Die FES wird 100! Mehr erfahren

Zukunftsperspektiven schaffen für die Transformationsgesellschaft

15. Februar 2022 | 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr - Liveübertragung Zeche Zollverein Essen

 

Nordrhein-Westfalen ist im Umbruch. Tiefgreifende Transformationsprozesse - vor allem durch Klimawandel und Digitalisierung - verändern unser Leben, unsere Arbeit, unser Bildungs- und unser Wirtschaftssystem. Dabei profitiert NRW von den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte, in denen es enorme Wandlungsfähigkeit bewiesen hat. Soziale Gerechtigkeit war dabei stets entscheidend für erfolgreichen Wandel. Sie muss auch Prämisse bei der Gestaltung der aktuellen Umbrüche sein.

 

Wie kann eine dem Klimawandel entgegenwirkende Erneuerung der Wirtschaft in NRW so gestaltet werden, dass soziale Gerechtigkeit gestärkt wird? Welche sozialen und ökologischen Innovationen braucht es, um den Industriestandort NRW zukunftsfähig zu machen? Wie sieht die Arbeitswelt von Morgen aus? Was sind die Berufe der Zukunft? Welche Anforderungen ergeben sich dadurch an unser Bildungssystem? Was muss Politik jetzt tun?


Diese Fragen sollen dabei im Zentrum unserer Debatte mit Akteur_innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik stehen. Die Veranstaltung findet online statt, das Programm finden Sie hier. Wir freuen uns auf Sie!

 


Tom Hegermann

Tom Hegermann

Freier Moderator
Dr. Rasmus C. Beck

Dr. Rasmus C. Beck

Geschäftsführer Duisburg Business & Innovation GmbH

 

Karola Geiß-Netthöfel

Karola Geiß-Netthöfel

Regionaldirektorin Regionalverband Ruhr
Daniel Bröckerhoff

Daniel Bröckerhoff

Journalist
Thomas Kutschaty

Thomas Kutschaty

SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag NRW
Prof. Dr. Sabine Pfeifer

Prof. Dr. Sabine Pfeifer

Universität Nürnberg-Erlangen / Mitglied im Rat der Arbeitswelt
Prof. Dr. Manfred Fischedick

Prof. Dr. Manfred Fischedick

Wissenschaftlicher Geschäftsführer Wuppertal Institut
Garrelt Duin

Garrelt Duin

Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln
Knut Giesler

Knut Giesler

IG Metall Bezirksleiter NRW
Bent Freiwald

Bent Freiwald

Krautreporter
Ansgar Fendel

Ansgar Fendel

Geschäftsführer REMONDIS
Pauline Brünger

Pauline Brünger

Sprecherin Fridays For Future
Shary Reeves

Shary Reeves

Journalistin, Autorin, Schauspielerin
Sarah Philipp

Sarah Philipp

Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Landtag NRW
Dr. Marc Bovenschulte

Dr. Marc Bovenschulte

Institut für Innovation und Technik, Berlin / Projektleiter Strategische Vorausschau BMAS
Britt Lorenzen

