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Bild: von FES
Bild: von FES, Dirk Wiese
Bild: von FES, Thomas Westphal
Bild: von FES, Helmut Kreutzmann
Bild: von FES, Inge Blask
Bild: von FES, Gordan Dudas
Bild: von FES, Marlies Stotz
Bild: von FES, Nezahat Baradari
Die Auswirkungen der Corona-Krise gehen auch an Südwestfalen nicht spurlos vorüber. Die Folgen sind nicht alleine an gestiegener Kurzarbeit und angewachsenen Arbeitslosenzahlen abzulesen. Mitten im Strukturwandel stellt die Pandemie für die Region mit ihren fünf Kreisen eine zusätzliche Herausforderung von außerordentlich tiefgreifender Dimensionen dar, deren erfolgreiche Bewältigung weichenstellende Bedeutung für die Zukunft des Lebensraumes und Industriestandortes Südwestfalen haben wird.
Die Erörterung von Problemen sowie von Chancen und Perspektiven vor den Toren des Ruhrgebietes stand im Mittelpunkt der Südwestfalenkonferenz. Moderiert vom SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese diskutierten Bürger_innen mit Vertreter_innen aus Wirtschaft, Verwaltung, Gewerkschaft, Wissenschaft und Politik im virtuellen Raum multithematisch über Ansätze für neue Konzepte und Impulse zur Ausgestaltung struktureller Veränderungsprozesse.
So vielschichtig sich die Region darstellt, so breit gefächert waren unter dem Motto „Krise überwinden. Zukunft gestalten“ gleich vier Zukunftsforen unter der Leitung regionaler Bundestags- und Landtagsabgeordneter zugeschnitten: „Herausforderungen für Wirtschaft und Handwerk in Südwestfalen“ (Gordan Dudas MdL), „Situation des Einzelhandels – Innenstädte der Zukunft“ (Marlies Stotz MdL), „Klimawandel in Südwestfalen – Auswirkungen auf den Tourismus“ (Inge Blask MdL) und „Krankenhausversorgung in Südwestfalen“ (Nezahat Baradari MdB).
„Das Ziel“, beschrieb Sohel Ahmed aus dem Landesbüro NRW der gastgebenden Friedrich-Ebert-Stiftung in seiner Begrüßung zur zweiten Auflage der Südwestfalenkonferenz nach der Premiere 2019 in Lüdenscheid die Intention der Veranstalter, „das Ziel ist, in Südwestfalen eine Plattform und einen Raum zu schaffen, wo Zukunftsthemen der Region aufgegriffen werden.“
Wiese betonte anschließend, dass die ausgewählten Themen „und auch schon unabhängig von Corona beschäftigten und bereits längere Zeit schwelen“. Als Denkanstöße gab der Jurist den Teilnehmer_innen an den jeweiligen Panels konkrete Berührungspunkte in der Region zu den ausgesuchten Themen mit auf den Weg in jeweiligen Panels: „Die Zukunft der Wirtschaft ist besonders für die Automobilzulieferer wichtig. Für die Einzelhändler in unserer Region ist der Online-Handel eine große Herausforderung, und zugleich stellen sich Fragen zu möglichen Änderungen des Mietrechts zur Verhinderung von Geschäftsaufgaben. Der Klimawandel wird gerade uns noch in den nächsten Jahrzehnten, und im Bereich der Krankenhausfinanzierung muss beleuchtet werden, ob das zunehmende Renditestreben richtig ist.“
In Impulsvorträgen stimmten Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal und der Olsberger IG-Metall-Bevollmächtigte Helmut Kreutzmann auf die verschiedenen Foren ein. Beide setzten dabei jedoch themenübergreifende Akzente.
Westphal plädierte zur Lösung von Fragen in wirtschaftlichen und anderen Bereichen nachdrücklich für eine intensivere Vernetzung über regionale Grenzen hinaus. „Das Ziel muss doch sein, stärker aus der Krise herauszukommen, als wir es vorher waren. Dafür und für weitere Entwicklungen in unserem ganzen Bundesland sind Kooperationen von Dortmund, dem östlichen Ruhrgebiet und Südwestfalen wichtig“, sagte Dortmunds früherer Wirtschaftsförderer.
