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Das Thema Ganztag hat in den letzten Monaten an Fahrt aufgenommen. Es ist eines der zentralen Vorhaben der Großen Koalition. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass wir einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter bis 2025 schaffen wollen.
Bild: Dr. Franziska Giffey von FES
Für Finanzhilfen stellt der Bund in dieser Legislaturperiode 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Den dazu notwendigen Gesetzentwurf zur Errichtung des Sondervermögens hat das Bundeskabinett bereits im November 2019 auf den Weg gebracht. Die Regelungen zum Rechtsanspruch und für die Finanzhilfen an die Länder folgen noch in diesem Jahr.
Wir wollen den Rechtsanspruch im Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) verankern. Es sieht schon heute vor, dass die Kommunen ein angemessenes Betreuungsangebot in Tageseinrichtungen vorhalten müssen. Aber anders als im frühkindlichen Bereich gibt es für Grundschulkinder bislang keinen individuellen Rechtsanspruch. Im Rahmen der Änderung des SGB VIII fordern Länder und Kommunen eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten. Hier sind wir mit den Ländern und Kommunen in Gesprächen.
Fest steht: In fünf Jahren soll es den Rechtsanspruch geben.
Und wo stehen wir heute?
Aktuell werden bundesweit knapp die Hälfte der Grundschulkinder unter 11 Jahren ganztags in Ganztagsschulen und Horten betreut. Der Bedarf liegt bei 73 Prozent, Tendenz steigend.
Die Länder haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich Ganztagsschulen ausgebaut. 66 Prozent der Grundschulen sind bereits Ganztagsschulen. Das Angebot hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Und auch die Zahl der eigenständigen Horte ist gestiegen. Wir fangen also nicht bei null an.
Das Angebot vor Ort ist vielfältig: Manche Bundesländer setzen vor allem auf Ganztagsschulen, andere auf Horte und wiederum andere Länder haben einen Mix aus Angeboten. Diese Vielfalt wollen wir erhalten. So steht es auch im Koalitionsvertrag.
Klar ist aber auch: Ganztag in der Schule bedeutet nicht von 8 bis 14 Uhr, montags bis donnerstags. Und freitags ist schon um 13 Uhr Schluss. Sondern 8 Stunden, von 8 bis 16 Uhr, mit Mittagessen, an 5 Tagen in der Woche.
Oft stehen Erstklässler schon um 12 wieder vor der Haustür, mit leerem Magen, aber mit einem Ranzen voller unerledigter Hausaufgaben. Was heißt das für die Eltern? In aller Regel, dass nicht beide einer geregelten Arbeit nachgehen können.
Häufig sind es die Mütter, die im Job kürzertreten, weniger verdienen, schlechtere Aufstiegschancen haben, später weniger Rente haben. Sie sind es auch, die in den Unternehmen als Fachkräfte fehlen.
Der Ganztag ist deshalb nicht nur für Kinder, Familien und die Gleichstellung gut. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in der Studie „Fiskalische Wirkungen eines weiteren Ausbaus ganztägiger Betreuungsangebote von Kindern im Grundschulalter“ erst jüngst gefragt, was es für den Steuerzahler oder die Steuerzahlerin und für die Sozialkassen bringt, wenn wir die Ganztagsbetreuung an Grundschulen ausbauen.
Um das zu berechnen, hat sich das DIW die Effekte für die Berufstätigkeit von Eltern angeschaut, wenn die Betreuung der Kinder nach Schulschluss garantiert ist.
Die Studie des DIW rechnet in Folge des Ganztagsausbaus mit höheren Einnahmen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Und zwar mit Mehreinnahmen zwischen einer und zwei Milliarden Euro pro Jahr, wenn der Ganztag ausgebaut ist. Von diesen Mehreinnahmen würde zu ca. 80 Prozent der Bund profitieren.
Das heißt: Das DIW rechnet damit, dass sich der Ganztagsbetreuungsausbau in einem hohen Maß selbst finanziert.
Der bundesweite Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ist also ökonomisch sinnvoll, macht aber vor allem den Alltag von Familien planbarer und verlässlicher, gerade auch am Übergang von der Kita in die Grundschule.
Im letzten Jahr haben wir mit dem Gute-KiTa-Gesetz für mehr Qualität und weniger Gebühren in der Kindertagesbetreuung gesorgt. Mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022.
Die Länder verwenden die Mittel aus dem Gute-KiTa-Gesetz vor allem für die Qualität in den KiTas und in der Tagespflege: Zwei Drittel der bislang verplanten Mittel fließen in die Qualität, ein Drittel in die Beitragsentlastung.
Mit dem Gute-KiTa-Gesetz haben wir einen großen Schritt gemacht, um die Kindertagesbetreuung zu verbessern. Der Ganztagsausbau ist jetzt der richtige nächste Schritt, denn was nützt den Eltern die beste frühkindliche Betreuung in der KiTa, wenn es nach der Einschulung dann wieder keine Nachmittagsbetreuung gibt?
Wir brauchen den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Das ist nichts, was wir uns in der Berliner Blase ausgedacht haben und was mit der Lebenswirklichkeit der Menschen in anderen Teilen des Landes nichts zu tun hat. 82 Prozent aller Eltern bundesweit unterstützen den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Kaum ein anderes politisches Vorhaben erntet so große Zustimmung. Wir sehen diesen Bedarf.
Gleichzeitig ist auch klar: Es wird keine Pflicht zur Teilnahme am Ganztag geben. Das kann der Bund auch gar nicht einführen. Es geht darum, den Anspruch auf eine ganztägige Förderung von Grundschulkindern zu regeln.
