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„Demokratie braucht Demokraten!“
Dieses Zitat von Friedrich Ebert bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Und doch scheint es aktuell wichtiger denn je, sich diese einfache Wahrheit so oft wie möglich ins Gedächtnis zu rufen. Die Entwicklungen vieler liberaler Demokratien seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben dies deutlich gemacht. Ob der Sturm auf das Kapitol in den USA und auf den Reichstag in Deutschland im vergangenen Jahr oder die zunehmende Hinwendung von Teilen der Bevölkerung zu Verschwörungsideologien - all diese Phänomene zeugen von einer ernstzunehmenden Krise demokratischer Grundwerte. Vor diesem Hintergrund stand das diesjährige Münsterlandgespräch der Friedrich-Ebert-Stiftung am 27. Mai unter dem Motto „Demokratie braucht Demokraten - Unser Beitrag zu einer lebendigen Demokratie im Münsterland“.
Unter der Beteiligung von Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, André Stinka MdL, stv. Fraktionsvorsitzender im Landtag NRW, Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und interessierten Bürger_innen fand das Münsterlandgespräch pandemie-bedingt erstmals digital statt. Gwendolin Jungblut, freie Moderatorin, führte durch die Veranstaltung. Gemeinsam wurde die Krise der Demokratie aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und mögliche Wege diskutiert, das Vertrauen in demokratische Verfahren und Institutionen wieder zu stärken. Dr. Annika Arnold vom Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüßte die Teilnehmenden und sprach einführend von antidemokratischen Tendenzen, die sich zurzeit besonders in der sogenannten Querdenkenbewegung wiederfinden würden.
Bevor es mit dem Impulsvortrag von Anja Weber weiterging, gab André Stinka Einblicke in seine tägliche Arbeit als Landtagspolitiker und berichtete, wie sich in der letzten Zeit Anrufe von Wähler_innen häuften, die das Vertrauen in die politisch Verantwortlichen verloren hätten. Befeuert würde dies unter anderem durch rechtspopulistische Parteien, die Verschwörungsideologien bis in die Parlamente tragen.
„Es ist dramatisch, dass an unseren Schulen nicht vermittelt wird, wie Demokratie funktioniert.“ – Anja Weber, Vorsitzende des DGB in NRW
Anja Weber formulierte in ihrem Impulsvortrag die Krise der Demokratie – aber auch die Krise der Pandemie – aus Sicht der lohnabhängigen Arbeitnehmer_innen. Als wichtige Stellschraube zur Stärkung demokratischer Werte sieht sie vor allem Anstrengungen im Bildungsbereich. Kinder müssten schon in der Schule lernen, wie demokratische Entscheidungsfindung funktioniert. Neben Defiziten der Demokratiebildung nahm auch die Demokratisierung der Wirtschaft einen wichtigen Teil in der Analyse Anja Webers ein. Nicht nur Tarifverträge und die Organisation in Gewerkschaften seien in diesem Zusammenhang wichtige Instrumente der Teilhabe, auch das Mitspracherecht von Arbeitnehmer_innen in den Unternehmen müsse gestärkt werden. Einen weiteren Grund für den Vertrauensverlust in die Demokratie sieht sie in der mangelhaften Repräsentation der Bevölkerung in den Parlamenten. Dort entspreche die Verteilung der Abgeordneten nicht dem Querschnitt der Gesellschaft. Außerdem sei es ein großes Problem, so Anja Weber weiter, dass das Wahrnehmen politischer Mandate besonders in der Kommunalpolitik in vielen Fällen nicht mit beruflichen Verpflichtungen vereinbar sei.
„Man muss über andere Formen der Beteiligung nachdenken.“ Matthias Löb, Direktor des LWL
Die anschließende Diskussion wurde eröffnet durch Matthias Löb. Der Direktor des LWL rief in Erinnerung, dass demokratische und solidarische Werte bereits vor der Corona-Pandemie unter Druck geraten waren, bspw. in der öffentlichen Auseinandersetzung um Geflüchtete oder die notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel. Antidemokratische Haltung und Diskursführung sind also keine Probleme, die erst seit dem Frühjahr 2020 existieren. Als Faktoren, die zu einer Schwächung der Demokratie geführt hätten, nannte er vor allem die wachsende Ungleichheit, diffuse und konkrete Zukunftsängste, die Verzerrung des öffentlichen Diskurses durch Fake-News sowie eine allgemeine Geringschätzung des demokratischen Wertekanons. Dieser Diagnose stimmte André Stinka zu, verwies aber auch auf die besonderen Umstände der Corona-Pandemie und deren Bedeutung für den Vertrauensverlust in die Demokratie. Arbeitnehmer_innen in systemrelevanten Berufen müsse die angemessene Wertschätzung entgegengebracht werden, auch jenseits der Pandemie. Sonst würden sich Menschen in diesen Tätigkeitsbereichen vergessen und missachtet fühlen, auch vom auf Mehrheiten und Kompromissen basierenden demokratischen System.
