Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Die Pandemie mit ihren Auswüchsen in oft rechtspopulistischen und antisemitischen Verschwörungsmythen zeigt wieder einmal sehr deutlich: Krisen sind ein Einfallstor für demokratiefeindliche Kräfte in unserer Gesellschaft. In Zeiten, in denen sichergeglaubte Selbstverständlichkeiten abhandenkommen, suchen viele Menschen Orientierung in monokausalen Erklärungsmustern – und finden diese oft in rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen Aussagen, und dies nicht nur an den Rändern der Gesellschaft.
Jeanette Kuhn
freie Journalistin
Serdar Yüksel
Vorsitzender des Petitionsausschuss im Landtag NRW und Mitglied im Aufsichtsrat der UNO-Flüchtlingshilfe
Uli Borchers
Sprecher des Bochumer Bündnis gegen Rechts
Zoubeida Khodr
Vorsitzende des Integrationsausschusses der Stadt Bochum und Vorstandsmitglied des Netzwerkes BONEM e.V.
Prof. Dr. Beate Küpper
stv. Leiterin des Instituts für Forschung und Entwicklungin der Sozialen Arbeit SO.CON, Hochschule Niederrhein
Ist rechts in der Mitte? Erkenntnisse zur Verbreitung rechter Einstellungen in der gesellschaftlichen Mitte.
Die Pandemie mit ihren Auswüchsen in oft rechtspopulistischen und antisemitischen Verschwörungsmythen zeigt wieder einmal sehr deutlich: Krisen sind ein Einfallstor für demokratiefeindliche Kräfte in unserer Gesellschaft. In Zeiten, in denen sichergeglaubte Selbstverständlichkeiten abhandenkommen, suchen viele Menschen Orientierung in monokausalen Erklärungsmustern – und finden diese oft in rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen Aussagen, und dies nicht nur an den Rändern der Gesellschaft. Die aktuelle „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung befasst sich mit eben dieser Position der gesellschaftlichen Mitte in Bezug auf die Verbreitung rechter Einstellungen in Deutschland. In der Online-Veranstaltung am 20.01. wurden die wesentlichen Ergebnisse der Studie vorgestellt und mit gesellschaftspolitischen Vertreter_innen diskutiert.
Zu Beginn der Veranstaltung präsentierte Prof. Dr. Beate Küpper, stellvertretende Leiterin des Instituts für Forschung und Entwicklung der Sozialen Arbeit SO.CON, Hochschule Niederrhein und zudem Mitautorin und -herausgeberin der Mitte-Studie, einige ausgewählte Ergebnisse vor. Diese deuten darauf hin, dass in der gesellschaftlichen Mitte rechte Einstellungen zunehmend toleriert werden. Gleichzeitig sieht eine Mehrheit der Befragten aber Rechtsextremismus als größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Das Potential, sich demokratiefeindlichen Kräften in den Weg zu stellen, ist also ebenso vorhanden. Frau Küpper beschrieb, dass die allgemeine Zustimmung zu Themen wie Diktatur, Chauvinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus sogar etwas gesunken sei, fast 20% der Befragten allerdings mindestens „teils teils“ damit einverstanden waren, dass es unterschiedlich wertvolles Leben geben könnte. Diese Zunahme sozialdarwinistischer Einstellungen könnte Frau Küpper zufolge im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den aktuellen Gegenprotesten stehen. Der Trend müsse weiter genau beobachtet werden. Zudem machte Frau Küpper deutlich, dass klare Zustimmungen zu antidemokratischen und rechten Aussagen und Einstellungen weiterhin selten blieben, während es einen großen und wachsenden Graubereich gäbe. So sei Aussagen wie „Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss“, oder „Wir brauchen einen Führer, der Deutschland mit starker Hand regiert“ immer wieder zumindest teilweise zugestimmt worden. „Die, die komplett zustimmen sind etwas für die Sicherheitsbehörden. Für die politische Arbeit ist dieser Graubereich am relevantesten“, betonte sie. Rechte und rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft würden zudem durch Populismus und Verschwörungsmythen befeuert. So stimmten ca. 20,5% der Befragten der Aussage zu, dass Politiker_innen in Deutschland lediglich Marionetten einer mächtigen Elite seien und ca. 24% der Befragten gehen davon aus, dass die Medien und die Politik „unter einer Decke stecken“. Die Ergebnisse der Umfrage in Nordrhein-Westphalen bewegten sich im Mittelfeld, die Unterschiede zwischen den Ländern seien nicht mehr so ausgeprägt, erläuterte Beate Küpper anschließend. Sie schloss ihren Vortrag mit einer Einschätzung der aktuellen Querdenken-Bewegung. Zunehmend ließe sich beobachten, dass es sich um eine Empörungsbewegung handele, die dann auf eine rechtsextreme Mischszene stoße und sich mit ihr verbinde. Menschen, die sich in einer rebellischen Grundhaltung gegen die Corona-Maßnahmen gefielen, liefen demnach Gefahr, von einer autoritären und den Staat delegitimierenden Bewegung eingenommen zu werden. Die „Mitte-Studie“ wurde unter dem Titel „Die geforderte Mitte“ veröffentlicht. Beate Küpper sieht die Mitte durch diese Entwicklungen zum einen gefordert mit Blick auf die Stabilität der demokratischen Ordnung und zum anderen aufgefordert, sich rechten Einstellungen entgegenzustellen.
