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Bild: FES
„Die Verwaltung ist das Gesicht unseres Staates und sollte daher die Vielfalt der Gesellschaft wiederspiegeln“, betonte Henriette Kiefer vom Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert Stiftung, als sie die Gäste zur Veranstaltung im Haus der Universität in Düsseldorf begrüßte. Diese Repräsentation sei besonders wichtig, um die Identifikation der Bürger_innen mit dem Staat und seinen Institutionen zu fördern. Um herauszufinden wie die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Diensts, insb. der öffentlichen Verwaltung, gelingen kann, hat die Friedrich-Ebert Stiftung das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin mit der Durchführung der Studie „Ein Zeitfenster für Vielfalt“ beauftragt.
Dr. Anne-Kathrin Will, eine der Autor_innen der Studie, stellte in ihrem Impulsvortrag die Hintergründe und Ergebnisse der Studie vor. Die öffentliche Verwaltung stehe vor der Herausforderung, dass sie in den Jahren 2019 bis 2036 rund die Hälfte ihrer Beschäftigten verlieren werde, da die „Babyboomer“ der Geburtsjahrgänge 1954 bis 1969 in den nächsten 15 Jahren das reguläre Renteneintrittsalter erreichten. Entsprechend öffne sich in dieser Zeit ein Fenster für Neueinstellungen, in dem migrationsbedingte Vielfalt explizit berücksichtigt werden könne, um die Repräsentanz aller Bevölkerungsteile zu erhöhen. Das sei nötig, da vor allem Menschen mit Migrationshintergrund bislang stark unterrepräsentiert seien: Obwohl sie 22% der Erwerbsbevölkerung ausmachten, stellten sie nur knapp 6% der Mitarbeiter_innen in der öffentlichen Verwaltung. Um diesen Anteil zu erhöhen, solle eine Reihe von Handlungsempfehlungen umgesetzt werden:
Auch die darauffolgende Diskussion, die von Dr. Carmen Colinas vom Netzwerk Neue deutsche Medienmacher moderiert wurde, thematisierte die Frage, wie genau die Verwaltung interkulturelle Öffnung fördern könne.
Ibrahim Yetim, Mitglied der SPD Landtagsfraktion und integrationspolitischer Sprecher, benannte das Problem eingangs konkret und führte aus, dass Personaler sich in ihren Entscheidungen oft von äußeren Merkmalen wie dem Namen oder Aussehen von Bewerber_innen beeinflussen ließen. Daher brauche es Mechanismen wie anonymisierte Bewerbungen, um Chancengleichheit und Objektivität bei Bewerbungen sicherzustellen.
Von vielen Bemühungen, mehr Auszubildende mit Migrationshintergrund in die öffentliche Verwaltung zu bringen, berichtete Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW. In Köln sei es durch fortwährende Anstrengung gelungen, den Anteil unter den Ausbildenden auf 30% zu heben. Er forderte, Jugendliche mit Migrationshintergrund als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft zu akzeptieren, ihre Qualifikationen anzuerkennen und ihre Potenziale zu nutzen. Die Verwaltungen müssten sich öffentlich dazu bekennen, Menschen jeglicher Herkunft einstellen und fördern zu wollen, um vor allem Jugendlichen die Möglichkeit einer Karriere in der Verwaltung vor Augen zu führen. Vor allem müsse aber der Mechanismus durchbrochen werden, freie Stellen vor allem mit Hilfe privater Netzwerke zu vergeben.
Stefan Ferber, Leiter des Amtes für Personal der Stadt Düsseldorf, stellte heraus, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine stärkere Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund bereits vorhanden seien, dass sich allerdings sowohl die Führungskultur, als auch die Haltung von Führungskräften gegenüber Mitarbeiter_innen mit Migrationshintergrund verändern müssten. Als positives Beispiel nannte er die Stadtverwaltung Düsseldorf, die ein Werte- und Kompetenzmodell verabschiedet hat, das Diversity-Management als Querschnittsaufgabe in der Stadtverwaltung verankert. Darüber hinaus würden Fortbildungen zur Sensibilisierung von Führungskräften in der Verwaltung verpflichtend angeboten.
Die Bedeutung von Weiterbildung und Qualifizierung unterstrich auch Maria Wigbers von der Initiative Arbeit und Leben DGB/VHS NRW e.V. Ihr war es aber auch wichtig, dass die Repräsentation von Vielfalt in der Verwaltung nicht allein aus strategischen Gründen zur besseren Erreichung diverser Kundengruppen gefördert werden sollte. Vielfalt werde als Wert an sich in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefordert. Unter Führungskräften und Mitarbeitenden herrschten aber mitunter Vorurteile und Stereotypen, die abgebaut werden müssten. Parallel zu Schulungen und Weiterbildungen könnten ihrer Meinung nach dann auch verbindliche Zielwerte und Quoten eingeführt werden sowie vielfältig besetzte Auswahlkommissionen bei Einstellungsverfahren.
In der Diskussion mit dem Fachpublikum, in dem u. a. viele Integrationsbeauftragte saßen, wurde deutlich, dass die zu bohrenden Bretter in der öffentlichen Verwaltung immer noch dick sind. Auch nach ca. 20 Jahren, in denen das Thema der interkulturellen Öffnung bearbeitet werde, gebe es noch große Vorbehalte oder werde das Thema einfach ignoriert. Um die Forderungen nach interkultureller Öffnung langfristig „in den Köpfen“ von Mitarbeiter_innen zu verankern, brauche es regelmäßige und verpflichtende Fortbildungen sowie Schulungen zu institutionellem Rassismus und die Sensibilisierung auf allen Ebenen, auch der Politik. Außerdem müssten Konzepte entwickelt werden, damit People of Colour, die den Sprung in die Verwaltung geschafft hätten, sich in einem vorwiegend weißen Arbeitsumfeld auch etablieren könnten. Ansonsten würden viele dieser Mitarbeiter_innen nach kurzer Zeit wieder gehen. Einig war man sich auch darin, dass es Vorbilder brauche, um Vielfalt in der Verwaltung zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Tayfun Keltek appellierte am Ende der Veranstaltung an alle Anwesenden, im Zuge der momentanen Novellierung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes Briefe an die Landesregierung zu schreiben, um diese aufzufordern, das Gesetz im Sinne einer chancengerechten und rassismuskritischen Gesellschaft zu überarbeiten.
Text: Sonja Neitzke
Redaktion: Henriette Kiefer
hier gehts zum weiterdenken 06/2024: "Migrations-wer-wie-was? Zur Notwendigkeit eines Wandels in Politik und Forschung"
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