Britt Lorenzen

Freie Moderatorin
Martin Schulz

Martin Schulz

Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung
Sally Lisa Starken

Sally Lisa Starken

Podcasterin und freie Journalistin
Sandra Parthie

Sandra Parthie

Leiterin des Brüsseler Büros, Institut der Wirtschaft

Videos

Fotos

Veranstaltungsbericht

NRW/andel – Zukunftsperspektiven schaffen für die Transformationsgesellschaft

Nordrhein-Westfalen ist im Umbruch. Tiefgreifende Transformationsprozesse – vor allem durch Klimawandel und Digitalisierung – verändern unser Leben, unsere Arbeit, unser Bildungs- und unser Wirtschaftssystem. Dabei profitiert NRW von den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte, in denen es enorme Wandlungsfähigkeit bewiesen hat. Soziale Gerechtigkeit war dabei stets entscheidend für erfolgreichen Wandel. Sie muss auch Prämisse bei der Gestaltung der aktuellen Umbrüche sein. Wie kann eine dem Klimawandel entgegenwirkende Erneuerung der Wirtschaft in NRW so gestaltet werden, dass soziale Gerechtigkeit gestärkt wird? Welche sozialen und ökologischen Innovationen braucht es, um den Industriestandort NRW zukunftsfähig zu machen? Wie sieht die Arbeitswelt von Morgen aus? Was sind die Berufe der Zukunft? Welche Anforderungen ergeben sich dadurch an unser Bildungssystem? Was muss Politik jetzt tun? Diese Fragen standen im Zentrum unserer Veranstaltung am 15.02.2022, die live aus dem Oktogon in der Zeche-Zollverein in Essen übertragen wurde. Die Veranstaltungen zielte darauf ab, eine umfassende Zukunftsvision für Bildung, Arbeit und Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu entwerfen. In verschieden Panels diskutierten Akteur_innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik und formulierten im Dialog konkrete Handlungsempfehlungen zur Gestaltung der Transformation.  Die Veranstaltung wurde von Sally Lisa Starken, Podcasterin und freie Journalistin, und Daniel Bröckerhoff, freier Journalist, modertiert.

Die Veranstaltung wurde von Martin Schulz, dem Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung, eröffnet. In seiner Begrüßung führte er die Teilnehmer_innen direkt zum Kern der Diskussion: „Die Transformation betrifft uns alle“. Als eine der größten Herausforderungen in NRW nannte er die Notwendigkeit eines gelungenen Zusammenspiels von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Solidarität und Innovation. Alles Werte, mit denen das Hier und Heute überprüft werden und nach dem die Zukunft ausgerichtet werden sollte. „Damit die Transformation gelingen kann müssen die Menschen vor Ort zu Mitgestalter_innen werden“, betonte er. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz MdB, der mit einer Videobotschaft im Anschluss zugeschaltet wurde, machte deutlich, dass „nichts ohne diejenigen gelingen kann, die die Arbeit in den Betrieben leisten“. Für eine erfolgreiche Transformation sei es aus seiner Perspektive unerlässlich, dass Deutschland sich zu einem klimaneutralen Industrieland entwickelt, es eine neue Offensive für gute Bildung und qualifizierende Ausbildungsplätze gibt und der Respekt vor der Arbeit der Einzelnen groß geschrieben wird. Dier Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro sei nur ein erster Schritt in diese Richtung.

Transformationsdialog: Zukunft gestalten für NRW

Im Anschluss an die beiden Grußworte traten Thomas Kutschaty MdL, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag NRW und Shary Reeves, Journalistin, Autorin und Schauspielerin, in einen Transformationsdialog zum Thema: „Zukunft gestalten für NRW“. „Das Leben ist eine Frage der Formulierung“, betonte Shary Reeves und knüpfte damit an das Grußwort von Martin Schulz an. Für eine erfolgreiche Transformation müssten die Menschen in den Prozess der Veränderung mitgenommen, besser über Chancen und Risiken aufgeklärt und in ihren Ängsten ernst genommen werden. Sie müssten wieder zusammengebracht, Rücksicht, Achtsamkeit und Vielfalt als grundlegende Wert erneuert werden. Auch Thomas Kutschaty betonte gegenseitigen Respekt und Wertschätzung als Schlüssel zum Erfolg. Wandel und Transformation würden von vielen Menschen noch immer als Bedrohung wahrgenommen und daran müsse gearbeitet werden. Im Konkreten bedeute dies unter anderem eine höhere Wertschätzung von qualifizierenden Berufsausbildungen und ein Abbau von „Herkunftsschranken“ im Bildungsbereich. Dennoch dürfe nicht verschwiegen werden, dass Wandel mit Veränderung einhergehe. „Ich möchte Wandel, um unsere Gesellschaft besser, das heißt gerechter, sozialer und nachhaltiger zu machen. Aber wir müssen ihn so gestalten, dass Menschen etwas davon haben und ihn auch als Chance begreifen“, betonte er. „Wenn es uns allen gut geht, ist es so viel einfacher Türme zu bauen“, stimmte Shary Reeves in Form einer Metapher zu. Sie betonte zudem die Bedeutung der Problemursachen, die nicht aus dem Blickfeld geraten dürften. Symptombekämpfung sei keine langfristige Lösung für globale wie auch regionale und lokale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Der Transformationsdialog, machte deutlich, welche grundlegenden Weichen es zu stellen und immer wieder zu überprüfen gilt auf dem Weg zu einer Zukunftsvision für NRW, auf dem Weg des NRW/andels.

