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Fokus NorD: Wie neue Einwanderungsgesetze in Dänemark die Integration von Geflüchteten und Migrant_innen behindern. Ein Beitrag von Thomas Bredgaard.
Der dänische Arbeitsmarkt ist bekannt für seine einzigartige Kombination aus Arbeitsmarktflexibilität und sozialer Sicherheit, starken Tarifverhandlungen und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit. Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten war in der Vergangenheit jedoch nicht besonders erfolgreich. Nach der sogenannten „Flüchtlingskrise“ in den Jahren 2014 und 2015 hat sich die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zwar verbessert, aber nun haben die großen politischen Parteien beschlossen, neue Einwanderungsgesetze unter dem Motto „Von der Integration zur Rückführung“ umzusetzen. Damit sollen Geflüchtete davon abgehalten werden in Dänemark Asyl zu suchen. Die neuen Gesetze erzeugen somit einen dauerhaften Zustand der Unsicherheit für in Dänemark lebende Geflüchtete, der insbesondere ihre Arbeitsmarktintegration behindern könnte.
Im September 2015 wurde die “Europäische Flüchtlingskrise” offensichtlich als große Gruppen von Geflüchteten entlang der Autobahnen die dänisch-deutsche Grenze überquerten. Die meisten von ihnen wollten sich allerdings in Dänemark nicht als Asylbewerber_innen registrieren lassen und durchquerten Dänemark nur auf dem Weg nach Schweden. Auch wenn die Zahl der Asylbewerber_innen viel geringer war als in Deutschland und Schweden, hatten sich die Asylanträge in Dänemark von 2013 bis 2014 verdoppelt und 2015 mit 21.316 Anträgen ihren Höhepunkt erreicht. Seit 2016 geht die Zahl wieder zurück und hat mit weniger als 3.500 Asylanträgen pro Jahr ein fast historisch niedriges Niveau erreicht.
Die “Flüchtlingskrise” bot die politische Gelegenheit, sowohl massive Beschränkungen im Asylrecht als auch im Einwanderungs- und Integrationsrecht auf den Weg zu bringen. In Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik war das vorherrschende politische Narrativ, dass frühere Integrations- und Beschäftigungspolitiken weitgehend erfolglos waren und überarbeitet werden mussten. Im Frühjahr 2016 wurde ein Abkommen zwischen der ehemaligen (liberal-konservativen) Regierung und den Sozialpartnern (dänischer Arbeitgeberverband und dänischer Gewerkschaftsbund) beschlossen. Die Vorschläge, die einen neuen Rechtsrahmen erforderten, wurden anschließend (im Juni 2016) vom Parlament verabschiedet. Im Rahmen dessen wurde ein neues, ehrgeiziges Ziel für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten festgelegt. Offizielles Regierungsziel wurde eine Beschäftigungsquote von 50 Prozent, was bedeutete, dass die Hälfte aller Geflüchteten und Migrant_innen in wieder zusammengeführten Familien innerhalb von drei Jahren nach Erhalt des Wohnsitzes in Dänemark erwerbstätig sein sollte. Das Ziel lag damit 10-20 Prozentpunkte über den bisherigen Niveaus. Der Hauptgedanke der neuen Arbeitsmarktintegrationsprogramme bestand darin, eine schnellere Integration von Geflüchteten und Migrant_innen auf dem normalen Arbeitsmarkt durch (1) frühere und intensivere aktive Arbeitsmarktprogramme (2) in Kombination mit einem Sprachtraining am Arbeitsplatz zu ermöglichen, (3) Ausbildung in Berufserfahrung an lokalen Arbeitsplätzen und (4) geringere Leistungen, um die Teilnahme zu fördern.
Oberflächlich haben die neuen Arbeitsmarktintegrationsprogramme funktioniert. Seit dem Abkommen aus dem Jahr 2016 ist die Beschäftigungsquote von Geflüchteten und Migrant_innen in zusammengeführten Familien erheblich gestiegen, insbesondere bei männlichen Geflüchteten, die sogar das von der Regierung gesetzte Ziel übertreffen (siehe Abbildung unten).
Beschäftigungsquoten für Geflüchtete und Migrant_innen in wieder zusammengeführten Familien nach dreijährigem Aufenthalt in Dänemark (21-64 Jahre), 2015-2019.
