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Vom “Klimaschurken” zur Klimaneutralität bis 2050? Eine Einschätzung, wie sozial gerecht dieser Wandel sein wird, gibt Kim Hyun-woo, Leiter von Nonuke News.
Südkorea gilt als relativ rückständig im Hinblick auf seine Klimapolitik – so rückständig, dass das Land wegen seiner Emissionen von internationalen Forschungsinstituten sogar als “Klimaschurke” bezeichnet wurde. 2020 kündigte die derzeitige südkoreanische Regierung unter Moon Jae-in eine eigene Green New Deal-Politik an und erklärte, vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens und des wachsenden Drucks von Seiten der internationalen Gemeinschaft bis 2050 klimaneutral werden zu wollen. Dennoch hegen viele Zweifel an der Wirksamkeit und Durchführbarkeit einer solchen Politik.
Tatsächlich enthält das “2050 Carbon Neutrality Scenario“ (Szenario für Klimaneutralität 2050), welches unlängst vom südkoreanischen Ausschuss für Klimaneutralität geprüft wurde, weder Vorschläge für strukturelle Veränderungen zur Minderung des Energieverbrauchs noch legt es eine klare Richtung für einen industriellen Wandel fest. Stattdessen behält es die derzeitige Richtung seiner Politik bei und legt dabei den Schwerpunkt auf technologische Entwicklung und Unterstützung für Konglomerate. Mit solch passiven Vorschriften und Maßnahmen könnte das Erreichen der Klimaneutralität binnen 30 Jahren ein ferner Traum bleiben, da die südkoreanische Regierung mit ihrem Szenario nicht die richtigen Signale sendet.
Abgesehen davon, ob ihre Politik wirklich das Emissionsniveau senken wird, scheint die Regierung den Grundsatz der “Just Transition” außer Acht gelassen zu haben: ein Grundsatz, der sie dazu verpflichtet, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und lokale Gemeinschaften vor möglichen negativen Auswirkungen zu schützen und die Zivilgesellschaft in die Planung und Umsetzung der Transition einzubinden.
Obwohl die vorherigen Regierungen mit ihrer Politik grünes Wachstum und eine Reduzierung der Treibhausgase förderten, wurde eine Just Transition außen vor gelassen. Die Moon-Regierung begann, das Konzept der “Fair Transition” im Zusammenhang mit politischen Konzepten wie dem Koreanischen New Deal zu verwenden. Der Begriff “fair” scheint jedoch im engeren Wortsinne verwendet zu werden und bezieht sich eher auf faire Verfahren sowie die Entschädigung von Branchen für die Kosten der Transition oder eine Verpflichtung für Unternehmen, die Regeln nicht zu brechen.
Zudem sind die konkreten politischen Bemühungen nicht ausreichend. Der Koreanische New Deal empfiehlt keine detaillierten Maßnahmen für eine Fair Transition, und im Hinblick auf ergänzende Folgeprojekte erwähnt er lediglich Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen in Fällen eines industriellen Wandels. Selbst im 2050 Carbon Neutrality Committee (Ausschuss für Klimaneutralität 2050), der Ende Mai mit 100 Mitgliedern gegründet wurde, übertrug man die Aufgabe einer “Just Transition”, hier “Fair Transition” genannt, einem Unterausschuss. In diesem Unterausschuss sitzt nur ein Arbeitnehmervertreter, nämlich der Vorsitzende des Koreanischen Gewerkschaftsbundes FKTU, neben Dutzenden von Arbeitgebern.
Die Klimakrise bringt jedoch schon jetzt Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt mit sich. Arbeitsplätze in Kohlekraftwerken und der Automobilindustrie sind bedroht. Die Kyunghyung Daily News berichtete Anfang Juni, dass Arbeitskräfte in diesen Branchen, besonders Subunternehmer und irregulär Beschäftigte, die keine Verhandlungsmacht besitzen, kaum Zugang zu Informationen über solche Veränderungen haben und nicht wissen, wann ihre Anlagen und Fabriken geschlossen werden.
In Südkorea werden solche Veränderungen von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitern weder begrüßt noch schenken sie ihnen besondere Beachtung. Hier zwei Beispiele: Die Gewerkschaft von Doosan Heavy Industries and Constructions, die vom Rückgang der Aufträge für neue Kohlekraftwerke betroffen ist, fordert die Wiederaufnahme der Bauarbeiten an den Kernreaktoren Nr. 3 und 4 des Kraftwerks Shin Hanul in Uljin County. Die Gewerkschaftsmitglieder der Hyundai Motor Company reagieren äußerst defensiv auf Bedenken, dass ein Umstieg auf Elektrofahrzeuge sich auf die Beschäftigung in der Branche auswirken könnte. Es gibt aber auch positive Signale: In Regionen wie Boryeong in der Provinz South Chungcheong, wo aufgrund der Schließung älterer Kohlekraftwerke ein Rückgang der Konjunktur erwartet wird, haben lokale Gemeinschaften begonnen, Diskussionen mit lokalen Gewerkschaften darüber zu führen, wie man auf solche Veränderungen reagieren sollte. Dennoch bleibt unklar, ob dabei auch auf die Beschäftigungssituation bei mittelständischen und kleinen Lieferanten eingegangen wird.