Panel 1: Wie gelingt Gute Arbeit? Bildungsgerechtigkeit und den Wandel der Arbeitswelt gestalten

Das erste Panel stand unter dem Motto „Wie gelingt Gute Arbeit? Bildungsgerechtigkeit und den Wandel der Arbeitswelt gestalten“. Unter der Moderation von Britt Lorenzen diskutierten Dr. Marc Bovenschulte, Institut für Innovation und Technik, Berlin und Projektleiter Strategische Vorausschau BMAS, Bent Freiwald, Krautreporter, Anna Mayr, Journalistin und Autorin und Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Universität Nürnberg-Erlangen und Mitglied im Rat der Arbeitswelt.

Das Panel startete mit dem Versuch einer Definition von „Guter Arbeit“. Dr. Marc Bovenschulte nannte gute Bezahlung, Unversehrtheit bei der Ausführung der Tätigkeit, gewisse Freiheiten und Entscheidungsmöglichkeiten, Partizipationsmöglichkeiten, Wertschätzung und Sinnstiftung der Arbeit als zentrale Aspekte. Prof. Dr. Sabine Pfeiffer ergänzte die Aufzählung um eine lernförderliche Arbeit, also die Möglichkeit sich selbst weiterzuentwickeln und einzelne Freiheiten im Handeln zu haben. Eine Stellschraube auf dem Weg zu dieser Form der Arbeit sieht Bent Freiwald in einer positiven Fehlerkultur. Wenn es um den Wandel der Arbeitswelt ginge, sei es wichtig bereits in den Schulen Fehler als Grundvoraussetzung des Lernens zu begreifen. Damit sprach er im Konkreten die Prüfungskultur und Notenvergabe als zwei zentrale Anknüpfungspunkte für die Politik im Bildungsbereich an.

Dass im Bildungssektor einiges getan werden muss, beispielsweise mit Blick auf die Finanzierung, oder aber auch hinsichtlich der Lehr- und Lerninhalte, da waren sich die Panelgäste weitgehend einig. Bildung allerdings als „Allheilmittel“ zu sehen, sei nicht unproblematisch, so Anna Mayr. „Der beste Weg reich zu werden, ist zu erben. Die meisten Kinder an Universitäten sind aus Akademikerhaushalten. Wir besteuern Einkommen höher als Vermögen.“ Sozialer Aufstieg sei schon lange nicht mehr von der eigenen, individuellen Leistung abhängig, sondern davon, aus welchem sozial-ökonomischen Umfeld, aus welcher Familie man komme, betonte sie. Das Bildungssystem tue aber noch immer so, als gäbe es einen gerechten Wettbewerb. Dass es sich dabei um einen Trugschluss handele sei eine notwendige Erkenntnis, die zu einem veränderten Blick auf das führe, was wir unter „guter Arbeit“ verstehen.

Auch arbeitslose und langzeitarbeitslose Menschen müssten stets mitbedacht werden. Die hohen Zahlen seien nicht wegen zu weniger Jobs oder zu schlechten Qualifizierungen, sondern maßgeblich aufgrund der Angst vor einem „malträtierenden System“ zustanden gekommen. An dieser Stelle müsste politisch angesetzt werden. Dazu müsste das Arbeitslosengeld erhöht und eine Kindergrundsicherung bis 25 Jahre eingeführt werden.

Mit Blick auf das Bildungssystem fiel auch die Zukunftsvision von Bent Freiwald eher ernüchternd aus: „Wir brauchen Lehrkräfte und Menschen in den sozialen Berufen. Ein so runtergerocktes System kann auch durch tausend tolle Ideen und Maßnahmen nicht gerettet werden“, stellte er fest. Prof. Dr. Sabine Pfeiffer sieht jedoch noch Möglichkeiten, dort anzusetzen. Schulen müssten in Zusammenarbeit mit denjenigen, die dort beschäftigt sind, zu modernen und lebendigen Orten des Lernens gemacht, und weiterhin als wesentliche Stellschraube begriffen werden.

