich, bei der materiellen Ungleichheit etc. Ganze Regionen, Milieus, Stadtteile bekommen mehr und mehr den Eindruck, dass Demokratie und Marktwirtschaft für sie nicht (mehr) richtig funktionieren. Klimaschutz, Arbeitswelt, Migration, Mobilität, Digitalisierung: Überall stehen große Transformationen an, die Größe der Aufgaben ist beängstigend, und gleichzeitig empfinde ich es als sehr großes Privileg, in solch spannenden Zeiten mitmischen und Verantwortung tragen zu dürfen. Meine Mission? In Kiel zeigen, wie wir all das gut unter einen Hut bekommen und damit ein Beispiel geben, wie linksliberale, sozialdemokratische Politik nicht nur gut gemeint, sondern professionell und erfolgreich sein kann.


Ulf Kämpfers Blick auf Kiel - als Poetry-Slam-Text


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