Seit der globalen Welle an Klimaaktionen im Jahr 2019 haben offizielle landesweite Gewerkschaften und Industriegewerkschaften sich auf eine Just Transition geeinigt und die Initiative zur Sensibilisierung ihrer Mitglieder ergriffen. Diese Stimmung scheint jedoch bei den Arbeiterinnen und Arbeitern vor Ort noch nicht angekommen zu sein und hat bisher nicht zu konkreteren Vorschlägen geführt.
Südkoreanische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht begeistert von der Just Transition. Erstens ist es für Gewerkschaftsmitglieder schwierig, eine bestimmte Position zu langfristigen politischen Maßnahmen einzunehmen, denn die Ortsgruppen sind nach Unternehmen organisiert, und ihre Beschwerden konzentrieren sich zumeist auf kurzfristige und spezifische Anliegen.
Zweitens ist das Vertrauen zwischen Arbeitskräften, Betriebsleitung und Regierung in Südkorea sehr gering. Oft setzt man sich nicht an den Verhandlungstisch, um Probleme gemeinsam zu lösen, sondern um durch Druck Zugeständnisse von den Arbeiterinnen und Arbeitern zu erzwingen.
Und beim Thema Gewerkschaften denkt man noch immer hauptsächlich an traurige und schmerzhafte Erfahrungen, denn Gewerkschaftsmitglieder wurden während der asiatischen Finanzkrise 1998 ungerechterweise für Sparmaßnahmen und Umstrukturierungen im Zuge von Fusionen und Firmenübernahmen sowie beim Verkauf von SsangYong Motors und Hanjin Heavy Industries geopfert.
Glücklicherweise hat die Koreanische Metallarbeitergewerkschaft (KMWU) des Koreanischen Gewerkschaftsdachverbandes KCTU unlängst das Komitee für den Demokratischen und Gerechten Industriellen Wandel gegründet. Sie fordert von der Regierung, dass relevante Maßnahmen von Arbeitnehmern und der Geschäftsleitung gemeinsam beschlossen werden, und hat mit der Durchführung von Kampagnen begonnen. Gewerkschaften aus dem Energie-, Eisenbahn- und Medizinsektor führen ebenfalls Diskussionen über die Aufnahme einer Just Transition in ihre offizielle Politik und ihre Unternehmen.
Soll eine Just Transition in Korea Wurzeln schlagen und Früchte tragen, müssen zunächst die wirtschaftlichen und sozialen Kosten einer Politik zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowie deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt umfassend untersucht werden. Die Regierung und der öffentliche Sektor sollten solche Auswirkungen durch Programme auffangen, welche Schäden minimieren oder ausgleichen und gleichzeitig relevanten Organisationen und lokalen Gemeinschaften die Möglichkeit geben können, sich für die Veränderungen zu rüsten.
Eine Just Transition sollte sich nicht auf Ausgleichsmaßnahmen beschränken, sondern sowohl die wirtschaftliche Gleichstellung als auch die soziale Gerechtigkeit verbessern. Sie sollte als Katalysator fungieren für die Schaffung von mehr und besseren grünen Jobs und einen Übergang zur grünen Industrie.
Zu guter Letzt sollte eine Just Transition sich nicht in der Verwendung der entsprechenden Terminologie erschöpfen, sondern von Institutionen und Maßnahmen getragen werden, die alle drei beteiligten Seiten sowie zivilgesellschaftliche Gruppierungen dazu ermuntern, praktische Lösungen zur Anpassung an die Klimakrise zu diskutieren und umzusetzen. Zu diesem Zweck ist eine Umstrukturierung der Just Transition-Governance vonnöten. Sie sollte über die aktuelle Agenda und Rolle des Wirtschafts-, Sozial- und Beschäftigungsrates hinausgehen. Weiterhin benötigen wir eine Gesetzgebung, die sicherstellt, dass Arbeiterinnen und Arbeiter und Stakeholder am Prozess einer Just Transition beteiligt sind. Und wir dürfen nicht selbstgefällig werden: Zu diesen Bemühungen sollten auch Folgegesetze und eine institutionelle Reform gehören, um Grundrechte wie Arbeits- und gesellschaftliche Rechte weiter auszubauen.
Kim Hyun-woo hat für das Korea Labor & Society Institute (Koreanisches Arbeits- und Gesellschaftsinstitut), die Demokratische Arbeiterpartei und die Neue Fortschrittspartei gearbeitet. In den letzten 10 Jahren arbeitete er beim Energy & Climate Policy Institute (Institut für Energie und Klimapolitik) und führte Untersuchungen zu den Themen Just Transition und Energiedemokratie durch. Derzeit ist er Leiter von Nonuke News, deren Schwerpunkte auf Klimawandel und Forschung zum Thema Degrowth liegen.
Der Artikel erschien am 30. Sepember in Englisch auf fes.asia.de
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