Quelle: http://integrationsbarometer.dk/
Der sich verbessernde Konjunkturzyklus und der Arbeitskräftemangel auf dem dänischen Arbeitsmarkt in diesem Zeitraum sind eine wesentliche Erklärung dafür. Auswertungen zeigen jedoch, dass das dreigliedrige Abkommen und die neue Integrations- und Beschäftigungspolitik seit 2016 keinen signifikanten Einfluss auf die Beschäftigungsquoten von Geflüchteten und Migrant_innen in wieder zusammengeführten Familien hatte.
Trotz dieser ersten Erfolge, drängte die rechtspopulistische und einwanderungsfeindliche dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti) die liberal-konservative Regierung zu einem Paradigmenwechsel der Migrationspolitik von der Integration zur Rückführung. Anfang 2019 beschloss die Regierung mit Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei das Paradigma der Asylvorschriften und der Integrationspolitik zu ändern. Die neuen Einwanderungsgesetze verschieben das politische Ziel von der Integration in die dänische Gesellschaft hin zur Rückführung in die Herkunftsländer der Migrant_innen. Dieser Paradigmenwechsel bedeutet, dass die Einwanderungsbehörden nur vorübergehende Aufenthaltsgenehmigungen ausstellen. Zuvor hatten Migrant_innen, die eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung beantragten, Vorteile, wenn sie eine normale Beschäftigung hatten, in Freiwilligenverbänden mitarbeiteten oder die dänische Sprache beherrschten. Alle diese Integrationsindikatoren zählen nun nicht mehr. Sogar die Namen der Programme und Einkommensvorteile wurden geändert, um die Verlagerung von der Integration zur Rückführung zu signalisieren. Das frühere Integrationsprogramm wurde in „Selbsthilfe- und Rückführungsprogramm“ umbenannt, der Integrationsvorteil wird nun als „Selbsthilfe- und Rückführungsvorteil“ bezeichnet.
Natürlich löste dieser „Paradigmenwechsel“ umfangreiche Debatten und Kritik aus. Die Sozialpartner kritisierten die Rückführungsgesetze, weil sie die Errungenschaften des dreigliedrigen Abkommens und die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Migrant_innen in wieder zusammengeführten Familien untergraben. Humanitäre Organisationen argumentierten, dass Geflüchtete in einen permanenten Zustand der Unsicherheit versetzt werden würden, der möglicherweise schwerwiegende negative soziale und psychologische Folgen haben könnte.
Dennoch, die sozialdemokratische Regierung, die nach den Parlamentswahlen im Juni 2019 ihr Amt antrat, unterstützte den „Paradigmenwechsel“ in der Einwanderungspolitik und war nicht geneigt der Kritik nachzugeben. Als Minderheitsregierung erlangten sie jedoch nur mit Unterstützung der Sozialistischen Partei, der Sozialistischen Volkspartei und der Radikalen Linkspartei eine Mehrheit im Parlament. Alle drei Parteien waren stark gegen den Paradigmenwechsel. Daher wurde eine geringfügige Ausnahme in die Rückführungspolitik aufgenommen. Wenn Geflüchtete länger als zwei Jahre eine normale Vollzeitbeschäftigung ausführen, kann ihnen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Diese Ausnahme umfasst jedoch nur eine Minderheit der Geflüchteten und Migrant_innen in wieder zusammengeführten Familien. Dennoch ernteten die Sozialdemokrat_innen schnell Kritik von den Oppositionsparteien, weil sie ihre Wahlversprechen gebrochen hatten.
Die neuen dänischen Rückführungsgesetze senden widersprüchliche Signale an Geflüchtete, Behörden und Arbeitgeber. Einerseits können die Einwanderungsbehörden keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis ausstellen und müssen stattdessen Geflüchtete in ihre Herkunftsländer zurückführen, sobald ihre Gründe für den humanitären Schutz enden. Andererseits sollen die Kommunen, Arbeitsämter und Arbeitgeber ihre Bemühungen zur Integration von Geflüchteten in die dänische Gesellschaft und den Arbeitsmarkt fortsetzen. Dazwischen befinden sich Geflüchtete und Migrant_innen in wieder zusammengeführten Familien in einem Zustand der Unsicherheit und Ungewissheit gefangen.
Autor:
Thomas Bredgaard ist Professor MSO (PhD) der Abteilung für Politik und Gesellschaft an der Universität Aalborg.
Dieser Kommentar ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung von Bredgaard, T., & Ravn, R. L. (erscheint in Kürze): "Labour market integration of refugees in Denmark", Kapitel in B. Galgoczi (Hrsg.), Labour market integration of asylum seekers and refugees in main EU receiving countries, Brüssel: Forschungsabteilung des ETUI-REHS.
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