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Die Landfrage berührt gleich mehrere Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030, erläutern Caroline Kruckow und Marc Baxmann von FriEnt.
Bild: Protest gegen die Dakota Access-Pipeline von Revolution Messaging lizenziert unter CC0
Bild: Marc Baxmann von Privat
Bild: Caroline Kruckow von Hermann Bredehorst / Brot für die Welt
Als der von Native Americans angeführte Protest gegen die Dakota Access-Ölpipeline in den USA zu einer der größten Umweltbewegungen der letzten Jahrzehnte anwuchs, zeigte sich erneut: Wer das Recht hat, Land zu nutzen, ist eine hochpolitische Frage mit gewaltigem Konfliktpotenzial. Wenn es um Land geht, dann stehen oft marginalisierte, indigene Bevölkerungsgruppen, Frauen und Kinder staatlich unterstützten Großkonzernen gegenüber: Traditionelle Nutzungsrechte und die Sicherung der eigenen Lebensgrundlage versus Profitinteressen.
Die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt), der die FES angehört, betrachtet in ihrem neuen Dossier „Land and Conflict Prevention - How integrated solutions can help achieve the Sustainable Development Goals“ den Zusammenhang zwischen Gewaltkonflikten, Zugang zu Land und Geschlecht. Praxisbeispiele zeigen auf, wie gewaltsame Auseinandersetzungen um Land und Ressourcen verhindert werden können und welche Rolle Frauen dabei spielen. Dabei wird klar: Das Nachhaltigkeitsziel „Friedliche Gesellschaften“ ist eng verbunden mit anderen Zielen aus der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, etwa dem zu Ernährungssicherheit.
Wir sprachen mit den zwei Initiator*innen des Dossiers, Caroline Kruckow und Marc Baxmann von FriEnt, darüber, warum die Landfrage immer brisanter wird. Sie erläutern zudem, warum es wichtig ist, dass sich die UN verstärkt dem Ziel „Friedliche Gesellschaften“ widmet, und wie bedeutend zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivist_innen sind, die sich für gerechten Zugang zu Land einsetzen.
Caroline Kruckow und Marc Baxmann: Der Zugang zu Land und dessen Nutzung ist in vielen Weltregionen für die Mehrheit der Bevölkerung lebenswichtig. Durch den Klimawandel, Ernährungskrisen und wirtschaftliche Interessen wird Land immer wertvoller; wird Landbesitz zu einer zunehmend relevanten ökonomischen Größe und damit gleichzeitig zu einer Konfliktressource.
Dabei tragen Land und Landbesitz sowie Nutzungsrechte an Land nicht nur zur Ernährungssicherung und Agrarproduktion bei, sondern beinhalten zudem wichtige soziokulturelle Aspekte. Denn Zugang zu Land ist vor allem für marginalisierte, an den Rand gedrängte Gemeinschaften und indigene Bevölkerungsgruppen nicht gesichert. Obwohl sie häufig das Land seit Generationen nutzen und dort leben, sind ihre Landrechte nicht anerkannt oder werden nicht berücksichtigt. Vielfach müssen sie großen Bergbau-, Infrastruktur-, Agrar- oder Investmentprojekten weichen und werden gewaltsam vertrieben.
Unklare Rechtslagen und Landbesitzverhältnisse oder Nutzungskonkurrenzen, zum Beispiel zwischen Ackerbäuer*innen und Wanderhirten, können auf lokaler Ebene Konflikte auslösen, die vielfach auch gewaltsam ausgetragen werden. Diese Konfliktdynamiken werden verstärkt, wenn Land, Wasser, Fischgründe und Wälder zusätzlich durch bereits genannte Faktoren wie Großprojekte, Klimawandel, Bevölkerungswachstum oder Kriege und Naturkatastrophen knapp werden.
In vielen Ländern haben Frauen keine gesicherten Landrechte und sind entsprechend besonders betroffen, wenn es zu Konflikten um Landnutzung kommt. Zugleich spielen sie, wie wir alle schon lange wissen, für die Ernährungssicherung, aber auch für Konfliktbearbeitung und die Förderung friedlicher Gesellschaften eine besondere Rolle.
Die Dringlichkeit der Landfrage – nicht zuletzt als Quelle für gewalttätige Konflikte in vielen Staaten des Globalen Südens – wurde jüngst auch von internationalen Organisationen anerkannt. Als Meilensteine können die Studie „Pathways for Peace“ der Vereinten Nationen (UN) und der Weltbank aus dem Jahr 2018 sowie der gerade erst im März 2019 erschiene UN-Leitfaden „The United Nations and Land and Conflict“ gelten.
In „Pathways for Peace“ heben die UN und die Weltbank hervor, dass Krisenpräventionsstrategien wesentliche Risiken aufnehmen sollen, darunter Zugang zu Land, Abbau von Rohstoffen, Sicherheit, Justiz und Rechtsstaatlichkeit sowie die Bereitstellung von Basisdienstleistungen.
Der verbindliche Leitfaden „The United Nations and Land and Conflict“ fordert die einzelnen UN-Unterorganisationen sowie die Mitgliedstaaten auf, Landkonflikte als Ursache von gewalttätigen Auseinandersetzungen kohärent anzugehen. Dazu dienen explizit auch Strategien, die auf Prävention abzielen. Grundsätzliches Ziel ist die breitflächige und inklusive Lösung von Landkonflikten, was unter anderem die Stärkung der landspezifischen Rechte von indigenen Bevölkerungsteilen und Frauen miteinschließt.
