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Die Corona-Krise hat Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte genauso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Von außen betrachtet könnte man meinen, dass sie „Krisengewinner“ sind. Doch das wäre zu kurzsichtig.
Bild: von April-Mediengruppe
Die Wertschätzung für Dienstleistungsberufe im Allgemeinen, für soziale Berufe und einen handlungsfähigen Staat im Besonderen, die Aufmerksamkeit für den Arbeitsschutz, die offensichtliche positive Wirkung von Tarifverträgen und Sozialversicherungen – das könnte als Rückenwind für Gewerkschaften verstanden werden. Alles richtig, aber durch den bildlich verstandenen Beifall von Balkonen allein ist noch nichts gewonnen. Abstandsregelungen, Versammlungsverbote und natürlich wirtschaftliche Einschnitte haben die Gewerkschaften als Mitgliederorganisationen in ihrer Handlungsfähigkeit deutlich getroffen. Delegiertenversammlungen, Warnstreiks, Demonstrationen? In diesen Zeiten fast auf null gestellt. Der eigene Apparat musste neu aufgestellt, bestehende politische Planungen zur Seite gelegt, Kurzarbeitsregelungen in Tausenden von Betrieben vereinbart werden. Und es galt natürlich an krisenpolitischen Debatten mitzuwirken. Keiner weiß heute, wann die Wirtschaft wieder das Niveau der Vor-Coronazeit erreicht. Wir müssen uns gegen Massenarbeitslosigkeit und eine mögliche andauernde wirtschaftliche Flaute stemmen.
Die Corona-Krise ist anders als die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 nicht aus dem Wirtschaftssystem selbst heraus entstanden, aber sie zeigt einige seiner bedeutenden Schwächen auf. Der DGB fordert, an diesen Schwächen zu arbeiten. Wie viel besser ist es denjenigen ergangen, die unter dem Schutz von Tarifverträgen arbeiten und damit in aller Regel Aufstockungen zum Kurzarbeitergeld bekamen! Nach der Corona-Krise müssen unter anderem überzogenes Outsourcing und damit verbundene Lieferprobleme, die soziale Unsicherheit von Soloselbstständigen und die Stärkung des Tarifvertragssystems auf die Tagesordnung. Geschäftsmodelle, die auf großen Anteilen unsicherer, schlecht bezahlter Arbeit basieren, müssen nicht mit öffentlichen Finanzspritzen subventioniert werden, Unternehmen mit Tarifbindung, mit Beteiligung an Ausbildung sehr wohl. Staatliche Hilfen für Betriebe müssen für gute Arbeit eingesetzt werden, das muss eine Lehre aus dieser Krise sein. Betriebe und Verwaltungen sind unter Corona, aus der Not der verordneten Kontaktverbote heraus, große Schritte bei der Digitalisierung der Arbeit vorangegangen. Vieles davon wird bleiben. Aber Digitalisierung braucht Leitplanken, sonst geht sie völlig einseitig zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Sozialversicherungen und der Gesellschaft. Das diskutieren wir seit Jahren, jetzt ist die Zeit zu handeln. Die jetzt gemachten Erfahrungen mit Digitalisierung und neuen Arbeitsformen müssen ausgewertet werden, um möglichst rasch zu neuen politischen Regelungen zu gelangen und die Aus- und Weiterbildung anzupassen. Und die Betriebs- und Personalräte brauchen jetzt dringend besondere Unterstützung für die Vereinbarung guter Lösungen.
Gerade in Berlin ist nochmals überdeutlich geworden, dass der hohe Anteil kleiner Unternehmen entschlossener und mit mehr Gestaltungswillen in den Fokus genommen werden sollte. Die Notlage vieler Soloselbstständiger unterstreicht zum einen, wie wichtig verpflichtende soziale Absicherung auch für sie ist. Sie weist aber zugleich darauf hin, dass hier strukturpolitisch viel zu tun ist. Wirtschaftspolitik muss die Entwicklung von Klein- und Kleinstunternehmen zu leistungsfähigeren, größeren Einheiten fördern, die letztlich auch zur Zahlung auskömmlicherer Löhne in der Lage sind. Genossenschaften und Unternehmenszusammenschlüsse sollten hierbei nicht als exotische Randerscheinungen gedacht werden, sondern als nachhaltige Chancen. Was sollte bleiben, wenn wir 2030 zurückschauen? Das breite Gefühl der Solidarität, das neue Verständnis für gemeinsame, sozial verantwortliche Lösungen. Etwas groß gesprochen möge Corona der schwierige, aber erfolgreiche Aufbruch für ein erneuertes Sozialstaatsverständnis gewesen sein.
Über den Autor:Christian Hoßbach ist seit Januar 2018 Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg, zuvor war er acht Jahre lang dessen stellvertretender Vorsitzender. Der Diplom-Volkswirt und gebürtige Berliner ist beruflich seit vielen Jahren mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Berlins und Ostdeutschlands seit dem Mauerfall befasst.
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Eszter Kováts
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