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Solidarität versus Egoismus? - Wohin steuert unsere Gesellschaft?


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Bild: FES LB NRW von FES LB NRW

Veranstaltungsbericht Online-Veranstaltung/LiveChat „Solidarität versus Egoismus? – Wohin steuert unsere Gesellschaft?“ 15.11.2021, 18.00 -20.00 Uhr

Welche Trends zu mehr oder weniger Solidarität gibt es aktuell in der Gesellschaft? Kann es sich überhaupt jeder leisten, solidarisch zu handeln und darf man auch mal egoistisch sein? Welche Rahmenbedingungen müssen schließlich von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geschaffen werden, um Solidarität zu ermöglichen? Diese und weitere Fragen wurden im Zuge der Online-Veranstaltung „Solidarität versus Egoismus?“ des Landesbüros NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt im ersten Corona-Lockdown und die Hilfsbereitschaft im Anschluss an die Flutkatastrophe sind Beispiele für gelebte Solidarität. Neben Freiheit und Gerechtigkeit ist Solidarität ein Grundwert der sozialen Demokratie. Gleichzeitig ist Solidarität zu einem Begriff geworden, der einerseits an Bedeutung gewonnen hat, über den andererseits aber auch intensiv debattiert wird. So stellt sich die Frage, ob unsere Gesellschaft mit all ihren derzeitigen Herausforderungen und vor dem Hintergrund zahlreicher Partikularinteressen überhaupt solidarisch sein kann.

Vivien Leue, Moderatorin der Veranstaltung, eröffnete die Runde mit der Feststellung, dass gerade in der Pandemie viel Solidarität gefordert werde und jeder Einzelne oft zwischen Solidarität und Egoismus abwägen müsse, was bereits der Ausgangspunkt für die spätere Diskussion war.

Zunächst aber hielt Foresight und Innovation Expertin Barbara Busse eine einleitende Impuls-Präsentation über die großen Zukunftstrends unserer Gesellschaft und welche Rolle Solidarität dabei spielt. Zu Beginn verwies sie auf die Alterung der Gesellschaft und betonte in dem Zusammenhang, dass „viel Solidarität der Generationen untereinander“ nötig sei. Als Positivbeispiel dafür nannte sie das Mehrgenerationenwohnen. Ein weiterer Bereich, den Barbara Busse hervorhob, ist die Sharing Economy. Sie verdeutlichte das enorme Wachstumspotential in diesem Wirtschaftsbereich und präsentierte „digitale Möglichkeiten, sich zu solidarisieren“, beispielsweise das Crowdfunding. Zudem sei die Mobilitätswende ein Aspekt, in dem Solidarität von Bedeutung sei, so Busse. Die Potenziale von Car-Sharing begründete sie mit der Prognose, dass Mobilitätsdienstleistungen in den nächsten Jahren stark zunehmen werden. Erik Flügge, Politikberater und Autor des Buches „Egoismus“, betonte im Anschluss an die Präsentation, dass es bestimmte Grundvoraussetzungen für die Teilhabe an den von Barbara Busse vorgestellten Trends gebe, nämlich „ein Leben in relativer Sicherheit, relativem Wohlstand und mit einer Perspektive.“ Seiner Ansicht nach treten Trends folglich in bestimmten Gruppen auf, was notwendigerweise zur Folge habe, dass andere zunächst ausgeschlossen werden.

Anja Butschkau, Landtagsabgeordnete und frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW, griff den Punkt auf und machte deutlich, „dass man sich Solidarität auch leisten können muss.“ „Menschen, die ums blanke Überleben kämpfen müssen, haben große Angst“ und könnten daher in finanzieller Hinsicht oftmals nicht teilen. Das mache allerdings diejenigen, die teilen, nicht automatisch zu besseren Menschen. Als essenzielle politische Maßnahme zur Verringerung der Schere zwischen arm und reich nannte sie den Mindestlohn als wichtiges Instrument, „um eine materielle Sicherheit herzustellen.“

Erik Flügge präzisierte, dass es sehr wohl in allen sozialen Lagen Solidarität gebe. So seien beispielsweise Sozialhilfenachbarschaften in sich sehr solidarisch, was jedoch nicht zu einem gesellschaftlichen Aufstieg der daran beteiligten Personen führe. „40 Prozent der Deutschen haben derzeit wenig bis keine Aufstiegschancen“, unterstrich er in dem Zusammenhang kritisch. Auch Anja Butschkau bilanzierte angesichts vorhandener sozialer Ungleichheit, dass soziale Schichten aufgeweicht und gegenseitige Rivalitäten abgebaut werden müssen.

