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Der FARC-Rückzug nach dem Friedensabkommen, das entstandene Machtvakuum und die Krise in Venezuela verschärfen die Lage in den Grenzregionen.
Bild: Karte von Kolumbien und Venezuela von FES
Bild: Karte der Grenzregion Kolumbien-Venezuela von FES
Der kolumbianische Friedensprozess hat an vielen Orten nicht zur erhofften Stabilität geführt. Dies zeigt sich insbesondere in entlegenen Gebieten und den Grenzregionen. Über die Auswirkungen sprachen wir mit den Partner_innen der FES Kolumbien, den Wissenschaftler_innen Dr. Luis Trejos und Viviana García Pinzón. *
In den vom bewaffneten Konflikt der letzten Jahrzehnte besonders stark betroffenen kolumbianischen Grenzregionen ist der Staat wenig präsent, die Bevölkerung dort ist marginalisiert – das sind günstige Bedingungen für nichtstaatliche Gewaltakteure und illegale Wirtschaftszweige. Das hat auch auf die Grenzregionen der Nachbarstaaten übergegriffen, die als Rückzugsort für bewaffnete Gruppen und Durchgangsrouten für den Schmuggel verschiedener Waren dienten. Diese bewaffneten Gruppen, darunter vor allem die FARC, hatten in diesen Regionen letztlich auch Funktionen übernommen, die anderswo der Staat ausübt. In der Grenzregion zwischen Kolumbien und Venezuela kamen in den letzten Jahren dann zwei Dinge zusammen: der FARC-Rückzug sowie die politische und humanitäre Krise in Venezuela. Dadurch wurde die Region besonders verwundbar für Gewalt, Kriminalität und verschiedene bewaffnete Gruppen. So kämpfen die Guerilla ELN, paramilitärische Gruppen und die organisierte Kriminalität um Einflusszonen.
Diese Grenze ist 2.200 Kilometer lang. Nicht überall ist die Lage nach dem Rückzug der FARC gleich, wir stellen hier eine große Heterogenität fest. Im Norden, in den departamentos La Guajira und César, gibt es schon lange intensiven grenzüberschreitenden Schmuggel, zunächst von Alkohol, Zigaretten und Elektrogeräten, später kamen dann der Kokainhandel hinzu und in der jüngsten Zeit aufgrund der Situation in Venezuela Lebensmittel und Benzin. Kontrolliert wird das Gebiet vom mächtigen Clan del Golfo, der ELN-Guerilla und lokalen Kriminellen.
In Norte de Santander weiter südlich gibt es eine Reihe von illegalen Einnahmequellen, vor allem Drogenanbau und -handel, außerdem noch Öl sowie Erpressung in großem Umfang. Seit den 1990er Jahren ist die Region stark umkämpft. Durch die Vielzahl an illegalen bewaffneten Akteuren, die ein Interesse an illegalen Einnahmequellen haben, ist Norte de Santander nach dem Friedensabkommen zu einem der Epizentren der Gewalt geworden, und die Lage droht, noch weiter zu eskalieren.
In den südlichsten Grenzbezirken Arauca, Guainía und Vichada sehen wir wieder andere Konstellationen: Die ELN verdient dort auf kolumbianischer Seite ihr Geld mit der Erpressung von Ölkonzernen und auf venezolanischer Seite mit legalem und illegalem Bergbau. In Vichada und Guainía koordinieren verschiedene nicht staatliche Gewaltakteure wie FARC-Dissident_innen, Teile der ELN und der Bloque Libertadores del Vichada ihre Aktivitäten und haben illegale Machtstrukturen aufgebaut. So übernehmen sie z. T. sogar klassische Aufgaben des Staates wie die Sicherheit, die Regulierung der lokalen Wirtschaft, aber auch die Rechtsprechung.
Der kolumbianische Staat hat es versäumt, seine Präsenz in den Grenzregionen nach Abschluss des Friedensabkommens zu stärken. So konnten nicht staatliche bewaffnete Gruppen das Vakuum füllen, das mit dem FARC-Rückzug entstanden ist. Mit der durch die institutionelle und humanitäre Krise in Venezuela nun noch verschärften Situation besteht das Dilemma heute darin, dass es ohne Unterstützung von venezolanischer Seite kaum möglich ist, erfolgreich gegen die bewaffneten Gruppen und illegalen Wirtschaftszweige vorzugehen. Gleichzeitig erschweren die derzeitigen bilateralen Beziehungen der beiden Länder gemeinsame Lösungen.
Dennoch gibt es Ansatzpunkte für die kolumbianische Regierung, die Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft: Zum einen sollten sie weiter auf einer diplomatischen Lösung der Krise in Venezuela bestehen, um die Sicherheitslage auf der venezolanischen Seite zu stabilisieren. Zum anderen sollten die Institutionen auf der kolumbianischen Seite der Grenze gestärkt werden. Das gilt für die lokale Verwaltung, aber auch für die Zivilgesellschaft, und es müssen legale Wirtschaftszweige geschaffen werden. Und schließlich kann all das nur gelingen, wenn die lokalen Gemeinden in die Entwicklung von Politikvorschlägen für die Grenzregionen einbezogen werden, denn sie sind davon am stärksten betroffen.
Die spanische Originalversion des Textes finden Sie hier.
* Dr. Luis Trejos arbeitet an der Universidad del Norte in Kolumbien und war bis vor Kurzem mit Unterstützung der FES als Visiting Fellow am GIGA (Institut für Lateinamerikastudien). Er forscht zum bewaffneten Konflikt in Kolumbien, zum Drogenhandel und zur organisierten Kriminalität. Aufgrund seiner sensiblen Forschung wurde er massiv bedroht.
Viviana García Pinzón ist Doktorandin an der Universität Marburg und am GIGA. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universidad Nacional in Kolumbien und forscht insbesondere zu Gewalt in lateinamerikanischen Städten und zum Friedensprozess in Kolumbien.
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