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Selbständige in der Corona-Krise

Interview mit Ralph Weinbrecht, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD

 

Lieber Ralph, du bist als Unternehmer selbst von der Krise betroffen. Wie wirkt sich die Corona-Pandemie konkret auf dein Unternehmen aus?

Ich bin Inhaber eines Handwerksbetriebs im Bereich Elektrotechnik mit neun Mitarbeitern. Unsere Produktpalette reicht vom Industrieservice über konventionelle Handwerkstätigkeiten bis hin zu Komplettangeboten im Bereich der regenerativen Energien. Wir sind seit Jahrzehnten erfolgreicher Ausbildungsbetrieb. Unsere Industriekunden haben alle Aufträge von heute auf morgen gecancelt, das trifft uns hart. Trotzdem geht es uns besser, als so manchem anderen Unternehmen, weil wir insgesamt breit aufgestellt sind. Außerdem gehören wir als Elektrotechnikunternehmen zu den systemrelevanten Unternehmensgruppen.

Als Vorsitzender der AGS vertrittst du ca. 27000 sozialdemokratische Selbständige und Unternehmer_innen aus unterschiedlichsten Branchen. Welche Rückmeldungen bekommt ihr aus der Mitgliedschaft über die aktuelle Lage? 

Für die Zulieferer der Automobilhersteller ist das existenzbedrohend, ähnlich auch für unsere Soloselbständigen im Bereich Kunst und Kultur, deren Einkommen weggebrochen sind. Auch selbständige Entwicklungshelfer haben von heute auf morgen kein Einkommen, die können ja nicht mehr reisen. Das Friseurhandwerk und die Gastronomie sowie die Reisebüros trifft es am härtesten, da sind wohl nach der Krise nicht mehr alle dabei.

Ihr seht euch auch als Stimme des Mittelstands in der Sozialdemokratie. Wie beurteilst du die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung für die Unternehmen?

Die Bundesregierung hat schnell reagiert und dabei auch unsere Vorschläge, die wir eingespeist haben, umgesetzt. Hierbei sind von den handelnden Ministern besonders Olaf Scholz und Hubertus Heil hervorzuheben. Es gab eine Lücke für Betriebe ab 11 Mitarbeitern bis 250 Mitarbeitern, die wurde aber schnell geschlossen. Was wir besser machen könnten wäre die Absicherung von Selbständigen gegen Arbeitslosigkeit, aber EU-weit. Damit wäre eine Beantragung der Grundsicherung nicht mehr erforderlich. Das ist einer unserer Vorschläge, die wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern – sozialdemokratisch orientierten Mittelstandsvereinigungen – entwickelt haben. Wir haben ein Papier dazu erstellt, das an die Verantwortlichen geschickt wurde. In manchen Bundesländern wie zum Beispiel Hessen bekommen Soloselbständige keine Unterstützung vom Land, hier muss nachgearbeitet werden. Ein anderes Problem sind die Banken die sich sehr mit der Kreditvergabe aus eigenen Mitteln zurückhalten und auf die Gelder der KFW verweisen, die wollen nicht ins Risiko für ihre langjährigen Kunden, mit denen sie jahrelang gutes Geld verdient haben.

Es stellt sich auch die Frage, ob die Hilfen wirklich zielgenau bei denen ankommen, die sie benötigen. Inwieweit sind Mitnahmeeffekte oder gar Betrugstatbestände ein Problem bei der aktuellen Krisenbewältigungspolitik?

Die Mitnahmeeffekte kann man am Jahresende über die Finanzämter hoffentlich zumindest teilweise wieder zurückholen, aber wenn es das Unternehmen nicht mehr gibt, weil die Unterstützung fehlte, wird das auch Arbeitsplätze kosten, das wäre schlimmer. Denn wer keinen Job mehr hat kann auch nicht investieren und schränkt sich beim Konsum ein. Die Binnennachfrage wird ein wichtiger Baustein für den Wiederaufschwung.

Vermutlich wird die Politik auch bald ein Konjunkturpaket auf den Weg bringen, um die Wirtschaft auch nach der unmittelbaren Krise zu stabilisieren. Was muss das Paket deiner Meinung nach beinhalten?

Wir brauchen hier ein Investitionsprogramm in die Infrastruktur, wie 2008, damit die Kommunen investieren können und wir endlich beim Glasfasernetzausbau vorankommen. Auch im Bereich energetische Gebäudesanierung sollten die Förderprogramme anlaufen, das nützt dem Handwerk, der Industrie und den Eigentümern und auch den Mietern.

Ein Blick in die mittelfristige Zukunft: Was muss eine Post-Corona Politik aus eurer Perspektive berücksichtigen? Welche Lehren kann und sollte die Politik aus dem bisher Erlebten ziehen?

Wir brauchen als Europa eine bessere Koordination der Maßnahmen für den Zivilschutz, dafür sollte eine schlagkräftige Organisation geschaffen werden. Und wir müssen uns fragen, was es uns wert ist, eine Grundproduktion von wichtigen Gütern in Europa zu haben. Hier könnte man beispielsweise an strategisch wichtige Schlüsselindustrien wie die Halbleiterbranche denken, aber natürlich auch unmittelbar sicherheitsrelevante Produkte wie medizinische Schutzausrüstung oder Medikamente. Wir sollten jetzt auch unbedingt darauf achten, dass es keinen Ausverkauf des Mittelstands gibt, der jetzt angeschlagen ist, denn ansonsten ist auch unser Wohlstand bald Geschichte. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.


Die Fragen stellte: Dr. Robert Philipps

 


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