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Für eine gerechte Energiewende mangelt es auf globaler und auch nationaler Ebene an Dialogmöglichkeiten. Gewerkschaften könnten vermitteln, stoßen aber auf große Herausforderungen.
Gewerkschaften sollten als wichtige Sozialpartner die Energiewende im globalen Süden mitgestalten. Wird die Energiewende allein den Regierungen, der Privatwirtschaft und dem globalen Kapital überlassen, verursacht sie voraussichtlich hohe soziale und ökologische Kosten und schadet den Arbeitnehmer_innen in den Energiewertschöpfungsketten, obwohl Arbeitskräfte für den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft eigentlich dringend gebraucht werden. Wie die Vergangenheit zeigt, sträuben sich die Kapitalmärkte bekanntlich gegen höhere Arbeitskosten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Staat nicht gewillt ist, den für Investoren attraktiven Bergbau- und Energiesektor zugunsten von Arbeitnehmerrechten und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen aufzugeben. Die steigende Nachfrage nach kritischen Mineralien und Technologien für erneuerbare Energien wird diese Entwicklung weiter verstärken.
Obwohl in diesem Zusammenhang gerade die Arbeitnehmerschaft eine entscheidende Rolle spielt, lässt die diesjährige COP29 in Baku Zweifel aufkommen, ob die Ziele des Pariser Abkommens und insbesondere die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C überhaupt noch erreicht werden können. Mühsam errungene Zugeständnisse wie das Just Transition Work Programme (JTWP) und der Fonds für Verluste und Schäden wurden zugunsten von Finanzierungsverhandlungen auf Eis gelegt. Darin zeigt sich ein beunruhigender Trend: Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und insbesondere der Gewerkschaften, werden in der Klimaschutzdiskussion zunehmend außer Acht gelassen.
Während in Baku mehrere Länder (und Investoren) sich über die Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien austauschten, schien niemand über die Arbeitsbedingungen sprechen zu wollen und auch nicht über die Notwendigkeit, die Rechte der Bergarbeiter zu stärken und zu schützen. Sie sind schließlich diejenigen, die die kritischen Mineralien abbauen, durch die diese technologischen Errungenschaften erst möglich werden. Zwar wurde in vielen Diskussionen implizit anerkannt, wie wichtig eine Due-Diligence-Prüfung der Energieversorgungsketten ist, aber das ging nicht mit der Bereitschaft einher, konkrete Maßnahmen zu ergreifen und zum Beispiel entsprechende Gesetze zu verabschieden. Auffällig war auch, dass viele Beteiligte sich zunehmend dagegen sträuben, überhaupt über Arbeitsrechte oder gar über Gewerkschaftsrechte zu sprechen – obwohl die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) auf der „African COP“ (COP27) in Ägypten einen fortschrittlichen Rahmenplan dazu vorgestellt hat. Doch genau das braucht es für Afrikas Energiewende, denn steigende Arbeitslosigkeit, zunehmende intersektionelle Ungleichheiten, ein wachsendes Armutsgefälle bei der Energieversorgung und eine gescheiterte Sozial- und Wirtschaftspolitik gehörten offenbar nicht zu den Kernthemen der UNFCCC-Verhandlungen. Von dieser Plattform sind die Zivilgesellschaft im Allgemeinen und die Gewerkschaften im Besonderen offensichtlich ausgeschlossen.
Die Herausforderungen, die diese Ausgrenzung auf globaler Ebene mit sich bringt, sind in Afrika auch auf nationaler Ebene zu beobachten. In nur sehr wenigen afrikanischen Ländern sind Foren für den sozialen Dialog auf nationaler und subregionaler Ebene institutionell verankert – Gewerkschaften stoßen bei öffentlichen und privaten Einrichtungen oft auf Feindseligkeit und Misstrauen. Dabei vertreten sie die Arbeitnehmerschaft, die das ökonomische Rückgrat der dualen und Enklavenwirtschaft Afrikas bildet. Das Scheitern des „Poverty Observatory“ und des „Engagement Mechanism“ der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (Southern African Development Community, SADC) zeigt, dass sowohl der politische Wille als auch entsprechende Bemühungen fehlen, afrikanische Staaten und nichtstaatliche Akteure außerhalb des privaten Sektors wirklich einzubeziehen. Selbst in Ländern wie in Südafrika und Senegal, in denen es im Zuge der Energiewende Konsultationen mit den Gewerkschaften gibt, erweisen sich diese Konsultationen als unzureichend. Sie kranken daran, dass die Gewerkschaften (und zivilgesellschaftliche Organisationen) nicht in strategische Planungsprozesse eingebunden werden, von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen sind und Transparenz und Rechenschaftspflicht auf der Strecke bleiben. Diese Probleme untergraben das ohnehin schon geringe Vertrauen wichtiger Interessengruppen und gefährden die Rechte der Arbeitnehmerschaft wie auch der Bevölkerung insgesamt.