„Von Applaus allein kann man sich nichts kaufen.“ – André Stinka MdL, stv. Fraktionsvorsitzender im Landtag NRW
Ganz im Sinne demokratischer Teilhabe konnten sich auch die Teilnehmer_innen direkt in die Diskussion einbringen. Dabei wurden noch einmal neue Perspektiven betrachtet und weitere Themen angesprochen. So ging es neben bereits diskutierten Aspekten auch um die Themen Chancengerechtigkeit, das neue Versammlungsgesetz in NRW und den Kompromiss als Wesenskern der Konsensdemokratie. Einer der Teilnehmer_innen ging noch einmal auf die Rolle der Gewerkschaften ein und stellte die Frage, was diese gegen die schwindenden Mitgliederzahlen tun könnten. Als Gewerkschaftsmitglied schreibt er, ähnlich wie Anja Weber, der Organisation von Arbeitnehmer_innen einen hohen Stellenwert in der Stärkung der Demokratie zu. Anja Weber merkte daraufhin an, dass es ein Problem damit gebe, neue Mitglieder für die Gewerkschaften zu gewinnen. Matthias Löb und André Stinka machten dafür u.a. die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft verantwortlich. Ein weiteres Problem dieser Individualisierung, so André Stinka weiter, sei das Verhältnis der Gesellschaft zu den sogenannten Volksparteien. Diese würden es nicht schaffen, die Gesellschaft abzubilden. Betrachtet man die Entwicklung der Wahlbeteiligung und der Mitgliedschaften in Parteien in den letzten Jahrzehnten, scheint diese Schlussfolgerung durchaus logisch. André Stinka merkte zum Schluss der Podiumsdiskussion außerdem an, dass der Bildungshintergrund und der sozioökonomische Status eines Menschen zurzeit mehr denn je den Zugang zu demokratischer Teilhabe bestimmen würden. Menschen, die über einen hohen Grad an Bildung und einen hohen sozioökonomischen Status verfügten, seien in der Debatte meist überrepräsentiert. Auch Christian Schulze Pellengahr, Landrat des Kreises Coesfeld, schloss sich den Analysen seiner Vorredner_innen an, wies aber auch auf die Stärken der heutigen Demokratie hin. In Coesfeld habe er gesehen, wie solidarisch sich viele Bürger_innen in der Corona-Pandemie verhalten hätten, beispielsweise wenn es darum ging, Menschen in Quarantäne zu unterstützen oder Fahrgemeinschaften zum Impfzentrum zu organisieren.
Trotz der vielfältigen Zugänge zum Themenkomplex Krise der Demokratie konnten im Rahmen der Podiumsdiskussion wichtige Lösungsansätze erarbeitet werden. Alle Beteiligten waren sich einig darin, dass die Integration aller Teile der Bevölkerung in den demokratischen Prozess ein Weg aus der Krise der Demokratie darstellt. Es wurden verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, wie diese Integration aussehen könnte. Neben klassischen Formen der Partizipation wie etwa dem Engagement in Parteien müssten auch andere Formen politischer Teilhabe gefördert werden. Auch die Demokratisierung der Wirtschaft wurde als ein zentrales Element diskutiert. Über die Rolle der Bildung waren sich die Teilnehmer_innen ebenfalls einig, um es in den Worten Anja Webers zu sagen: „Demokratie muss gelernt werden, und zwar immer, täglich und bis ins hohe Alter.“
Der Programmflyer zum Download findet sich hier
Anja Weber
DGB-Vositzende NRW
André Stinka MdL
stv. Fraktionsvorsitzender im Landtag NRW und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Matthias Löb
Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Gwendolin Jungblut
Journalistin und Moderatorin
Begrüßung: Dr. Annika Arnold, FES Landesbüro NRW
Impulsvortrag: Anja Weber, Vorsitzende des DGB in NRW
Podiumsdiskussion:
Moderation: Gwendolin Jungblut, Journalistin und Coach, Agentur "The Leadership"
Bild: FES Header Muensterland 3 2 von FES
Veranstaltungsnummer: 253389 – als .ics herunterladen
Donnerstag, 27.05.2118:00-19:30 Uhr
Teilnahmepauschale keine
+++ ONLINE +++
Dr. Annika Arnold annika.arnold@fes.de
Kontaktanschrift
Friedrich-Ebert-StiftungLandesbüro NRWGodesberger Allee 14953175 BonnTel. 0228-883-7202, Fax 0228-883-9208
Anke Jörgensen Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro NRW Tel.: 0228 883-7207 Fax.: 0228 883-9208anke.joergensen(at)fes.de
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