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Neue Impulse für die Innere Führung, das Traditionsverständnis und die politische Bildung der Bundeswehr


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Die Innere Führung mit ihrem Leitbild des "Staatsbürgers in Uniform" ist ein Markenzeichen der Bundeswehr und hat zentrale Bedeutung für die Verankerung der Truppe in der Gesellschaft. In der Bundeswehr, wie in der deutschen Öffentlichkeit, ist seit 2017 eine kontroverse Debatte über das soldatische Selbstverständnis, über Fragen der Traditionspflege sowie über grundsätzliche Führungsfragen entbrannt.

Rückblick

Nachdem in den Jahren 2016 und 2017 die Bundeswehr durch dokumentierte Fälle von Mobbing, die Entdeckung von Wehrmachtsdevotionalien in einzelnen Kasernen und dem möglichen Bestehen von rechtsextremen Netzwerken wiederholt negativ in den Blickpunkt der medialen Berichterstattung gelangt war, entbrannte sowohl in der deutschen Öffentlichkeit, als auch in der Bundeswehr eine kontroverse Debatte über aktuelle Herausforderungen der Traditionspflege, über das Selbstverständnis der Bundeswehr und über grundsätzliche Führungsfragen. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurde das Programm „Innere Führung Heute“ gestartet, ein neuer Traditionserlass herausgegeben und beschlossen, die politische Bildung für Angehörige der Streifkräfte zu stärken. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen lud das Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung am 25. März 2019 zum Dialog mit hochrangigen Vertreter_innen der Bundeswehr, der Politik und der Wissenschaft ein.

Als Hauptredner formulierte zunächst Generalmajor Reinhardt Zudrop, Kommandeur des Zentrums für Innere Führung, eine Einschätzung aus Perspektive der Bundeswehr. Direkt zu Anfang seines Vortrages verwies er darauf, dass die öffentlich diskutierten Skandale aus seiner Sicht auf das menschliche Versagen einzelner Personen zurückzuführen seien und keinesfalls gleichbedeutend für ein Scheitern des Konzeptes der Inneren Führung stehen dürften. Das Konzept der Inneren Führung verfolge nämlich vier weitreichende Ziele, die durch die bedauernswerten und verurteilungswürdigen Taten Einzelner nicht zur Diskussion gestellt werden könnten: die Legitimation der Streitkräfte, die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft, die Motivation der Soldat_innen und die Sicherstellung soldatischer Ordnung. Insbesondere die Bedeutung des Integrationsaspektes hob der Generalmajor hervor. Es dürfe nicht zu einem Auseinanderdriften von gesellschaftlichen Entwicklungen und der Entwicklung der Bundeswehr kommen. Er unterstrich, dass das Konzept der Inneren Führung nicht im Widerspruch zu den Kernaufgaben der Streitkräfte stehe, sondern vielmehr eine notwendige Voraussetzung für diese sei. Das darin enthaltene Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ vereine letztendlich drei Persönlichkeiten: So stehe es zum einen für eine freie Persönlichkeit (1), deren letzte Entscheidungsinstanz das eigene Gewissen darstelle, für einen verantwortungsvollen Staatsbürger (2) sowie für den guten Soldaten (3), der seine soldatischen Pflichten und Aufgaben auf Basis einer guten Ausbildung erfülle.

Dementsprechend sei eine wertebasierte Führungskultur deutlich besser für dynamische Gesellschaften geeignet, als eine auf Regeln begründete. Aufgedeckte Missstände wiesen nicht auf ein Scheitern des Konzepts der Inneren Führung per se hin, sondern auf Defizite in dessen Umsetzung. Hinzukommend gehöre zu den aktuellen Herausforderungen der Bundeswehr die Schere zwischen einer steigenden Zahl an Aufträgen für die Bundeswehr bei zugleich knappen Ressourcen. Damit einhergehende Zentralisierungsprozesse hätten dabei unmittelbare Auswirkungen auf die Umsetzung der Inneren Führung, wenn in Zuge einer Überbelastung der Truppe nicht ausreichend Zeit für die Auseinandersetzung mit Fragen der Inneren Führung bereit stünden. Die zunehmende Überreglementierung des Militärs hemme das Potenzial der Truppe und sei eine nicht zu unterschätzende Belastung für die konsequente Umsetzung der Inneren Führung.