Auch Dr. Marc Bovenschulte sah das alte sozialdemokratische Versprechen „Aufstieg durch Bildung“ noch nicht verloren. Aufgabe der Politik sei es allerdings, die Phrase wieder zu einem „lebendigen und ehrlichen Slogan“ zu machen. Die spannende und vielseitige Diskussion rund um die Frage, wie wir gute Arbeit definieren und wie wir für mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssektor sorgen können, machte noch einmal deutlich, dass es überaus wichtig sei, die Menschen mit an Bord zu nehmen, miteinander zu kooperieren und zu kollaborieren und die Kommunikation zu stärken und auch zu verändern - so, dass sie die Menschen auch erreicht. Diese „drei K´s“ können als Auftrag aus dem Panel auf die politische Ebene mitgenommen werden.

Panel 2: Sozial-ökologische Transformation für eine gerechtere Wirtschaftsordnung

Im zweiten fachspezifischen Panel unserer Veranstaltung wurde der Begriff der sozial-ökologischen Transformation, der bereits im Auftaktgespräch zwischen Thomas Kutschaty und Shary Reeves thematisiert wurde, noch einmal im Detail diskutiert. Unbestritten ist, dass eine nachhaltige Transformation aktiv von Gesellschaft und Politik gestaltet werden muss, damit während des Prozesses, soziale, wirtschaftliche und ökologische Interessen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Vor diesem Hintergrund wurde darüber debattiert, wie eine solche sozial-ökologische Transformation für eine gerechtere Wirtschaftsordnung gelingen kann. Welche Akteure müssen einbezogen werden? Welche Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen und welche Verantwortung tragen Unternehmen und trägt auch jeder Einzelne von uns? Wie können die Potenziale, die wir in NRW haben, am besten genutzt werden?

Direkt zu Beginn des Gesprächs warf Moderator Tom Hegermann die Frage auf, wie der Begriff der sozial-ökologischen Transformation mit Inhalt gefüllt werden könne. Dr. Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Duisburg Business and Innovation GmbH, betonte, dass es zentral sei, dass ein solcher Prozess zum Wohlstandsgewinn beitragen müsse. Gleichzeitig könne kein_e Akteur_in die damit verbundenen Ziele allein erreichen. Mit Blick auf das vom Strukturwandel geprägte Ruhrgebiet verwies Karola Geiß-Netthövel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr, auf die Transformationserfahrung der Metropole, forderte aber zugleich, „dass die Menschen auch mitgenommen werden“ müssen, um den aktuellen Wandel zu gestalten.

Dass NRW große Potenziale für die Mitgestaltung der Transformation hat, zeigt unter anderem ein Blick auf innovative Unternehmen. Ansgar Fendel, Geschäftsführer von Remondis, betonte in dem Zusammenhang den Beitrag von Recyclingprozessen für den Klimaschutz. Insbesondere in rohstoffarmen Regionen sei dies unumgänglich. Sandra Parthie, Leiterin des Brüsseler Büros des Instituts der Wirtschaft, hob mit Blick auf den notwendigen Klimaschutz hervor: „Klimawandel findet auch hier statt und wir müssen auch hier etwas dagegen tun.“ Somit könne man nicht die Verantwortung dafür von sich weisen und müsse stattdessen als Vorreiter in Europa und der Welt agieren.

Auf die Frage von Tom Hegermann, ob Unternehmen immer noch überwiegend einen Wandel hin zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bremsen würden, entgegnete Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertalinstituts, mit dem deutlichen Fazit, dass sich die Situation verändert habe. Folglich hätten viele Unternehmen anstatt zu bremsen, Verantwortung übernommen und die Umsetzung innovativer Ideen eingeleitet.

Eine daran anschließende Frage aus dem Chat, ob man für Nachhaltigkeit auf Wachstum verzichten solle, beantwortete Ansgar Fendel mit einem Blick auf die Voraussetzungen für Transformation: „Dafür brauchen wir Geld“, machte er deutlich, dass durch Wachstum generiertes Kapital die Grundlage sei, um die Transformation voranzutreiben. Rasmus Beck ergänzte, dass man stets „zum Wohle künftiger Generationen“ handeln müsse und dass Wachstum kein Gegensatz dazu darstellen dürfe.

Tom Hegermann lenkte das Gespräch anschließend auf die bereits zu Beginn erwähnten politischen Rahmenbedingungen, die als Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung gelten. „Natürlich brauchen wir öffentliches Geld“, erklärte Karola Geiss-Netthövel und verwies darüber hinaus auf die Notwendigkeit einer Planungssicherheit für Unternehmen. Gleichzeitig hob sie positiv hervor, dass viele Unternehmen bereit seien, einen solchen Weg des Wandels mitzugehen.

Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde immer wieder deutlich, dass Transformation über die politische Steuerung und wirtschaftliche Innovationen hinausgeht. So betonte Manfred Fischedick, dass auch eine gesellschaftliche Akzeptanz essenziell sei. „Wir müssen die Bürger mitnehmen“, unterstrich auch Karola Geiss-Netthövel. Eine Herausforderung, die dabei besteht, fasste Rasmus C. Beck zusammen: „Fortschritt bedeutet immer auch Eingriffe in den Lebensraum“, denen Bürgerinnen und Bürger naturgemäß zunächst skeptisch gegenüberstehen. Gleichzeitig war der Grundtenor der Gesprächsrunde, dass Verhaltensmuster nach dem sogenannten Not-in-my-backyard-Konzept (NIMBY) kontraproduktiv für eine sich im Wandel befindende Gesellschaft sei. „Es wird nicht immer ohne Probleme gehen“, stellte Sandra Parthie mit Blick auf verschiedene Interessen klar. Daran anschließend stellte Manfred Fischedick die Forderung an die Politik, den gesellschaftlichen Diskurs zu führen, zu moderieren und schließlich aber auch den Mut zu haben, zukunftsweisend zu entscheiden.

Ein möglicher Ansatzpunkt für die Politik sei laut Ansgar Fendel die Reformierung des Planungsrechts, um das seiner Ansicht nach immense Potenzial von NRW auszuschöpfen und beispielsweise Ideen für eine Kreislaufwirtschaft wie in seinem Unternehmen schneller umzusetzen. Auch Manfred Fischedick verwies auf das damit verbundene große Problem fehlender Zeit für die Gestaltung des Wandels. „Wir wollen eine grüne Industrieregion sein“, lautet mit den Worten von Karola Geiss-Netthövel schließlich das Ziel für NRW.

Auf die von Tom Hegermann abschließend gestellte Frage nach den nächsten Schritten für das Gelingen der Transformation antwortete Rasmus C. Beck erneut mit einer Forderung an die Politik nach Planungssicherheit. Sandra Parthie ergänzte, dass Investitionen und Innovationen ermöglicht werden müssen, um neue Geschäftsmodelle zu fördern, die die Zukunft prägen können. Karola Geiss-Netthövel betonte wiederum, dass eine gelungene Transformation nur dann möglich sei, wenn man sie gemeinsam mit allen zuvor genannten relevanten Akteur_innen gestaltet. Manfred Fischedick fand in Bezug auf die soziale Komponente der Transformation ein klares Schlusswort und bilanzierte: „Wir brauchen eine positive Geschichte, die in der Lage ist, die Menschen mitzunehmen.“

Abschlussdiskussion:

Weichen stellen für die Wende – Progressive Politik für die erfolgreiche Transformation


Unter dem Titel „Weichen stellen für die Wende: Progressive Politik für die erfolgreiche Transformation“ mit Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future, Garrelt Duin, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, Knut Giesler, IG Metall Bezirksleiter NRW und Karsten Rudolph, Landtagsabgeordneter für Bochum. Eröffnet wurde die Runde von Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die noch einmal betonte, dass die Transformation in alle Lebensbereiche greifen und damit für jede und jeden spürbar sein wird. Ziel müsse aus ihrer Sicht eine „just transition“, also eine sozial-ökologische und gerechte Transformation sein, die als weltweites und globales Projekt verstanden werden müsse. 

Pauline Brünger betonte die Notwendigkeit, die Klimakrise auf ein gerade noch erträgliches Maß zu begrenzen und alle anstehenden Veränderungen auf dem Pfad des 1,5 Grad-Ziels als Grundlage anzusiedeln. Sie forderte die Energiewende, die Verkehrswende und die Transformation der Industrie. Gelingen könne eine so massive Aufgabe nur im Miteinander und einem solidarischen Umgang mit den Herausforderungen. Garrelt Duin stimmte Pauline Brünger in allen Punkten zu und betonte, dass die Transformation für das Handwerk eine Wohlstandssicherung darstelle. „Photovoltaik installieren, Gebäude sanieren. Das sind alles Handwerker die das machen“, erläuterte er. Er wies aber auch darauf hin, dass die Gestaltung mit der Beteiligung des Handwerks stattfinden müsse.

