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Es ist kein Geheimnis, dass die Digitalisierung und der Klimawandel die Wirtschaft und somit auch unsere Arbeitswelt tiefgreifend verändern. Nicht zuletzt durch die Corona-Krise wurde dieser Wandel, zum Beispiel durch das Arbeiten im Homeoffice, verstärkt. Eine zentrale Herausforderung wird sein, die Transformation der Arbeitswelt so zu gestalten, dass sie mit der Verbesserung von Arbeitsbedingungen einhergeht.
Welche Trends zeichnen sich also für die Transformation der Arbeitswelt ab? An welchen Stellen besteht die Gefahr einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und wie kann dem entgegengewirkt werden? Welche Akteure gestalten die Arbeitswelt von morgen mit und was muss Grundlage für eine soziale und klimagerechte Wirtschaftsordnung sein, die gute Arbeit für alle schafft? Auf Grundlage dieser Fragen wurden im 8. Solinger Zukunftsdiskurs des Landesbüros Nordrhein-Westfalen der Friedrich-Ebert-Stiftung Potentiale für eine progressive Politik diskutiert.
Eröffnet wurde der Zukunftsdiskurs von einem künstlerischen Impuls von Claudia Gahrke, in dem die Schauspielerin gesellschaftskritisch auf aktuelle Arbeitsverhältnisse blickte. Sie prangerte einige Auswüchse des durch den Kapitalismus getriebenen Arbeitsmarktes an und kritisierte das neoliberale „Märchen vom Trickle-Down-Effekt“.
Daran anschließend begrüßte Henrike Allendorf vom Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung die Gäste und verwies mit Blick auf den Titel der Veranstaltung darauf, dass „die Zeit der Gestaltung drängt“. Ziel sei es, eine klimagerechte Wirtschaftsordnung mit guter Arbeit in Einklang zu bringen.
Der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach griff dies in seiner Begrüßung auf und hob zwei gesellschaftliche Trends hervor: Erstens eine Entwicklung hin zu digitalen oder hybriden Formen des Arbeitens und zweitens eine Suche der Menschen nach sinnstiftender Arbeit. Daraus leitete er notwendige Eigenschaften insbesondere für Arbeitgeber_innen ab. So sei es wichtig, die Belegschaft zu motovieren, Zufriedenheit zu schaffen, Räume zur Entfaltung zu ermöglichen sowie für diverse Lebensläufe offen zu sein. Darüber hinaus beschrieb er Empathie als „größte Quelle für Innovation“.
Thomas Kutschaty MdL, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag NRW betonte, dass es unabdingbar sei, die industrielle Kompetenz in NRW zu schützen. Um gleichzeitig die stets geforderten klimaneutralen Arbeitsplätze von morgen zu schaffen, schlug Kutschaty das Einrichten eines Transformations-Fonds vor, um Investitionen in die Zukunft tätigen zu können. Als konkretes Beispiel für ein gelungenes Zusammenspiel von Klimaschutz und Arbeitsmarkt nannte er die Stadt Bottrop, der es durch gezielte Beratung und klimaschonende Maßnahmen gelungen sei, ohne Arbeitsplatzverluste die CO2-Emissionen um 50 Prozent zu reduzieren. Ein essenzieller Treiber solcher Entwicklungen seien Handwerker, die für den Umbau der Gesellschaft unverzichtbar seien. „Respekt vor jedem Abschluss ist wichtig“, unterstich Kutschaty in dem Zusammenhang. Bezüglich der Veränderungen in der Arbeitswelt, wie beispielsweise der enorme Anstieg von Arbeit im Homeoffice, betonte er sowohl Chancen als auch Herausforderungen. „Digitalisierung muss kein Jobkiller sein“, erklärte er einerseits. Andererseits dürfe das Fehlen von sozialen Kontakten sowie die Notwendigkeit neuer Formen betrieblicher Mitbestimmung nicht unterschätzt werden.
Nach einem weiteren künstlerischen Beitrag des Schauspielers Andreas Laurenz Maier, der eine Kritik an grenzenlosem Konsum formulierte sowie die Ausbeutung von Arbeitskräften in den Mittelpunkt rückte, leitete die Moderatorin Corinna Schlechtriem zur Diskussion über.
„Wir haben eine Veränderung erlebt“ bilanzierte Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, mit Blick auf die rasante Digitalisierung. Gleichzeitig betonte sie, dass die Produktivität durch Tätigkeiten im Homeoffice nicht abnehme, jedoch eine Gefahr der Entgrenzung zwischen Familie und Beruf bestünde.
