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Warum wächst das ausländische Interesse an den pazifischen Inselstaaten, und was bedeutet das ausländische Engagement für deren Zukunft.
Die pazifischen Inseln haben in letzter Zeit jede Menge Aufmerksamkeit von Australien, China und den Vereinigten Staaten erhalten. Obwohl die Gesamtbevölkerung aller 15 unabhängigen pazifischen Inselstaaten zusammen gerade mal auf 2,3 Millionen Einwohner geschätzt wird, sind die sie zu einem Schauplatz des geopolitischen Wettbewerbs geworden. Ende Mai 2022 widmete Chinas Außenminister Wang Yi fast eine ganze Woche dem Versuch, mit zehn pazifischen Inselstaaten in den Dialog zu treten und ein umfassendes Handels- und Sicherheitsabkommen mit ihnen zu schließen. Auch wenn die Gruppe Anfang Juni noch keinen Konsens erreicht hatte, war doch ein solider Grundstein für eine zukünftige Kooperation gelegt. Daneben unterzeichnete China auf derselben Reise eine ganze Reihe kleinerer bilateraler Übereinkommen. Inzwischen reiste die neue australische Außenministerin Penny Wong sofort nach ihrer Ernennung nach Fidschi, Samoa und Tonga, um die diplomatischen Interessen ihres Landes in Ozeanien zu sichern. Und im Juli trafen der australische Premierminister und seine neuseeländische Amtskollegin sich mit anderen Staats- und Regierungschefs zum Gipfel des Pacific Island Forum.
Alle pazifischen Inselnationen liegen in einer ähnlichen, aber strategisch wichtigen geographischen Region. Sie alle sind kleine, über den Pazifischen Ozean verstreute Inseln. Die meisten sind Entwicklungsländer, sie sind größtenteils bewaldet und haben nur begrenztem Zugang zu Bodenschätzen. Die Subsistenzlandwirtschaft ist weit verbreitet, Produktionskapazitäten sind größtenteils unterentwickelt und beschränken sich auf die Verarbeitung von Meeresfrüchten. Der Tourismus war bis 2019 für all diese Volkswirtschaften ein wichtiges Standbein, das in der COVID-19-Pandemie weitgehend weggebrochen ist. Die Asiatische Entwicklungsbank schätzt, dass der Tourismus bestenfalls 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird.
Im Zweiten Weltkrieg war die Region ein Schauplatz erbitterter Schlachten zwischen den Alliierten und Japan. Die Alliierten wollten verhindern, dass Australien und Neuseeland von den Versorgungslinien abgeschnitten würden und kämpften um eine starke Stellung in der Pazifikregion. Nach dem Sieg über Japan nahm die strategische Bedeutung der pazifischen Inseln im außenpolitischen Diskurs der Vereinigten Staaten mehr und mehr ab. Während des Kalten Krieges waren sie hauptsächlich berühmt für ihre sonnigen Strände und dafür, Standort für Atombombentests zu sein. Spätestens nach Ende des Kalten Krieges verloren die pazifischen Inseln endgültig ihre Bedeutung für die US-amerikanische Außenpolitik.
In dem Maße, wie das Interesse der USA an der Region schwand, begann China den Inselstaaten mehr und mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im Rahmen der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative) unterstützt China diverse Entwicklungsländer und gewährt ihnen Infrastrukturkredite zu niedrigen Zinsen. Die meisten Länder im Pazifischen Raum sind Entwicklungsländer mit schlechter Infrastruktur. Deshalb stellen die angebotenen Kredite eine dringend notwendige Hilfe für ihre Wirtschaftsentwicklung dar. Sie riefen jedoch auch diplomatische Bedenken hervor, denn mit der Initiative weitet Peking seinen Einfluss in der Region immer stärker aus. Manche Beobachter vertreten sogar die Auffassung, China nutze die Kreditvergabe, um die diplomatische Unterstützung, die Taiwan aus der Region erhält, weiter zu reduzieren. Mehrere Länder in Ozeanien (die Marschallinseln, Nauru, Palau und Tuvalu) haben Taiwan als souveränes Land anerkannt. Chinas Kontaktaufnahme und entwicklungspolitische Winkelzüge könnten jedoch dazu beitragen, die Unterstützung der Länder in der Region für die Unabhängigkeit Taiwans zu verringern.
