Teure Fürsorgearbeit: Das Elend migrantischer Hausarbeiter_innen
Als Amaira[1], eine fünfundzwanzigjährige Frau aus Nepal, in die Golfstaaten reiste, wollte sie dort Geld für die Ausbildung ihres jüngeren Bruders und für den Ruhestand ihrer Eltern verdienen. Dieser Traum zerbrach, als sie in das Kafala-System geriet. Bei der Ankunft wurde ihr Pass konfisziert und Amaira wurde in der Stadt die Hausangestellte einer wohlhabenden Familie, zu einem weitaus geringeren Lohn als dem versprochenen. Heute ist sie an das Haus ihrer Arbeitgeber_innen gebunden, mit langen Arbeitszeiten und ohne jegliche Bewegungsfreiheit, ausreichende Ruhepausen oder sonstige Fürsorge; sie ist verbaler wie emotionaler Misshandlung ausgesetzt und von sexueller Ausbeutung bedroht.
Dies ist eine der vielen wahren Geschichten, die Migrant_innen, migrantische Aktivist_innen und Organisationen, die rund um die Welt zu Geschlecht und Migration arbeiten, auf dem Feminist Forum on Migration & Displacement (Feministisches Forum zu Migration und Vertreibung) (30.11. – 01.12.2024) in Bangkok zusammenbrachte. Ziel des Forums war, eine intersektionale feministische Migrationspolitik zu entwickeln, indem man sich mit den Gründen von Migration auseinandersetzte, mit ihren Realitäten und den Herausforderungen, denen in der Migration Frauen und geschlechtsdiverse Menschen in all ihrer Vielfalt gegenüberstehen. Ein Themenkomplex befasste sich mit (bezahlter wie unbezahlter) Pflegearbeit und befristeten Arbeitsverträgen (einschließlich des Kafala-Systems), um Kernfragen herauszuarbeiten, Machtdynamiken zu verstehen und Forderungen für weiteres gemeinschaftliches Handeln zu formulieren.
Das Elend migrantischer Hausarbeiter_innen
Migrantische Arbeiter_innen aus Nepal, Bangladesch, Indien, Indonesien, Myanmar und anderen Teilen Asiens und darüber hinaus ziehen in die Golfstaaten in der Hoffnung auf einen besseren Lohn und ein würdiges Leben. Doch in den Zielländern werden sie meist Opfer von Ausbeutung und geraten in Schuldknechtschaft, häusliche Sklaverei, Zwangsprostitution, Zwangsarbeit, Zwangsehe und Menschenhandel.
Der Bereich der Hausarbeit ist stark weiblich besetzt und ein erheblicher Anteil migrantischer Arbeiter_innen sind Frauen. Meist aufgrund von Armut sehen sich viele Migrantinnen zu Arbeit unter gewaltvollen Bedingungen gezwungen, unter Missachtung ihrer grundlegenden Menschenrechte. Angeworben werden sie als häusliche Pflegekräfte mit befristeten Arbeitsverträgen wie jenen des Kafala-Systems.
Hausarbeit gilt häufig nicht als »echte Arbeit«. Die patriarchale Auffassung von Arbeit macht diese Art der Arbeit unsichtbar und verstärkt wirtschaftliche und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Noch weiter werden diese durch das Wirtschaftssystem verstärkt, oftmals unter der Ausbeutung von Frauen als Hausangestellten, von denen in den Golfstaaten Frauen 32,4 Prozent stellen. Und hier beginnt das Elend der häuslichen Pflegearbeiterinnen: mit der Unsichtbarkeit ihrer Arbeit. Zusätzlich legen die Löhne meist die Arbeitgeber_innen fest, anhand eigener Einschätzungen der zu leistenden Arbeit und des Könnens der Arbeiterinnen, was vielfach eine ungerechte Entlohnung mit sich bringt. Obgleich den meisten Hausangestellten anfangs ein vernünftiges Gehaltspaket in Aussicht gestellt wird, ist ein Mindestlohn nicht garantiert.