Mit Blick auf das Verhältnis von Arbeit und Digitalisierung erläuterte Prof. Dr. Lutz Becker, Studiendekan an der Hochschule Fresenius in Köln, dass Digitalisierung, zum Beispiel durch gesparte Wege zur Arbeit, durchaus als nachhaltig bezeichnet werden könne. Auf die Frage der Moderatorin, ob die gesellschaftliche Umstellung auf digitale Möglichkeiten schnell genug vollzogen werde, antwortete der IT-Unternehmer Mirko Novakovic klar: „Corona hat uns gezeigt, wie anpassungsfähig wir sind.“ Welche Auswirkungen die Digitalisierung nun wiederum auf die Arbeitswelt hat, sei laut Marina Dobbert MdL, Sozialpädagogin und ehemalige Arbeitsvermittlerin, davon abhängig, ob es gelingt, vermeintlich Abgehängte wieder einzubeziehen. Als Beispiel dafür wurde auf das Unternehmen von Novakovic verwiesen, in dem neue Jobs für Langzeitarbeitslose geschaffen wurden, was auch für das Unternehmen einen Mehrwert habe: „Diversität bringt Unternehmen weiter“, so Novakovic.
Als Corinna Schlechtriem das Gespräch anhand des Beispiels von Distanzunterricht auf das Thema Bildung und Digitalisierung lenkte, sprach Thomas Kutschaty von einer immer noch angespannten Situation in den Schulen in NRW und unterstrich die große Herausforderung der Realisierung von Bildungsgerechtigkeit, da aktuell noch nicht jedes Kind gleichermaßen von der Digitalisierung profitieren könne. Marina Dobbert ergänzte dies um die Forderung nach mehr Personal im Bildungsbereich.
Im weiteren Verlauf der Diskussion nahm Bettina Kohlrausch die berufliche Weiterbildung in den Fokus, die vor dem Hintergrund der sozial-ökologischen Transformation ein zentrales Thema sei. Sie kritisierte, dass der unterschiedliche Zugang zu Weiterbildungsangeboten die soziale Ungleichheit verstärke und dass der Weiterbildungssektor weitgehend unreguliert sei. Thomas Kutschaty stimmte zu, dass Weiterbildung frühzeitig einsetzen und für jeden zugänglich sein müsse, gab jedoch zu bedenken, dass die von Kohlrausch geforderte Regulierung aufgrund notwendiger branchen- und unternehmensspezifischer Weiterbildungsangebote schwierig sei. Novakovic verwies auf ein von seiner Firma festgelegtes Budget für Weiterbildung und betonte, „dass wir enorm in unsere Mitarbeiter_innen investieren müssen“, was sich wiederum betriebswirtschaftlich auszahlen werde.
Des Weiteren stellte Corinna Schlechtriem die Frage, welche Rolle Gewerkschaften und Betriebsräte in der von Digitalisierung geprägten modernen Arbeitswelt spielen. Marina Dobbert verdeutlichte, dass Gewerkschaften sowie Berufs- und Fachverbände die Aufgabe hätten, Sozialverträglichkeit zu schaffen. Als Beispiel nannte sie von der Handwerkskammer angebotene Weiterbildungen zum Thema Digitalisierung. Thomas Kutschaty mahnte einen Verlust des Einflusses von Gewerkschaften an, denn Arbeitnehmer_innen „machen unterm Strich Mehrarbeit“ im Homeoffice. Arbeitsschutz lasse sich zu Hause schwer realisieren, weshalb Gewerkschaften und der persönliche Kontakt zu Kolleg_innen weiterhin unverzichtbar blieben.
Abschließend wollte Corinna Schlechtriem wissen, ab wann man denn nun von gelungener Digitalisierung sprechen könne. Thomas Kutschaty hob hervor, dass man dafür zwar kein Datum festlegen, in den nächsten drei bis vier Jahren aber viele Weichen stellen könne. Auch Lutz Becker verdeutlichte, dass man zunächst geeignete Strukturen für eine solche Transformation schaffen müsse. Bettina Kohlrausch sprach von einer Frage der Gestaltung und verwies zwar auf Verschiebungen zwischen Arbeitsmarktsegmenten, hielt aber gleichzeitig fest: „Es wird andere Arbeit geben, aber nicht weniger.“
Autor: David Schlingmann
Redaktion: FES
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