Im weiteren Verlauf der Diskussion regte Vivien Leue unter Verweis auf das Buch von Erik Flügge dazu an, den Begriff des Egoismus genauer unter die Lupe zu nehmen. Erik Flügge erläuterte, dass Egoismus oft negativ konnotiert sei. Es sei aber „ein uralter Trieb“, der auch sehr produktiv sein könne. Er hob hervor, dass unsere Gesellschaft auf immer mehr Eigenverantwortung trainiert werde und folgerte, dass sich das Verhältnis von Eigenverantwortung und Solidarität derzeit in einer Schieflage befinde.

Die Frage des Umgangs mit moderner Technik und neuen Medien beantwortete Barbara Busse, dass es zwar wünschenswert wäre, wenn sich jeder aktiv mit diesen Dingen beschäftigen würde, aber manche bräuchten Hilfe. Hilfsangebote für Senior_innen im Umgang mit moderner Technik haben einen solidarischen Charakter.

Eine Frage aus dem Chat lenkte das Gespräch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie zu einem sehr aktuellen Thema: „Sollen wir Solidarität gegenüber Unsolidarischen zeigen?“ Erik Flügge bezog diese Frage auf die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung zwischen Geimpften und Ungeimpften. Problem sei dabei auch, dass jede der beiden Gruppen die jeweils andere als unsolidarisch bezeichne. Selbstverständlich könnten auch ungeimpfte Personen untereinander solidarisch seien: „Da ist man in einer gesellschaftlichen Konfrontation gefangen zwischen zwei unterschiedlichen Selbstwahrnehmungen als solidarisch.“ Auch Anja Butschkau beschrieb ein Dilemma bezüglich der Impfungen gegen das Corona-Virus: „Mein Verständnis dafür, sich nicht impfen zu lassen, wird immer niedriger“, betonte sie einerseits. Andererseits handele es sich beim Impfen aber um eine sehr individuelle Entscheidung. Die 2-G-Plus-Regelungen in NRW erachtete sie daher als guten Kompromiss und sinnvolle Maßnahme im Umgang mit der Pandemie.

Zum Abschluss der Online-Veranstaltung wollte Vivien Leue von ihren Gesprächspartner*innen wissen, wo aus ihrer Sicht Eckpfeiler gesetzt werden müssen, damit Solidarität funktioniert und wo sie Handlungsbedarfe in der Gesellschaft sehen.

Erik Flügge unterstrich, dass Solidarität seiner Ansicht nach so wichtig sei, dass er es sogar akzeptieren würde, wenn der Staat allen Ungeimpften, die sich jetzt noch impfen lassen, hundert Euro auszahlen würde. „Das ist dieser Preis allemal wert, das ist echte Solidarität“, ergänzte er und betonte, dass eine solche Maßnahme wahrscheinlich politisch nicht durchsetzbar wäre.

Barbara Busse verwies bezüglich dringender Handlungsbedarfe konkret auf den schlechten Internetzugang in ländlichen Räumen und forderte, dass ein funktionierender Internetzugang Teil einer gesetzlich festgelegten Grundversorgung sein sollte.

Anja Butschkau nahm in ihrem abschließenden Statement eine allgemeinere Perspektive ein und hob hervor, dass „die Beseitigung von strukturellen Benachteiligungen der Schlüssel“ sei. Neben dem von Barbara Busse in den Fokus gerückten Problem des flächendeckenden Internetzugangs nannte sie die Bekämpfung von Kinderarmut und die Realisierung von Bildungsgerechtigkeit als weitere zentrale Herausforderungen. Dem Ehrenamt sprach sie eine besondere Bedeutung zu. Dieses zu fördern, „nicht nur finanziell, sondern auch wertschätzend“, sei unabdingbar. Ehrenamtlich Tätige seien wichtige Vorbilder für gelebte gesellschaftliche Solidarität. Dem konnten alle zustimmen.

Veranstaltungsbericht. David Schlingmann

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freie Plätze

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Termin

Montag, 15.11.21
18:00-19:30 Uhr

Teilnahmepauschale
keine

Veranstaltungsort

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Jeanette Rußbült

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Friedrich-Ebert-Stiftung
Landesbüro NRW
Godesberger Allee 149
53175 Bonn
Tel. 0228-883-7202, Fax 0228-883-9208


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