Damit der Fehler vieler Mitgliedstaaten vermieden wird, die Gewerkschaften nicht als eigenständige Interessengruppen anzuerkennen, sollte die Rolle der Zivilgesellschaft unbedingt genau definiert werden. Gewerkschaften sind keine zivilgesellschaftlichen Organisationen. Laut ILO sind sie einer von drei Sozialpartnern (neben der Regierung und dem Privatsektor), und dies muss im aktuellen Text der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) und auch bei den nationalen Klimabeiträgen (Nationally Determined Contributions NDCs) entsprechend berücksichtigt werden. Dabei sollten die Stakeholder benannt werden, die an wichtigen lokalen, nationalen, regionalen und globalen Prozessen beteiligt werden müssen. Die Grundrechte von Gewerkschaften und Arbeitnehmern müssen als solche anerkannt werden und als Grundlage für ihre Einbindung in diese politischen Prozesse dienen. Besonders wichtig ist, dass marginalisierte und besonders schutzbedürftige Erwerbstätige wie Menschen mit Behinderungen, Frauen und junge Arbeitskräfte in die gewerkschaftliche Interessenvertretung einbezogen werden. Diesem so wesentlichen Aspekt sollten die Gewerkschaften Priorität einräumen.
Wenn ein Dialog konstruktiv sein soll, muss die Möglichkeit gegeben sein, dass er Politik und Gesetzgebung beeinflusst. Das muss von vornherein entsprechend festgelegt werden. Das Ziel ist nicht nur, relevante Interessengruppen an einen Tisch zu bringen, sondern diese Multi-Stakeholder-Dialogplattformen müssen auch handlungsleitend sein – etwa bei politischen oder gesetzgeberischen Reformen. Der Dialog darf nicht dem Staat und dem Privatsektor überlassen werden, da seine Folgewirkungen weite Teile der Gesellschaft betreffen. Es braucht dringend einen sozialen Dialog, der sich auf rechtliche und administrative Vereinbarungen stützt.
Ein weiterer zentraler Faktor für eine wirksame Einbindung in den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und in eine gerechte Energiewende ist der Aufbau entsprechender Kapazitäten.
Dieser Prozess ist per se technischer Natur und erfordert Akteure, die die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen verstehen, damit sie die Interessen der von ihnen Vertretenen wirksam schützen und durchsetzen können. Afrikanische Gewerkschaften bilden hier keine Ausnahme; sie müssen die erforderlichen Kompetenzen und Potenziale aufbauen, um sich konstruktiv an diesen Diskussionen beteiligen zu können.
Nach aktuellen Informationen über die Vergabe von Klimafinanzierungspaketen für den Investitionsplan für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Investment Plan, JETIP) in Südafrika ist unklar, wie es um die Mittelzuweisungen für den Kapazitätsaufbau zur Beteiligung von Gewerkschaften und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft bestellt ist. Um dieses Defizit zu beheben, müssen Gewerkschaften ihr Know-how vertiefen, wenn es darum geht, Informationen zu beschaffen und auszuwerten, klare politische und gesetzgeberische Forderungen zu formulieren und mit ihrer Rolle in sozialen Dialogprozessen umzugehen. Darüber hinaus müssen sie effiziente Mittel und Wege finden, wie sie ihre Wählerschaft einbinden, sich klare Handlungsmandate sichern und leistungsfähige Kommunikationsstrategien entwickeln, damit sie wirklich Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen können. Wenn sie in diese Bereiche investieren, können Gewerkschaften bei der Umsetzung einer nachhaltigen und gerechten Energiewende eine tragende Rolle spielen.
