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Die Unerreichbaren erreichen – Marginalisierung von Frauen durch finanziell-digitale Inklusion überwinden

Dafür muss soziale Sicherung ganzheitlich gedacht werden – auf nationaler und lokaler Ebene. Frauen in all ihrer Vielfalt müssen endlich in den Fokus rücken! Schreibt Lemona Chanda im Rahmen des FES W7-Blogs.

 

COVID-19 hat die Benachteiligung der vulnerabelsten und am meisten marginalisierten Frauen besonders in ländlichen Gebieten noch weiter verschärft. Diese Frauen wurden im Lauf der Pandemie noch unsichtbarer und in finanzieller und digitaler Hinsicht noch weiter abgehängt als sie es ohnehin schon waren. Staatliche Reaktionen auf die Pandemie setzten auf digitale Ressourcen, von denen marginalisierte Frauen insbesondere mit niedrigem sozioökonomischem Status ausgeschlossen blieben. Steigende finanzielle Ungleiheiten führen dazu, dass nun noch mehr Frauen in extremer Armut leben. Um Abhilfe zu schaffen, muss soziale Sicherung ganzheitlich gedacht werden – auf nationaler und lokaler Ebene. Frauen in all ihrer Vielfalt müssen endlich in den Fokus rücken!

 

Die Pandemie hat die Welt in eine tiefe Krise gestürzt. Ausgangsbeschränkungen sollten helfen, die Ausbreitung des Virus zu kontrollieren. In vielen Ländern wirkte sich die Durchsetzung dieser Maßnahmen besonders negativ auf ohnehin schon vulnerable und marginalisierte Personengruppen aus. Besonders galt dies für Frauen. Studien zufolge erlebten gerade Frauen merkliche Verschlechterungen in den Bereichen Lebensunterhalt, Zugang zu Gesundheitsversorgung und finanziell-digitale Inklusion. Dazu kam ein Anstieg bei häuslicher Gewalt. Insgesamt hat die Pandemie die Kluft zwischen den Geschlechtern weiter vergrößert. Besonders groß sind die sozioökonomischen Auswirkungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Und während die Ungleichheit weltweit weiter ansteigt, werden viele Frauen gerade in ländlichen Gebieten nicht nur finanziell und digital abgehängt, sondern fallen auch durch das Raster der meisten Erhebungen zu den Auswirkungen der Pandemie.

 

Die Auswirkungen von COVID-19 auf Frauen

Es ist erwiesen, dass marginalisierte Frauen überproportional hart von der Pandemie getroffen wurden. Ihr Erkrankungsrisiko ist größer, da sie häufiger im Gesundheitswesen und in den Pflegeberufen arbeiten. Sie sind eher von sozioökonomischem Abstieg, der Erfahrung häuslicher Gewalt, mangelndem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Verlust des Lebensunterhalts und Überschuldung betroffen. Mobilitätsschranken hindern viele Frauen daran, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. All dies führt zu Lebensmittelunsicherheit für Frauen und ihre Familien, einschließlich ihrer Kinder, und zum Verlust von adäquatem Zugang zu essenziellen Ressourcen wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung oder unternehmerischen Chancen. Die Pandemie hat gerade Frauen aus benachteiligten sozioökonomischen Schichten dazu gezwungen, drastische finanzielle Entscheidungen zu treffen, um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familien zu sichern. Das führte zu Verelendung und einer weiteren Verschärfung von Vulnerabilitäten.

 

COVID-19 und die Vergrößerung der digitalen Kluft

Obwohl während der Pandemie große technologische Fortschritte erzielt wurden, hat sich die digitale Kluft zwischen den Geschlechtern unbemerkt weiter vergrößert. Verschärft wurde diese Entwicklung dadurch, wie Staaten und Regierungen die Maßnahmen umsetzten – etwa durch Barmitteltransfers über bestehende oder neue digitale Plattformen. So haben zum Beispiel Bangladesch 11,9 Milliarden und Indien 260 Milliarden US-Dollar für Barmitteltransfers bereitgestellt. Frauen, die keinen Zugang zu Online-Plattformen hatten oder nicht die digitalen Fähigkeiten besaßen, jene zu bedienen, hatten es entweder schwerer, diese Barmittel zu erhalten, oder blieben ganz außen vor. Dazu kommt, dass in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen Frauen weniger oft über ein Mobiltelefon oder einen Internetzugang verfügen.