Einen solchen Zusammenschluss „als einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu begreifen“, sei die „richtige Antwort“ auf die Herausforderungen der Zukunft, warb Westphal für seinen Standpunkt: „Wenn wir aus einer gemeinsamen Perspektive heraus denken, haben wir echte Chancen, ein Wachstumskern in NRW und darüber hinaus zu sein.“
Dortmund durch seine starke Position im Technologie- und IT-Sektor sowie Südwestfalen durch seine stark industrielle Prägung mit Weltmarkt-Bezügen könnten eine Kombination bilden, „die es sonst in Deutschland gar nicht oder kaum noch einmal gibt. Die Verbindung von industrieller Basis und modernen Dienstleistungen kann uns für künftige Herausforderungen und für Arbeitsplätze wettbewerbsfähig halten“, erläuterte Westphal seine Grundidee.
Die „komplementäre Situation“ biete beste Voraussetzungen, „in neue Märkte hineinzuwachsen und Entwicklungen voranzubringen, bei denen „Digitalisierung keine Bedrohung sein muss, sondern durch Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen und Reintegration von ausgelagerten Wertschöpfungsketten in Produktionsprozesse neue Arbeitsplätze entstehen, die wir in der ersten Globalisierungsstufe verloren haben“.
Zur Forcierung seiner Kooperationspläne kündigte Westphal für das Frühjahr 2021 eine „westfälische Wirtschaftsinitiative“ an: „Wir wollen ein wichtiges Signal dafür setzen, dass wir ein Wirtschaftsfaktor sind, den man in NRW nicht übersehen kann und der besser ist als in Düsseldorf wahrgenommen“, sagte der frühere Juso-Bundesvorsitzende und fügte augenzwinkernd hinzu: „Als Westfalen sind wir ja bekannt dafür, die Versprechen der Rheinländer einzuhalten.“
Auch Kreutzmann sieht in Transformation und digitalisierten Arbeitsplätzen „Riesenpotenzial und große Zukunftschancen“. Allerdings mahnte der Gewerkschafter, dass die Entwicklung „von Unternehmen nicht nur genutzt werden darf, ihren Wohlstand zu mehren und Angriffe auf die Gesetzgebung und Mechanismen zum Schutz der Arbeitnehmer zu starten“.
Vor dem Hintergrund des Arbeits- und Fachkräftemangels gerade in Südwestfalen gehört für Kreutzmann die Transformation von Arbeit untrennbar mit der (weiteren) Qualifikation der Menschen für die Aufgaben der Zukunft und ihre Absicherung durch verlässliche Arbeitsverhältnisse verbunden: „Das muss dringend diskutiert werden.“ Gleiches gelte wegen der großen Bedeutung für den regionalen Arbeitsmarkt auch für eine moderne Infrastruktur mit guten Lösungen für einen interregionalen ÖPNV und ein angepasstes Verkehrswegenetz.
Für erfolgreiche Innovationen und Transformation, schloss Kreutzmann, seien „zeitnahe Umsetzungen von Ideen“ unverzichtbar. Eine bedeutsame Gemeinschaftsaufgabe nannte der Arbeiter_innenvertreter, „dabei die Menschen mitzunehmen, ihnen zuzuhören, Ängste zu nehmen und Maßnahmen zu erklären“. Insbesondere beim Thema Qualifikation müssten „alle daran arbeiten“.
Ans Werk machten sich anschließend die separaten Zukunftsforen. Nach Westphals und Kreutzmanns Vorlagen sowie themenbezogenen Referent_innen-Vorträgen arbeiteten die vier Kreise vielschichtige Problemanalysen und Ansätze für Lösungen heraus.