Mit Blick auf die kommende COP30 in Brasilien müssen afrikanische Gewerkschaften eine proaktive Strategie verfolgen. Dafür muss unbedingt ein alternatives JTWP-Papier erarbeitet werden, das den Realitäten des afrikanischen Arbeitsmarktes Rechnung trägt. Dass Brasilien vor allem junge Menschen mobilisieren und die Generationengerechtigkeit in den Fokus rücken will, kann den Bestrebungen der Gewerkschaften neuen Schwung verleihen. Im Vorfeld der COP30 sollten Foren und Treffen auf digitalen Plattformen genutzt werden, um Arbeitnehmer_innen zu vernetzen, die Interessenvertretung zu koordinieren und die Kampagnenarbeit weltweit zu intensivieren.
Die Gewerkschaften sollten sich auch mit Regierungen und der Afrikanischen Verhandlungsgruppe (African Group of Negotiators, AGN) zusammenschließen, um Mechanismen des sozialen Dialogs institutionell zu etablieren und sicherzustellen, dass ihre Stimmen auf nationaler und regionaler Ebene Gehör finden. Indem afrikanische Gewerkschaften in den Aufbau der entsprechenden Kapazitäten investieren, die Intersektionalität fördern und regionale Allianzen bilden, können sie die gerechte Energiewende in eine Bewegung überführen, die die Rechte und das Wohl der Arbeitnehmerschaft an oberste Stelle setzt.
Mit diesen Schritten können afrikanische Gewerkschaften zu mächtigen Akteuren des Wandels werden und einen gerechten Übergang mitgestalten, der alle einbezieht und keinen Arbeitnehmer alleinlässt.
Regierungen und internationale Gremien sind gefordert, die Gewerkschaften eindeutig als Sozialpartner anzuerkennen, der sich von den Organisationen der Zivilgesellschaft unterscheidet. Diese Anerkennung sollte sich in den klimapolitischen Rahmenwerken wie den NDCs niederschlagen, damit Gewerkschaften auf allen Ebenen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Südafrikas Investitionsplan für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnership, JETIP) ist ein Schritt in die richtige Richtung, wobei die Gewerkschaften aber mehr substanziellen Einfluss auf strategische Entscheidungen haben müssen. Regierungen sollten sich nicht nur mit den Gewerkschaften beraten, sondern sie auch in die Politikgestaltung einbeziehen.
Die gesetzliche und administrative Struktur der Plattformen für den sozialen Dialog muss den Gewerkschaften neben den Regierungen und Unternehmen ein gleichberechtigtes Mitspracherecht gewähren. Diese Dialoge sollten transparent, wirkungsvoll und mit klaren Mandaten zur Einflussnahme auf Politik und Gesetzgebung verbunden sein. Senegal hat verschiedene Dialogmechanismen initiiert, deren Wirkung allerdings aufgrund von Ausschlusspraktiken begrenzt ist. Afrikanische Regierungen sollten sich an regionalen Modellen orientieren, die erfolgreich inklusive Dialoge institutionalisiert haben, wie beispielsweise das norwegische Modell mit seiner dreigliedrigen Zusammenarbeit von Arbeitgeberorganisationen, Arbeitnehmerorganisationen und Staat.
Damit sie sich wirksam an Debatten über eine grüne Wirtschaft beteiligen können, brauchen Gewerkschaften eine entsprechende Fachkompetenz, über die sie bislang oftmals nicht verfügen. Capacity-Building-Programme sollten Gewerkschaften darin unterstützen, komplexe Klimafinanzierungsmechanismen wie den Fonds für Verluste und Schäden zu verstehen, Daten auszuwerten, um faktenbasierte politische Vorschläge formulieren zu können und mit Interessengruppen und der Öffentlichkeit erfolgreich zu kommunizieren. Digitale Tools können bei diesen Aufgaben eine entscheidende Rolle spielen. Mit gewerkschaftseigenen Apps können zum Beispiel politische Updates geteilt, Aktionen koordiniert und Mitglieder in Echtzeit eingebunden werden. Außerdem sollten Partnerschaften mit Organisationen aufgebaut werden, die speziell auf afrikanische Gewerkschaftsführer zugeschnittene Schulungen anbieten. Solche Schulungen könnten Gewerkschaften in die Lage versetzen, sich souverän in klimapolitischen Diskussionen einzubringen und wirksam für ihre Interessen einzutreten.
