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Was verrät uns die Coronakrise über Mittelamerika? Honduras oder der gebrochene Gesellschaftsvertrag

Die weltweite Pandemie hätte Honduras zu keinem schlechteren Zeitpunkt treffen können; ökonomischer, politisch, judikativ und gesundheitspolitisch.

Bild: Covid 19-Ausbruch in Honduras von Pino Martin Calix Contracorriente

Interview mit Hugo Noé Pino. Pino forscht an der Universidad Tecnológica Centroamericana (UNITEC). Er ist ehemaliger Finanzminister und ehemaliger Präsident der honduranischen Zentralbank.

Wie stellt sich die Corona-Pandemie in Honduras dar?

Diese weltweite Pandemie hätte Honduras zu keinem schlechteren Zeitpunkt treffen können. Aus ökonomischer Sicht verzeichnen wir derzeit eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Wuchs die honduranische Wirtschaft 2017 noch um 4,8 Prozent, fiel das Wachstum 2018 auf unter 3,7 Prozent und 2019 dann auf unter 2,7 Prozent. Jetzt gehen die Prognosen für 2020 wie in fast allen Ländern natürlich von einem Negativwachstum aus.

Abgesehen davon konnte auch die Politik die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes nicht verbessern. Das Steuersystem ist regressiv aufgebaut, so dass ein Großteil der Bevölkerung und insbesondere Menschen mit geringem Einkommen den Großteil der Steuern zahlen. Zudem gibt es Steuervorteile, die nicht nur die Produktion und die Erwirtschaftung von Devisen begünstigen, sondern vor allem Privilegien für bestimmte wirtschaftliche Gruppen darstellen. Hinzu kommt noch die insgesamt problematische soziale Lage, in der die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung 60 Prozent der Bevölkerung betreffen. Außerdem sind fast zwei Drittel der Bevölkerung arm. Etwa 40 Prozent der Menschen leiden sogar an extremer Armut.

Dazu kommen noch die enormen Probleme der Regierungsfähigkeit, die mangelnde Rechtsstaatlichkeit nach dem Wahlbetrug von 2017, bei dem der Präsident Juan Orlando Hernández unter offensichtlicher Missachtung der Verfassung unrechtmäßig wiedergewählt wurde, und die öffentliche Meinung im In- und Ausland zum Thema Korruption. Die Unterstützungsmission gegen Straflosigkeit und Korruption der Organisation Amerikanischer Staaten (MACCIH) war ein Lichtblick in diesem Kampf. Doch die korrupten Strukturen haben dafür gesorgt, dass die Mission Anfang dieses Jahres des Landes verwiesen wurde. Seitdem erleben wir, wie Abgeordnete und Funktionär_innen die kleinen Fortschritte mithilfe von Gesetzen und Gerichtsverfahren unter Beteiligung der Korruptionseinheit der Staatsanwaltschaft zurückgedreht haben. Daraus ergibt sich ein insgesamt äußerst komplexes soziales, politisches und wirtschaftliches Gefüge.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Krise?

Die Wirtschaft wurde schwer getroffen, wobei die Auswirkungen von drei Faktorenbeeinflusst werden: die Dauer und Reichweite der Pandemie; der Umstand, dass wie im Falle von Hurricane Mitch 1998 nicht nur Honduras von der aktuellen Wirtschaftslage betroffen ist, sondern die ganze Weltwirtschaft. (Da Honduras wirtschaftlich stark von den USA abhängig ist, kommt es auch darauf an, was dort passiert.) Und schließlich die Maßnahmen, die jetzt verabschiedet werden, um die Konjunktur anzukurbeln. Bislang ist die Wirtschaftspolitik insgesamt jedoch weder überzeugend noch glaubwürdig oder in sich stimmig.

Die Erwerbsbevölkerung in Honduras ist zu 70 Prozent in informellen Beschäftigungsverhältnissen tätig. Wenn dieser Sektor stillsteht, bedeutet das für die kleinen Selbstständigen, dass sie ihren Grundbedarf nicht mehr decken können. Der informelle Sektor zählt zu den am stärksten betroffenen. Natürlich wirkt sich die Pandemie auch auf den Export, die zwar nur leicht – aber bereits erkennbar – rückläufigen Auslandsüberweisungen von Familienangehörigen und die Auslandsinvestitionen aus. Letztere sind in den vergangenen Jahren bereits gesunken, was sich nun vermutlich noch beschleunigen dürfte.

Die kleinen und mittleren Unternehmen werden die größten Verluste verzeichnen. Die Großunternehmen und die Banken sind widerstandsfähiger, da sie über die Jahre genug Kapital angehäuft haben. Die komplizierte Lage in den Industrieländern wird vermutlich zu starken Verwerfungen im Finanzsystem führen wird. Der Steuerschock wird Honduras in eine schwierige Lage bringen.

Wie geht der honduranische Staat mit der Gesundheitskrise um?

Mit Blick auf die Gesundheitspolitik hätte man sich von der Regierung positive Signale an die honduranische Ärztekammer und andere Kritiker_innen erhofft. Man hätte den Expert_innen vertrauen sollen, die an vorderster Front kämpfen, und gemeinsam vereinbaren können, wie man der Krankheit begegnet. Stattdessen herrscht absolutes Sektierertum. Nur der engste Zirkel um Juan Orlando Hernández wird eingebunden. Andere Ansätze werden gar nicht erst berücksichtigt. Es mag unglaublich erscheinen, aber nicht mal die Oppositionsparteien durften sich an dem Dialog mit dem Präsidenten beteiligen. Das sind Parteien, die Abgeordnete im Nationalkongress haben. Das macht die Suche nach einem Konsens und nach einer einheitlichen Linie natürlich viel schwerer. Und das angesichts einer der schwierigsten Lagen, die Honduras in den letzten 100 Jahren zu bewältigen hatte.

*Das Interview wurde von der FES Honduras am 20. April 2020 geführt und ist eine Übersetzung aus dem Spanischen. Hier gelangen Sie zur spanischen Version.

In der deutschen Fassung verwenden wir eine geschlechtersensible Sprache.


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