Was westliche Beobachter jedoch am meisten beunruhigt ist die Gefahr, dass der Einfluss Chinas auf die pazifischen Inseln die Reichweite des chinesischen Militärs vergrößern könnte. Manche westliche Militärführer befürchten, dass ein stärkerer Einfluss Chinas in der Region zum Bau weiterer Militärbasen außerhalb des chinesischen Staatsgebietes führen könnte. Damit wäre Australien, ein unverzichtbarer Bündnispartner der USA im Pazifik, isoliert und von den Versorgungslinien aus Übersee abgeschnitten.
Angesichts steigender Machtrivalitäten in der Region werden die pazifischen Inseln wahrscheinlich zum Schauplatz eines intensiven diplomatischen Wettbewerbs unter genauer Beobachtung von Australien, China und den Vereinigten Staaten. Enge Verbindungen mit Peking ermöglichen den Inselstaaten gute Entwicklungschancen, ziehen aber gleichzeitig den Zorn der westlichen Verbündeten auf sich. Die wiederum umwerben die pazifischen Inselnationen ebenfalls und auch sie bieten ihre Hilfe bei der Entwicklung an und versuchen damit den chinesischen Einfluss zu minimieren. Bislang haben die pazifischen Inselstaaten selektiv die Pakete ausgewählt, die ihren Bedürfnissen am besten entsprachen, ohne sich verbindlich für eine Seite zu entscheiden. Aber dies wird angesichts der sich verstärkenden Spannungen voraussichtlich schwieriger werden.
Inmitten dieses Dilemmas sind viele pazifische Inselstaaten besorgt über die Auswirkungen des Klimawandels und den Anstieg des Meeresspiegels, die für sie eine unmittelbare existenzielle Bedrohung darstellen. Tatsächlich sagte Verteidigungsminister Inia Batikoto von den Fidschi-Inseln beim jüngsten Shangri-La-Dialog, dass die größte Bedrohung für die Region nicht ein Konflikt zwischen China und den USA sei, sondern die geopolitischen Auswirkungen des Klimawandels. Eine stärkere diplomatische Kontrolle könnte ihre Chance sein, Finanzierung für teure Klimaschutz-Infrastruktur wie Flutschutzmaßnahmen oder die Verstärkung von Betongebäuden zu erhalten.
Für die pazifischen Inselnationen beginnt eine neue, riskante und ungewisse Zeit. Während zwei geopolitische Supermächte einen Wettkampf um die politische Vorherrschaft in der Region beginnen, besteht für die Region als Ganzes das Risiko, in Konflikte hineingezogen, als Schachfiguren für größere globale Ambitionen benutzt oder schlimmstenfalls zum Schauplatz eines bewaffneten Konflikts zu werden. Die Wege für Diskussionen zwischen den USA und China scheinen sich immer mehr zu verengen, und es gibt immer weniger Möglichkeiten für beide Seiten, ihre Spannungen außerhalb der öffentlichen Regierungskanäle zu verringern.
Möglicherweise gibt es noch einen dritten, multilateralen Ansatz, mit dem die pazifischen Inseln ihre abgeschiedene Lage wirksam nutzen könnten. Sie könnten sich gleichberechtigt zusammenschließen und sich für ihre kollektive Entwicklung einzusetzen und so einen Regionalen Zusammenhalt erschaffen, der es ihnen ermöglicht eine neutrale Position zwischen den beiden Supermächten einzunehmen. Ihr Einsatz für höhere gemeinsame Ziele, Einheit und anhaltende Unterstützung eines Dialogs könnten Anlass zur Hoffnung geben.
David Lee Soong Wei ist derzeit Student des Masterstudiengangs Public Policies an der Lee Kuan Yew School of Public Policy der National University of Singapore. Von Mai bis Juli 2022 absolvierte er ein Praktikum im FES Büro für Regionale Zusammenarbeit in Asien.
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und entspricht nicht unbedingt der Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Erschienen im Original am 05.09.2022 in englischer Sprache auf asia.fes.de.
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