In Ländern wie Großbritannien hat die Pandemie zu größerer Benachteiligung von Menschen geführt, die mehrfach von Ungleichheit betroffen sind – etwa ein niedriges Einkommen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, gesundheitliche Probleme und/oder Armut. Ohne Zugang zu ihren Unterstützungsnetzwerken sind diese Menschen im Nachteil, wenn Informationen und Dienstleistungen nur online bereitgestellt werden. Weniger als 50 % der Schüler_innen, die während des Heimunterrichts einen Computerzugang brauchten, verfügten über die erforderlichen Geräte. In ländlichen Gebieten sah es noch verheerender aus. Viele Menschen dort haben keinen Zugang zu adäquaten digitalen Ressourcen – etwa durch mangelhafte Internetgeschwindigkeit auf dem Land. Dadurch wurde Schüler_innen der Zugang zu Bildung und Familien der Zugang zu essenziellen Dienstleistungen erschwert. Auch hier waren überproportional Frauen betroffen – die Unerreichbaren, die von Staaten und Regierungen im Stich gelassen wurden. Das war schon vor COVID-19 so, hat sich aber während der Pandemie noch verschärft, da die Betroffenen nun aufgrund der steigenden Technologieabhängigkeit und Verbreitung digitaler Systeme und Geräte noch weiter abgehängt wurden. Die digitale Kluft hat diese vulnerable Bevölkerungsgruppe noch unsichtbarer gemacht.

 

COVID-19 und die finanzielle Kluft

Eine weitere gravierende Folge der Pandemie ist der wachsende finanzielle Abstand zwischen Männern und Frauen. So belegt eine Fallstudie aus Bangladesch, dass Menschen in ländlichen Gebieten, die vorwiegend im informellen Sektor arbeiten, besonders stark von den Auswirkungen der Pandemie betroffen waren - etwa durch verzögerte Ernten, verspätete Bezahlung oder geringere Einnahmen. Dadurch sank der Lebensmittelverbrauch, während Vulnerabilitäten größer wurden. In Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand war der Effekt am stärksten. Viele Haushalte hatten Probleme, selbst lebensnotwendige Ausgaben zu tätigen, auch wenn Vermögensgegenstände verkauft und Kredite aufgenommen wurden, was wiederum die Haushaltsverschuldung in die Höhe trieb.

In Ländern wie Bangladesch, wo Armut schon lange ein großes Problem und die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit zwischen Stadt und Land ohnehin schwierig ist, hat die Pandemie die Situation für vulnerable und marginalisierte Gruppen noch einmal verschärft. Viele diese Menschen verloren ihren Lebensunterhalt; ihr Einkommen sank, und die Lebensmittelunsicherheit nahm zu. Ein weiterer Faktor, der die finanzielle Resilienz vulnerabler und auf dem Land lebender Menschen beeinträchtigt, ist der Mangel an finanzieller und digitaler Bildung. Gepaart mit bestehenden Ungleichheiten und extremer Armut, hat die Pandemie das Überleben zahlreicher Haushalte akut gefährdet. Frauen, die schon vor COVID-19 die vulnerabelste Gruppe waren, waren am stärksten betroffen. Finanzielle Bildung scheint ein Schlüsselproblem zu sein. In vielen insbesondere frauengeführten Haushalten wurde nicht nachhaltig gewirtschaftet; problematische finanzielle Entscheidungen verschlimmerten die Situation weiter.

 

Finanziell-digitale Inklusion als Weg, die Unerreichbaren zu erreichen

Jetzt, da die Weltwirtschaft beginnt, Resilienz- und Wiederaufbaumaßnahmen in Angriff zu nehmen, müssen Staaten und Regierungen insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen dringend Strategien für die „unsichtbaren“ Bevölkerungsgruppen entwickeln. Sie müssen im Fokus aller Bemühungen um finanziell-digitale Inklusion stehen.

Ein Weg ist ein soziales Sicherungssystem, das sich explizit das Ziel gibt, finanzielle und digitale Disparitäten zwischen Frauen zu reduzieren. Dies würde Nachteile in diesem Bereich für vulnerable und marginalisierte Frauen ausgleichen und einen Beitrag zur Bekämpfung von Armut und Hunger leisten. Nationale Strategien müssen sich an Frauen in all ihrer Diversität richten: Sie müssen finanzielle und digitale Bildung fördern, Ungleichheiten in Bezug auf Gesundheit und Einkommen überwinden, Arbeitsplätze schaffen und Frauen dabei helfen, unternehmerisch tätig zu werden, ohne sich dabei zu überschulden. Vor allem muss eine feministische Politik umgesetzt werden, damit es Frauen und Kindern gut geht. Gleicher Zugang zu digitalen und finanziellen Dienstleistungen für vulnerable Gruppen ist lebenswichtig. Weiterbildung, effektive regulatorische Schutzmechanismen und adäquate Produkte gehören ebenso dazu wie die Förderung von Programmen zur Bewusstseinsbildung an der Basis.

 

 

 

Lemona Chanda ist preisgekrönte Aktivistin für Geschlechtergerechtigkeit und Entwicklung. Ihr Fokus liegt auf der wirtschaftlichen Stärkung von Frauen mit besonderer Berücksichtigung von Land- und Vermögensrechten sowie finanzieller und digitaler Inklusion. Sie ist Gründerin der gemeinnützigen Organisation OurCause, die sich der Förderung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) verschrieben hat.


Ansprechpartnerin

Natalia Figge
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+49 30 26935-7499
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