Das High Level Political Forum (HLPF) hat sich in diesem Jahr zum ersten Mal auch das 16. Nachhaltigkeitsziel angeschaut. Damit setzt es ein Zeichen: SDG 16 steht für friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften und zielt auf die Reduktion und Prävention von Gewalt. Auf globaler Ebene ist es in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden, Initiativen zur Prävention und Lösung gewaltsamer Konflikte zu starten. SDG 16 sollte daher auf dem High Level Political Forum 2019 in New York ins Zentrum rücken – als positive Orientierung in Zeiten von steigender Gewalt und weltweiten autoritären Tendenzen.
FriEnt und seine Partnerorganisationen haben dies zum Anlass genommen und das Dossier zu Landkonflikten und der Prävention von Gewalt erarbeitet, auf dessen Grundlage wir einen eigenen Beitrag zum HLPF und zum thematischen Review von SDG 16 leisten können. Ziel des Projekts war es, herauszufinden, inwiefern es unterschiedliche Nachhaltigkeitsziele berührt und diese fördert, wenn die Landfrage angegangen wird. Die Beiträge im Dossier identifizieren positive Beispiele dafür, wie Landkonflikte im Globalen Süden friedlich beigelegt werden konnten.
Darauf aufbauend konnten wir in New York erfolgreiche Wege und mögliche Schwierigkeiten identifizieren und die internationale Diskussion um SDG 16, seinen Bezug zu Land sowie weitere Querverbindungen fördern.
Laut Präambel der Agenda 2030 sind „die Querverbindungen zwischen den Zielen für nachhaltige Entwicklung und deren integrierter Charakter“ von ausschlaggebender Bedeutung. Die SDGs sollen sich gegenseitig unterstützen. Der breite thematische Ansatz der SDGs ermöglicht es, bisher unterbelichtete Wechselwirkungen und Synergien von Frieden und nachhaltiger Entwicklung unter die Lupe zu nehmen und neue integrierte Ansätze zu entwickeln. Gute Praxisbeispiele können hierfür ebenso hilfreich sein wie neue, sektorübergreifender Lern- und Umsetzungspartnerschaften.
Genau. Interessant ist, dass zwar kontinuierlich nach diesen Querverbindungen gesucht wird, der Zusammenhang zwischen SDG 16 und land-bezogenen Zielen bisher aber erstaunlich unterbelichtet ist. SDG 2 geht z.B. weit über Ernährung im engeren Sinne hinaus und betont den sicheren und gleichberechtigten Zugang zu fruchtbarem Land. Darin werden Landrechte als Schlüssel zur Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität definiert. Weil der Zugang zu und die Kontrolle über Land und natürliche Ressourcen in vielen Ländern eine zentrale Ursache von Gewalt, Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen darstellt, ist die gemeinsame Umsetzung von SDG 2 und SDG 16 unabdingbar. In vielen Konflikt- und Postkonfliktkontexten ist der sichere und gleichberechtige Zugang zu Land eines der zentralen Themen für die Bevölkerung und für die Zivilgesellschaft.
Eine eigenständig agierende Zivilgesellschaft und kritische Akteure mischen sich in die politisch sensiblen Themen wie Land und Frieden, Gender und Gewaltprävention ein und sind ein kritisches Gegenüber für Regierungen, Privatsektor und multilaterale Institutionen. Das muss anerkannt und unterstützt werden. Die Fallbeispiele des Dossiers zeigen, welche reichhaltige konstruktive Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention verschiedene engagierte, lokale Akteure leisten. Ohne diese zivilgesellschaftlichen Stimmen und die Anwaltschaft für alle Bevölkerungsgruppen wird die Agenda 2030 und das Prinzip ‚Niemanden zurück zu lassen‘ nicht erfüllt werden können.
Gerade deshalb ist es besorgniserregend, dass zivilgesellschaftliche Akteure derzeit massiv unter Druck stehen – die Zahl der in den vergangenen Jahren getöteten Landrechts- und Umweltaktivist_innen ist so hoch wie nie zuvor, wie Berichte u.a. von internationalen Organisationen wie Global Witness belegen.
Die komplexen Zusammenhänge zwischen globalen Veränderungen und lokalen bzw. regionalen Auseinandersetzungen und Interessengegensätzen dürfen nicht aus den Augen gelassen werden. Land und natürliche Ressourcen spielen ebenso wie Gendergerechtigkeit und Menschenrechte für die Friedensförderung und Gewaltprävention eine zentrale Rolle.
Für die politische Arbeit heißt das, diese Zusammenhänge immer wieder zu verdeutlichen und darauf hinzuweisen, dass die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsziele miteinander verbunden sind. Gute Beispiele auf der lokalen wie auch regionalen Ebene gibt es, wie man an der Vielfalt der im Dossier zusammengetragenen Artikel aus aller Welt sieht. Aber häufig fehlt es an politischem Willen vor Ort, die SDGs ernsthaft, integriert und inklusiv umzusetzen. Und vor dem Hintergrund der vielfach gefährlicher werdenden Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure fehlt es an Durchsetzungskraft gegenüber politischen Eliten, dem Wirtschaftssektor und internationalen Akteuren, um diese inklusiven Ansätze auch gegenüber den politisch Stärkeren durchsetzen zu können.
FriEnt-Mitglieder können die im Dossier aufgeführten Beispiele in ihrer eigenen Arbeit nutzen, um die politische Agenda zu beeinflussen und darauf hinzuwirken, dass die Verbindung von SDG 16 zu land- und genderbezogenen SDGs gestärkt wird.
Das Dossier “Land and Conflict Prevention” finden Sie unter: : https://www.frient.de/publikationen/dokument/?tx_ggfilelibrary_pi1%5Bcontainer%5D=540&tx_ggfilelibrary_pi1%5Baction%5D=show&cHash=8208289f32cca0c80779ee3ba2959921
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