Wie auch die weiteren Foren-Leiter_innen unterstrich Dudas die Bedeutung einer besseren Vernetzung für Wirtschaft und Handwerk in Südwestfalen zur Förderung internationaler Konkurrenzfähigkeit. Dazu gehöre die Nutzung von regionalen Vorzügen und möglicher Synergieeffekte ebenso wie die Behauptung angestammter Kompetenzen. Digitalisierungsprozesse dürften „nicht zügellos“ voranschreiten und müssten „ein menschliches Antlitz“ erkennen lassen. Zur Steigerung der regionalen Attraktivität für junge Menschen und mithin begehrte Arbeitskräfte forderte Dudas einen Ausbau des Bildungsstandortes auf allen Ebenen und der Infrastruktur in diversen Bereichen. „Wir müssen uns zum Ziel setzen, eine Modellregion zu werden.“ Für dahingehende Fortschritte auf diesen Feldern bezeichnete Referent Prof. Dr. Voker Wulf von der Universität Siegen als Voraussetzung, dass „bestimmte Entwicklungslinien parteiübergreifend konfliktfrei gestellt werden“.
Den Vernetzungsgedanken griff auch Stotz auf. Für eine verbesserte Situation des Einzelhandels und damit auch der Innenstädte müsse mit allen Akteuren gemeinsam an mehreren Stellschrauben gedreht werden, führte die Betriebswirtin aus. Das gelte sowohl für mehr Lebensqualität in den Stadtkernen durch ein verbreitertes Angebot als auch für den Handel, der sich einerseits besser auf seine Konkurrenz im Internet einstellen müsse und andererseits flankierende Maßnahmen seitens der Verwaltungen (Stichwort Parkgebühren) und auch von den Besitzern ihrer Ladengeschäfte (Stichwort Mietkosten) benötige. „Wenn unsere Städte auch in 20., 30 Jahren noch attraktiv sein sollen, brauchen wir intelligente Verknüpfungen“, bilanzierte Stotz.
Bei dem vor Corona dominierenden Thema Klimawandel formulierte Blask ein ambitioniertes Ziel: „Wir wollen die nachhaltigste Region in Deutschland werden.“ Die 61-Jährige unterstrich den Ehrgeiz mit dem allgemeinen Trend zu Outdoor-Aktivitäten im Sommer und die Chance zur Entwicklung der Region als Alternative zum Kurzurlaub in den Alpen im Winter durch die sinkende Zahl von Schneetagen. Die buchstäbliche Neuerfindung Südwestfalens erfordere indes verstärkt konzertierte Bemühungen um den Ausbau nachhaltiger Energien etwa durch Windkrafträder auch in den aufzuforstenden Wäldern der Region und zukunftsorientierte Mobilitätskonzepte zur Steuerung erhoffter Touristenströme.
Mit Blick auf die erhoffte Tourismusattraktion sowie den Industrie- und Wirtschaftsstandort gleichermaßen hält Baradari die medizinische Versorgung für unabdingbar: „Das ist ein Schlüsselfaktor“, sagte die Ärztin und betonte ebenfalls den Stellenwert vernetzter Maßnahmen: „Dafür ist wichtig, übergreifend zu denken und zu handeln.“ Der sich abzeichnenden Unterversorgung der Region mit Haus- und Fachärzt_innen könne in diesem Zusammenhang durch die Bildung von medizinischen Versorgungszentren in Krankenhäusern mit Haus- und Fachärzt_innen entgegengewirkt werden. Dabei „müssen wir die medizinische Daseinsfürsorge mit einer ortsnahen Regel- und Grundversorgung im zentralen Fokus behalten“, mahnte Baradari. Schließlich sei schon jetzt „eine zunehmende Ökonomisierung der Medizin“ festzustellen: „Die Kliniken stehen im Wettbewerb, so dass der Sicherungsauftrag sich im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Patientenversorgung bewegt.“
Wiese wertete die Südwestfalenkonferenz in seinem abschließenden Fazit alleine wegen der vielfältigen Foren-Resultate als Erfolg. „Es ist sehr deutlich geworden, dass in dieser vielseitigen Region der Fokus nicht einseitig nur auf einen Schwerpunkt gelegt werden sollte. Eindeutig wird Vernetzung in vielen Bereichen ein wichtiges Thema bleiben. Die Vorteile von Kooperationen liegen, wie auch Thomas Westphals angekündigte Initiative zeigt, auf der Hand.“
Text: Dietmar Kramer, Journalist
Redaktion: Landesbüro NRW
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