Noch angreifbarer werden migrantische Hausarbeiterinnen durch das Kafala-System und befristete Arbeitsverträge: Dieses System bindet Arbeiter_innen an ihre Arbeitgeber_innen und beschränkt ihre Bewegungsfreiheit und Rechte. Wie in Amairas Fall wird bei der Ankunft im Zielland der Pass konfisziert, wodurch man nicht mehr die Arbeitsstelle wechseln, kündigen oder frei ein- und ausreisen kann. Da zudem das Aufenthaltsvisum von der Anstellung abhängt und nur Arbeitgeber_innen (oder Sponsor_innen) diese erneuern oder beenden können, erhalten die Arbeitgeber_innen – einzelne Bürger_innen anstelle des Staates – die Kontrolle über den Aufenthaltstitel, was ein Machtgefälle zur Arbeiter_in schafft. Dieses Missverhältnis bietet Arbeitgeber_innen Gelegenheit zur Ausbeutung und nimmt häuslichen Pflegearbeiterinnen Grundrechte wie Ruhetage, den Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung, vertretbare Arbeitszeiten, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Bewegungsfreiheit. Zudem wohnen die meistenHausarbeiterinnen im Haushalt selbst und sind dort schlechten Lebensbedingungen ausgesetzt, ohne angemessene Schlaf- und Essmöglichkeiten. Da das Kafala-System in der Regel nicht in die Zuständigkeit des jeweiligen Arbeitsministeriums fällt, sondern in die des Innenministeriums, ist den Hausangestellten auch jeglicher Schutz unter dem Arbeitsrecht des Aufnahmestaates vorenthalten. Ihnen wird somit das Recht auf Sozialversicherung verweigert, auf Sonderzuwendungen und Rentenkassen, das Recht, sich zu organisieren – auch gewerkschaftlich –, Informationen in ihrer Muttersprache einzuholen und einen diskriminierungsfreien Zugang zur Justiz zu erhalten. Auch sehen sich Hausangestellte meist Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie sexualisierter Gewalt ausgesetzt, melden dies normalerweise jedoch nicht aus Angst vor Bestrafung.
Neben befristeten Arbeitsverträgen trifft migrantische Hausarbeiterinnen das Problem eines Mangels an Rechtsschutz und rechtlicher Durchsetzung. Zwar bestehen in mehreren Ländern Gesetze und Vorschriften, doch berichten migrantische Hausarbeiterinnen häufig, dass diese eher auf die Perspektive der Arbeitgeber_innen ausgelegt sind, als dass sie die Belange der Arbeiter_innen vertreten würden. Zudem sind bestehende Gesetze entweder unzureichend oder werden nicht durchgesetzt. Der Bereich migrantischer Hausarbeiterinnen unterliegt keinerlei Kontrollen, was das Fortdauern ausbeuterischer Praktiken ermöglicht. Da Hausangestellte über begrenzte bis gar keine Möglichkeiten zur gewerkschaftlichen Organisierung verfügen, können sie aufgrund dieser systemischen Hürden oftmals kaum für ihre Rechte einstehen.
Migration ist geschlechtsbezogen und das ist zentral für Realitäten weltweit
Um das Migrationssystem dahingehend umzugestalten, dass es angemessene Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit gewährleistet, braucht es starke, gut organisierte und informierte Bewegungen, die ausreichend Macht aufbauen, um Wandel einfordern zu können. Hierzu wiederum müssen wir verstehen, inwieweit in der Migration Geschlecht von Bedeutung ist und wie wesentlich sich dieser Umstand in globalen Realitäten und in einer sich verschiebenden Geopolitik auswirkt.
Die Migration von Frauen zum Zweck der Hausarbeit ist gelenkt durch die geschlechtsbezogenen Erwartungen und Ungerechtigkeiten der globalen Wirtschaft. Hier gelten Frauen oftmals als »natürliche Pflegerinnen«, ein Stereotyp, das die unsichtbare Arbeit von Frauen in Privathaushalten voraussetzt. Auch sich verschiebende geopolitische Realitäten begünstigen eine verstärkt weibliche Migration: Da die Wirtschaftssysteme reicherer Staaten auf Pflegearbeit angewiesen sind, ist Migrationspolitik zunehmend auf Frauen aus ärmeren Ländern ausgelegt – abermals wird ein Machtgefälle geschaffen, hier zwischen Herkunfts- und Zielländern. Diese Abhängigkeit erzeugt eine globale Verkettung von Pflegearbeit, entlang derer Frauen aus Entwicklungsländern die eigene Familie verlassen, um Pflegearbeit in fremden Haushalten zu leisten; Ungerechtigkeiten werden verstetigt.