In der anschließenden Diskussion kamen die Referent_innen der Moderation von Jeanette Kuhn über ausgewählte Ergebnisse der aktuellen Mitte-Studie der FES ins Gespräch. Dabei stand im Fokus, was sie für vor Ort bedeuten und welche Lehren für eine starke Demokratie daraus gezogen werden müssen.
Serdar Yüksel MdL, Vorsitzender des Petitionsausschusses im Landtag NRW und Mitglied im Aufsichtsrat der UNO-Flüchtlingshilfe zeigte sich beunruhigt, weil rechte Einstellungen und Rechtsextremismus in den letzten Jahren salonfähiger geworden seien. Das Thema werde noch immer ungerne diskutiert und selten in der Mitte der Gesellschaft gesucht. Dabei sei mit der AfD-Vertretung in allen Landtagen eine gutbürgerliche, intellektuelle und völkische Basis in den Parlamenten vertreten, die rechte Einstellungen im politischen Raum förderten. Die Entstehung einer politischen Stiftung der AfD, die staatlich finanziert antidemokratische Verachtung gegenüber dem Staat bewerben könne, beobachtet er mit Unwohlsein. „Die Mehrheit, die sich demokratisch positioniert bringt nicht gleichermaßen den Willen zum Widerstand“, stellte Yüksel fest. Er wünschte sich eine bessere politische Bildung in Deutschland, die einen Beitrag dazu leisten könne, die schweigende Mehrheit gegenüber dem Rechtsextremismus in Deutschland sichtbarer zu machen. „Die Demokratie kann nur fortbestehen, wenn wir uns um sie kümmern“, betonte er. Mit Blick auf die aktuellen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen positionierte er sich deutlich: Niemand kritisiere einen friedlichen Protest und das Demonstrationsrecht der Einzelnen. Wenn sich die Menschen jedoch nicht an die Regeln des Demonstrationsrechts hielten, plädiere er dafür, die Demonstration rigoros anzuhalten und aufzulösen. „Aus der Gesundheitskrise darf keine Demokratiekrise werden. Wir brauchen nicht nur den Aufstand der Anständigen, sondern mit Blick auf die Polizei auch den Aufstand der Zuständigen!“, so Yüksel.
Uli Borchers, Sprecher des Bochumer Bündnisses gegen Rechts betonte, dass rechte und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland bisher zu lange verharmlost worden seien. Im neuen Koalitionsvertrag stehe erstmals, dass der Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft die größte Gefahr sei. Diese Neueinschätzung auf politischer Ebene sei in direktem Zusammenhang mit der Arbeit verschiedener Gruppen und Initiativen zu sehen, die viele Jahre dafür gekämpft haben, wie Borchers beschrieb. Die Verharmlosung rechter Bewegungen und Bündnisse führe dazu, dass eben diese sich frei entwickeln können und so einen Platz in der Gesellschaft fänden. Ein ebenso eindrückliches wir bedrückendes Beispiel dafür sei die rechtsextreme und islam- und fremdenfeindliche Bewegung „PEGIDA“. Die Bündnisarbeit in Bochum bestehe aus viel Diskussion und Aushandlung. Die große Kunst bestehe darin, möglichst viele Menschen zu überzeugen, sich an einer Aktion zu beteiligen, was nicht immer einfach sei. Unstrittig sei bisher die Erinnerungsarbeit als eine wichtige Säule gewesen. „Man sollte sich vor Erinnerungsarbeit nicht scheuen. Man kann aus der Geschichte lernen und bekommt ein ganz anderes Gesellschaftsbild. Die Rechten dürfen nicht ohne Reaktion durch Bochum laufen. Dieser Standpunkt macht etwas mit der Stadtbevölkerung.“, betonte Borchers.
Zoubeida Khodr, Vorsitzende des Integrationsausschusses der Stadt Bochum und Vorstandsmitglied des Netzwerkes BONEM e.V.betonte, dass sich die Situation durch die Corona-Pandemie deutlich verschärft habe. Das soziale Miteinander, der Raum für menschliche Begegnungen fehle. Wichtig sei die Unterstützung und Weiterentwicklung von Konzepten und Strategien, die die Demokratie, besonders auch auf lokaler Ebene weiter stärken und fördern könnten. Sie berichtete von einer Impfkampagne, die Menschen im Stadtteil Wattenscheid in Bochum mit Hilfe von Impflots_innen informieren und von einer Impfung überzeugen solle.Das Projekt liefe gut an, es gäbe aber immer wieder auch Rückschläge, gerade wegen fremdenfeindlicher Angriffe auf die Lots_innen mit Migrationserfahrungen, die sich ehrenamtlich einbrachten.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Verteidigung und Stärkung der Demokratie eine kollektive Aufgabe bleiben wird. Uli Borchers betonte abschließend, dass rechtsextreme und rechtsradikale Einstellungen über die AfD in den Parlamenten ein Sprachrohr haben und das Ziel sein müsse, der Partei die Basis zu entziehen. Er betonte, dass solche Parteien nicht in Parlamenten vertreten sein dürften. Zoubeida Khodr forderte die neue Bundesregierung dazu auf, ihre Vorhaben zu realisieren und den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu forcieren. Serdar Yüksel schloss, indem er erinnerte, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland bereit wären für die Demokratie geradezustehen und dass wir dies nicht vergessen sollten.
Bild: Header Mitte Studie Online
Godesberger Allee 149 53175 Bonn Tel.: 0228 / 883 - 7202 Fax: 0228 / 883 - 9208
Schwanenmarkt 15 40213 Düsseldorf Tel.: 0211 / 436 - 375 63 Fax: 0211 / 436 - 381 48
Team & Kontakt