Die Mobilisierung an der Basis und die Interessenvertretung solllten für Gewerkschaften Priorität haben, denn nur so kann eine solide Grundlage für kollektives Handeln geschaffen werden. Dabei geht es auch um die Einbindung ausgegrenzter Beschäftigter – bespielsweise im informellen Bergbau oder in häuslichen Arbeitsverhältnissen –, damit auch ihre Stimmen im Rahmen des Übergangsprozesses gehört werden. Darüber hinaus sollten sie Kampagnen für Jugendliche und junge Erwachsene starten und den Klimaschutz mit Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Erwerbstätige verknüpfen. Mit zugkräftigen Medienkampagnen sollten die Gewerkschaften auf die öffentliche Meinung einwirken und die Kämpfe wie auch die Erfolge der Arbeiterschaft bei der Umsetzung der Energiewende hervorheben.
Gewerkschaften müssen in ihre Strategien zur Energiewende transformative geschlechterpolitische Ansätze einbeziehen. Der Beschluss der COP29 zur Geschlechtergerechtigkeit bietet ihnen eine Grundlage, um die Auswirkungen der Klimapolitik auf Frauen und andere schutzbedürftige Gruppen auszuloten. Die Gewerkschaftsführung sollte die Vielfalt der von ihnen vertretenen Gruppen abbilden – wie Frauen, junge Menschen, informell Beschäftigte und Erwerbstätige mit Behinderungen. Ein Mapping der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Verteilung von Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien kann den Gewerkschaften helfen, sich für integrative Maßnahmen einzusetzen, die den spezifischen Bedürfnissen von Arbeitnehmerinnen Rechnung tragen.
Außerdem sind afrikanische Gewerkschaften gefordert, ihre Zersplitterung zu überwinden, indem sie starke regionale Bündnisse bilden, um Ressourcen zu bündeln, Fachwissen auszutauschen und auf globalen Foren mit einer Stimme zu sprechen. Das Southern African Trade Union Coordination Council (SATUCC) könnte sich beispielsweise für koordinierte Kampagnen für eine gerechte Klimafinanzierung in SADC-Ländern stark machen und damit den Grundstein für eine umfassendere panafrikanische Zusammenarbeit legen.
Erfolgreiche gewerkschaftliche Interventionen zu dokumentieren und zu übernehmen, kann auf dem gesamten Kontinent richtungsweisende Impulse setzen. So zeigt zum Beispiel Südafrikas JETIP (Just Energy Transition Implementation Plan) exemplarisch, wie Gewerkschaften die Zustimmung zu einer sozial ausgewogenen Energiewende sichern können. Gewerkschaften sollten Toolkits entwickeln, um Best Practices miteinander zu teilen und anderen Akteuren Orientierungshilfen für eine effektive Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern zu geben.
Bei Finanzierungspaketen für den Klimaschutz wird die Finanzierung des Kapazitätsaufbaus von Gewerkschaften oft außer Acht gelassen. Gewerkschaften müssen sich für klare Mittelzuweisungen im Rahmen von Programmen wie dem JETIP einsetzen, mit denen arbeitnehmerorientierte Initiativen unterstützt werden – unter anderem Umschulungsprogramme und Aktivitäten zur Mobilisierung der Basis. Durch Lobbyarbeit mit dem Ziel, in den Fonds für Verluste und Schäden auch zweckgebundene Mittel für den Kapazitätsaufbau zu integrieren, könnte erreicht werden, dass die Gewerkschaften für die komplexen Aufgaben des Green Financing gerüstet sind.
Aus dem Englischen von Christine Hardung
Tendai Makanza ist bei IndustriALL Global Union für Just Energy Transition zuständig. Sie lebt in Durban, ist jedoch auf dem gesamten Kontinent unterwegs, um Mitgliedsgewerkschaften zur Energiewende zu schulen und mit ihnen Strategien zu entwickeln, um die Interessen von Arbeiter_innen in diesem Prozess zu vertreten. Tendai hat bereits an drei COPs teilgenommen.
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