Auch Karsten Rudolph betonte die Bedeutung der Transformation als Gemeinschaftsaufgabe. Wichtig sei es außerdem, auch in der Politik alle mitzunehmen. Deshalb brauche NRW ein Transformationskabinett, dass verschiedene Politikbereiche miteinander verbinde. „Auch die Politik muss sich transformieren. Sie darf nicht über Transformation sprechen und sich selbst dabei vergessen“, erläuterte er. Knut Giesler ergänzte die sozial-ökologisch Transformation um ein „demokratisch“ und machte damit die Position der Beteiligten und Betroffenen stark. Den Menschen müsse mehr Sicherheit gegeben, ihre Ängste ernstgenommen werden. Mit Blick auf die Beschäftigungssicherung forderte er ein Transformationskurzarbeitsgeld, mehr Mitbestimmung in den Betrieben und handlungsfähige Betriebsräte. Auf kommunikativer Ebene wünschte er sich, dass es gelingt aus den Zukunftsängsten der Menschen wieder Zukunftsperspektiven zu machen. Zukunftsängste seien auch etwas, das viele junge Menschen derzeit beschäftige, sprach Pauline Brünger anschließend an. „Zum ersten Mal haben wir jungen Menschen nicht mehr das Gefühl, dass wir es besser haben werden als unsere Eltern“, erklärte sie. Wichtig sei es ihrer Meinung nach, die Themen nicht gegeneinander auszuspielen. Die besorgten Beschäftigten im Bereich der Industrie stünden vielmehr mit den Klimaaktivist_innen auf derselben Seite. Als Gegner_in müssen ihres Erachtens die großen Konzerne gesehen werden, „die alles noch möglichst lange so lassen wollen, wie es gerade ist, um ihren Profit zu steigern“. Mit neuen Bündnissen und Schulterschlüssen könne auch neueren Herausforderungen begegnet werden, so schlug beispielsweise Garrelt Duin vorgeschlagen, Aktivist_innen von Fridays For Future in das Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer einzuladen und aufzuzeigen, welchen Beitrag das Handwerk für das Gelingen der Energiewende leisten kann und welche Jobs es dort gibt.

Das wäre auch ein Ansatz, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärke, so Duin. Bei dieser Aufgabe müssen auch die Gewerkschaften mit am Tisch sitzen, wie Knut Giesler betonte. „Die Transformation ist nur dann erfolgreich, wenn auch die Schwächeren davon einen Gewinn haben“. Es brauche verlässliche Qualifizierungsperspektiven und mehr als nur Bildungsgutscheine. 

Die Podiumsdiskussion machte ganz deutlich, dass es sich bei der sozial-ökologischen Transformation in NRW um eine sehr große, viele Lebensbereiche umfassende Herausforderung handelt und nicht mehr die Zeit bleibt, an einer Stelle zu beginnen, sondern vielmehr an allen Stellen gleichzeitig gearbeitet und der Wandel aktiv gestaltet werden muss, wie Pauline Brünger noch einmal aufzeigte. „In komplexen Gesellschaften gibt es nicht den einen Hebel“, betonte auch Karsten Rudolph. Garrelt Duin würde politisch im Bereich der Bildung „all in“ gehen Knut Giesler schloss mit den Worten: „Wir müssen eine positive Geschichte zur Transformation schreiben. Damit nehmen wir den Menschen die Ängste. Wir müssen sie gemeinsam gestalten“.  

Die Konferenz führte vor Augen, dass NRW die nötigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation erfüllt und einiges an Erfahrung diesbezüglich mitbringt. Nicht zuletzt der Veranstaltungsort, die Zeche-Zollverein stellte dies sinnbildlich dar. Deutlich wurde auch, dass die Transformation nur gestaltet werden kann, wenn miteinander gesprochen und sich gegenseitig Wertschätzung entgegengebracht wird. Auch die Ängste und Sorgen müssen ernst genommen und mit in die Diskussion eingebracht werden. Die eine klare Handlungsempfehlung für die Zukunft NRWs konnte an diesem Tag nicht formuliert werden. Sie brachte aber Menschen zusammen, die gemeinsam in eine Debatte eingestiegen sind, die uns auf dem Weg zum NRW/andel noch viele Jahre begleiten wird. 
 

nach oben