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Samstag, 27.08.22 11:00 bis Samstag, 27.08.22 13:00 - Düsseldorf

Rückblick: 100 Jahre Düsseldorfer Volksbühne e.V.


Terminexport im ICS-Format

Gemeinsam mit Expert_innen, Kulturschaffenden und allen Interessierten haben wir anlässlich des 100. Jubiläums der Düsseldorfer Volksbühne e.V. einen Blick zurück in die bewegte Geschichte und voraus in die Zukunft geworfen.

Die Düsseldorfer Volksbühne, deren Entstehung eng mit der Arbeiterbewegung verknüpft ist, besteht bereits seit 1921. Sie wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, allen Menschen, unabhängig von Einkommen und Bildungsabschluss, kulturelle Erlebnisse zu ermöglichen. Das hundertjährige Jubiläum der Einrichtung diente nun als Anlass für eine Podiumsdiskussion, die vom Landesbüro Nordrhein-Westfalen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit der Düsseldorfer Volksbühne e.V. veranstaltet wurde.

Auf Grundlage eines Blicks in die Geschichte der Volksbühne wurde über die Rolle der Kultur in unserer heutigen von Individualisierung und Digitalisierung geprägten Gesellschaft debattiert. Im Zentrum der Veranstaltung standen Fragen danach, wie sich Perspektiven auf kulturelle Angebote verändern, mit welchen Herausforderungen Kultureinrichtungen wie die Volksbühne heute konfrontiert sind und wie sie dem Anspruch entgegnen, allen Teilen der Bevölkerung Partizipation und Teilhabe zu ermöglichen.

In seiner Begrüßung verwies Werner Sesterhenn, Vorsitzender der Düsseldorfer Volksbühne e.V., bereits auf ein zentrales Problem: den Rückgang der Besucherzahlen. Als Reaktion darauf müsse man folglich neue Wege finden, um Menschen ins Theater zu holen. Obwohl die Branche aufgrund der Corona-Pandemie weitere Rückschläge erleiden musste, konstatierte er mit Blick auf die hundertjährige Geschichte der Volksbühne: „Wir lassen und nicht unterkriegen!“

Im daran anschließenden Impulsvortrag skizzierte Prof. Peter Marx vom Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln die Geschichte der Volksbühne. Im Zuge dessen wurde deutlich, dass Volksbühnen einerseits den Anspruch haben, für Teilhabe und Demokratisierung zu sorgen, sich andererseits jedoch in einer immer weiter kommerzialisierten Kulturlandschaft behaupten müssen. Mit Blick auf unsere heutige Gesellschaft hob Marx hervor, dass das sozialdemokratische Aufstiegsversprechen zunehmend unter Druck gerät und daher eine neue Notwendigkeit entsteht, Teilhabe in einer hoch diversen Welt zu organisieren. Denn, so betont er: „Wir brauchen Plätze der Auseinandersetzung“. Um dem Problem sinkender Besucherzahlen zu entgegnen, müsse man darüber hinaus auf wissenschaftlicher Ebene vermehrt die Nicht-Besucher betrachten.

Auch in der darauffolgenden Podiumsdiskussion blieb das (schwindende) Publikum von Kulturveranstaltungen ein zentrales Thema. So ergänzte beispielsweise die Düsseldorfer Dezernentin für Kultur und Integration, Miriam Koch, dass Menschen mit Migrationsgeschichte im Publikum unterrepräsentiert sind.
Wilfried Schulz, Intendant des Schauspielhauses Düsseldorf, verdeutlichte derweil, dass das Theater das Ziel verfolgen müsse, einen lebendigen Mittelpunkt der Stadt zu kreieren. Die Mittel, um altes und neues Publikum anzulocken, bleiben laut ihm dabei zunächst einmal die gleichen. Beispielhaft nannte er die Öffnung des Foyers des Düsseldorfer Schauspielhauses, um einen öffentlichen Raum für die Menschen zu schaffen und gleichzeitig auf Kulturangebote aufmerksam zu machen.   

Hinsichtlich dieses Angebots lehnte Prof. Volker Kalisch, Musikwissenschaftler an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, eine weitere Differenzierung im Sinne eines „Supermarktangebots“ ab, da eine Institution nicht die gesamte Gesellschaft adressieren könne. Wilfried Schulz hingegen plädierte für eine Multiperspektivität im Theater und beschrieb es als Selbstverständnis seiner Einrichtung, mit vielfältigen Gesellschaftsperspektiven umzugehen, weshalb er im Sinne einer Differenzierung „viele Stoßrichtungen ausprobieren“ wolle. 

Auf die Frage des Moderators Peter Grabowski, ob das Theater nun also nicht mehr die Speerspitze der Gesellschaft und daher eine Reaktion nötig sei, reagierte Peter Marx mit einem Verweis darauf, dass „Menschen kulturelle Orte aufsuchen, wenn es in ihre Lebenswirklichkeit passt“. Diese Lebenswirklichkeit besteht allerdings bereits aus dem von Volker Kalisch erwähnten „Supermarktangebot“, das beispielsweise in Form von Streamingdiensten auf die Konsument_innen einprasselt. Als mögliche Reaktionen auf den damit verbundenen Besucherschwund nannte Miriam Koch die Verbreitung kultureller Programme in Schulen, das Durchführen von Bevölkerungsbefragungen sowie das Einladen von Künstler_innen unterschiedlicher Kulturen, um einen rein eurozentristischen Blick auf die Gesellschaft zu vermeiden.

Aus dem Publikum wurde ergänzt, dass im Zuge der Digitalisierung und damit verbundener zeitunabhängiger Unterhaltungs- und Konsumangebote die Bereitschaft sinkt, sich über längere Zeit zu verpflichten, weshalb Theaterabonnements unbeliebter werden. Als mögliche Reaktion darauf nannte Werner Sesterhenn Angebote der flexibleren Mitgliedschaft, verwies gleichzeitig aber auch auf die im Laufe der Diskussion deutlich gewordene Fülle von Herausforderungen und Aufgaben, die mit der derzeitigen finanziellen Ausstattung nicht zu bewältigen seien. 

Angesichts der von Peter Grabowski angesprochenen Tatsache, dass das Theater den gesellschaftlichen Trend der Zeitunabhängigkeit nicht leisten könne und solle, hob Wilfried Schulz bestätigend hervor, dass Live-Auftritte der „Wesenscharakter des Theaters“ seien. Mit Blick auf die politische Ebene formulierte er abschließend den Appell, dass eine Anerkennung für die gesellschaftliche Leistung des Theaters unabdingbar sei und die Zugänglichkeit zu kulturellen Angeboten für jeden möglich sein müsse: „Das Theater soll niemandem und allen gehören!“
 

Text und Redaktion:  David Schlingmann & Laura Prinz

Bilder der Veranstaltung


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