In manchen Bundesländern liegt die Betreuungsquote bereits bei über 80 Prozent; in vielen Regionen liegt sie noch deutlich darunter. Ob Kinder ein verlässliches Ganztagsangebot haben oder nicht, darf aber nicht davon abhängen, wo man wohnt, ob in der Stadt oder auf dem Land, ob in Mecklenburg-Vorpommern oder in Baden-Württemberg. Deshalb ist der Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter auch ein Beitrag für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland.
Es geht uns aber bei der Ganztagsbetreuung nicht nur um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mir ist ganz wichtig, dass es auch um bessere Chancen für alle Kinder geht.
Wie kann der Ganztag zur Chancengerechtigkeit beitragen? Indem er eine bessere Förderung von Kindern ermöglicht. Einfach schon, weil mehr Zeit da ist: mehr Zeit für gemeinsames Lernen, für zusätzliche Förderung, für ein soziales Miteinander und für Projekte, die über den Unterrichtsstoff hinausgehen.
Und auch nicht zu vergessen: Mehr Zeit für Spiel, Sport und Erholung. Mehr Zeit für das Erwerben von Medienkompetenz oder einfach nur das Erlernen des Umgangs mit freier Zeit. Zeit für ein gemeinsames Mittagessen in der Schule, statt nach Schulschluss unbeaufsichtigt mit der Chips-Tüte vor dem Fernseher zu sitzen oder am Handy zu zocken.
Dabei trägt zu einem Gelingen wesentlich bei, dass sich Kinder im Ganztag einbringen können. Beteiligung führt dazu, dass Kinder das Angebot mehr schätzen und sich im Schulalltag wohlfühlen.
Wir verbessern damit auch die Chancen der Kinder.
Was wir bei all dem nicht aus den Augen verlieren dürfen, weder bei den Kitas noch bei den Ganztagsschulen: Wir brauchen auch Menschen, die das machen.
Erzieherinnen und Erzieher fördern und stärken Kinder – jeden Tag. Sie wecken und füttern die Neugier der Kinder, helfen dabei, Talente zu entdecken und legen damit die Basis für den späteren Bildungsweg. Sie sind keine Basteltanten, sondern pädagogische Fachkräfte, die dafür arbeiten, dass es jedes Kind packt. Und für Eltern machen sie mit ihrer Arbeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erst möglich. Deshalb müssen wir in die Fachkräfte investieren.
Wir im Bundesfamilienministerium haben eine bundesweite Fachkräfteoffensive für mehr Erzieherinnen und Erzieher gestartet.
Wir fördern damit eine praxisintegrierte, vergütete Ausbildung, eine professionelle Begleitung für Fachschülerinnen und Fachschüler sowie Perspektiven für Profis durch den Aufstiegsbonus.
Damit ist es erstmals in allen Ländern möglich, eine vergütete und schulgeldfreie Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin zu beginnen. Die hohen Standards, die der Bund mit dem Programm setzt, sind auch ein wichtiges Signal, dass es sich um eine vielfältige und anspruchsvolle Tätigkeit handelt, die gute Rahmenbedingungen braucht.
Alle 2.500 von uns geförderten Plätze waren im Handumdrehen voll. Im September 2019 sind die angehenden Erzieherinnen und Erzieher ins Ausbildungsjahr gestartet.
Die gute Nachricht ist: Es gibt Menschen, die Erzieherin oder Erzieher werden wollen. Sie brauchen nur vernünftige Rahmenbedingungen: klare Perspektiven, ein vernünftiges Ausbildungsgehalt und eine kostenfreie Ausbildung.
Diesen Weg gilt es weiterzuverfolgen: Zahlreiche Länder haben die Impulse aus der Fachkräfteoffensive aufgegriffen und – auch mit Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz – eigene Maßnahmen zur Fachkräftesicherung gestartet und die Zahl der geförderten Plätze aufgestockt.
Ich war fünf Jahre lang Schulstadträtin in Neukölln. Dort hat mir eine Schulleiterin einmal gesagt: Wissen Sie, wir könnten so eine tolle Schule sein – wenn wir andere Kinder hätten.
Mein Ansatz ist genau das Gegenteil. Das hier sind die Kinder, die wir haben, und die müssen wir so fördern, dass sie sich so gut wie möglich entwickeln können.
In Neukölln stehen viele Schulen vor großen Herausforderungen, genauso wie in Hamburg oder in Bremen oder in Köln. Brennpunktschulen. Wo viele Kinder einen Migrationshintergrund haben. Aber der Migrationshintergrund allein ist kein Gradmesser für den Erfolg einer Schule. Nehmen Sie die John F. Kennedy School in Zehlendorf: Dass die Hälfte der Schüler nicht Deutsch als Muttersprache spricht, interessiert da niemanden.
Wissen Sie, was für den Erfolg einer Schule viel wichtiger ist? Auf wie viele Schüler das Kürzel „Lmb“ zutrifft. Lernmittelbefreit. Das sind Schülerinnen und Schüler, die die 100 Euro für Schulbücher pro Jahr nicht zahlen müssen. Wie viele Schüler stammen aus Familien, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, darum geht es.
Ich will, dass es jedes Kind packt, egal, mit welchen Startbedingungen es ankommt. Egal, welche Unterstützung das Elternhaus geben kann. Der Bildungserfolg darf nicht von der sozialen Herkunft abhängen.
Dafür wollen wir mit dem Ganztagsanspruch die richtigen Weichen stellen: für mehr Förderung und Chancengleichheit in der Bildung, von Anfang an. Für eine bessere Vereinbarkeit und eine gute Zukunft.
Dr. Franziska Giffey ist Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
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Über diesen Bildungsblog
Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.
Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.
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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin
Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
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