 Als Vertreter der Politik war Dr. Fritz Felgentreu, sicherheits- und verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu Gast. Er schloss sich hinsichtlich des Ressourcenmangels der Bundeswehr seinem Vorredner an und konstatierte, dass zusätzliche Investitionen in die Bundeswehr notwendig seien. In der Diskussion um den neuen Traditionserlass sei für ihn der entscheidende qualitative Fortschritt insbesondere die Feststellung, dass die Bundeswehr mit ihrer 60-jährigen Geschichte bereits selbst Tradition gestiftet habe. Dennoch beinhalte auch der neue Traditionserlass unauflösbare Widersprüche. So sei zwar einerseits offensichtlich, dass die Wehrmacht nicht traditionsfähig sei, andererseits komme man nicht umhin zu akzeptieren, dass bestimmte Technologien dort erstmals zum Einsatz kamen und beispielsweise die deutsche Panzertruppe dort ihren Ursprung habe. Zugleich verwies Felgentreu auf die Anziehungskraft einer Armee auf Bürger_innen, die autoritären und nationalistischen Gesellschaftsentwürfen potenziell offen gegenüber eingestellt seien. Die Prinzipien von ‚Befehl und Gehorsam‘, der Umstand, dass der Leitgedanke von Kameradschaft in der Truppe auch heute noch v.a. die Kameradschaft unter der Großzahl an männlichen Soldaten verkörpere sowie der Zugang zu Waffen seien nur einige Gründe dafür, dass spätestens mit Abschaffung der Wehrpflicht die Wahrscheinlichkeit gestiegen sei, als Bundeswehr auch politisch rechtsextrem eingestellte Personen anzusprechen. Die einzelnen Skandale der vergangenen Jahre bewertete Felgentreu auch als Ergebnis struktureller Defizite bei der Rekrutierung von Soldat_innen. Zugleich schloss er sich dem Generalmajor in der Einschätzung an, dass das Konzept der Inneren Führung keinesfalls gescheitert sei, sondern vielmehr noch weiter gestärkt werden müsse.

 Aus wissenschaftlicher Perspektive berichtete zuletzt Dr. Sabine Mannitz vom Leibnitz-Institut der Hessischen Friedens- und Konfliktforschung. Gerade durch den Funktionswandel der Bundeswehr von einer Abschreckungs- zu einer global und flexibel einsetzbaren Armee sähen sich die Soldat_innen einer Vielzahl von Herausforderungen ausgesetzt. So befänden sie sich in einem ständigen Spagat zwischen zivilen und militärischen Aufgaben, v.a. in ihren Auslandsmissionen. Für  Sabine Mannitz sei es unabdingbar, die politische Bildung für Soldat_innen zu stärken, um der steigenden Zahl an Anforderungen gerecht werden zu können. Die Erlangung interkultureller Kompetenzen sowie die Sensibilisierung für den zivilen Dialog seien absolut notwendig, um auch präventiv in den Einsätzen wirken zu können und das Binnenklima in der Truppe zu stärken.

In der abschließenden Podiumsdiskussion und der offenen Fragerunde kamen alle Podiumsteilnehmer_innen darin überein, dass auch die benötigte Zeit von Vorgesetzten für die Dienstaufsicht und die politische Bildungsarbeit eine zentrale Herausforderung für die Umsetzung der Inneren Führung darstellten. Zudem entkräfteten sie den Vorwurf, die Innere Führung sei ein Konzept für ‚Gutwetterzeiten‘, das im Einsatz nicht funktioniere. Vielmehr sei es für die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr von essentieller Bedeutung. Einigkeit bestand ebenso darin, dass politische Bildungsarbeit und der Erwerb von interkultureller Kompetenz nie davon ablenken könne, dass in den Ausnahmesituationen der Bundeswehreinsätze im Ernstfall der Einsatz von Waffengewalt unausweichlich sein könne. In Ausnahmesituationen, müssten Soldat_innen schnelle Entscheidungen treffen, in denen die Prinzipien der Inneren Führung längst verinnerlicht sein müssten. Die Diskussion machte deutlich, dass die Stärkung der Inneren Führung eine entscheidende Aufgabe für die Bundeswehr ist, die gemeinsam vom Zentrum für Innere Führung, Politik und Trägern politischer Bildung gemeinsam angegangen werden sollte.

 

Infos zur Inneren Führung unter: https://www.innerefuehrung.bundeswehr.de/

Text: Laura Wankelmuth

 

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