Feministischer Einsatz für ein gemeinschaftliches Handeln
Um den systemischen Missbrauch anzugehen, dem migrantischeHausarbeiterinnen ausgesetzt sind, braucht es angesichts der tief verwurzelten Geschlechternormen, die Migration prägen, einen umfassenderen, intersektionalen Ansatz, der der Überschneidung mehrerer diskriminierender Kategorien in einer einzelnen Person oder Gruppe Rechnung trägt. Damit sich gesellschaftliche wie politische Strukturen verschieben, gehört dazu nicht nur ein stärkerer gesetzlicher Schutz, sondern auch ein stärkeres gemeinschaftliches Handeln.
Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen Hausangestellte in deren Kampf für soziale Absicherung und Versammlungsfreiheit, einschließlich des Zugangs zu Justiz und des Rechts, Gewerkschaften zu bilden oder ihnen beizutreten. Auf einzelstaatlicher Ebene haben feministische Bündnisse auf Gesetze und politische Maßnahmen zum Schutz der Rechte Hausangestellter gedrängt und zudem eingefordert, dass Staaten das Übereinkommen 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte und das Übereinkommen 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifizieren und umsetzen. Auch können NGOs gemeinsam mit lokalen Anwaltskanzleien und Rechtsberatungsstellen kostenlose oder kostengünstige Rechtshilfe leisten, um Arbeiter_innen zu befähigen, ihre Rechte zu verstehen, Anzeigen zu stellen und Gerechtigkeit einzufordern.
Darüber hinaus haben in Herkunfts- wie Zielländern Organisationen migrantischer Arbeiter_innen Netzwerke transnationaler Solidarität geschaffen, was die Weitergabe von Informationen, Strategien und Ressourcen zur Unterstützung dieser Arbeiter_innen erleichtert. Regionale Netzwerke und Interessenverbände können Einzelstimmen hörbar machen; sie ermöglichen den Einsatz für regionale Abkommen zum Schutz Hausangestellter sowie das Aufzeigen konkreter Maßnahmen, wie etwa Anlauf- und Beschwerdestellen für migrantische Arbeiter_innen, klare rechtliche Möglichkeiten, damit Arbeiter_innen ohne Angst vor Bestrafung die Arbeitsstelle wechseln können.
Zudem sollten Aktivist_innen, Politiker_innen und Regierungsvertreter_innen in ihrem Engagement für migrantische Arbeiterinnen auf demselben Podium zusammenkommen, um auf diese Weise für bilaterale Abkommen eintreten zu können, als Sprachrohr der Stimmen migrantischer Hausarbeiterinnen und mit Schwerpunkt auf dem Schutz von deren Rechten und auf einem rechtebasierten Ansatz.
Auch sollten Regierungen und Politiker_innen für den Rechtsschutz migrantischer Arbeiterinnen mit NGOs zusammenarbeiten. Auf der Makro-Ebene könnte eine bessere Koordinierung zwischen Botschaften, Arbeitsministerien und anderen Institutionen diese Rechte gewährleisten. Starke zwischenstaatliche Vereinbarungen zwischen Herkunfts- und Zielländern sind wichtig. Bestehende Strukturen müssen geschlechtersensibilisiert werden und in diesem Zusammenhang die Schattierungen von Intersektionalität, Macht und Angreifbarkeiten verstanden werden. Durch Gendersensibilisierungstrainings für Diplomat_innen und Regierungsvertreter_innen könnten diese Gruppen die komplexe und mehrschichtige prekäre Lage von Hausarbeiterinnen umfassender begreifen.
Die Nöte migrantischer Hausarbeiterinnen sind enorm. Aber gemeinsames Handeln, geschlechtergerechte Politik und internationale Zusammenarbeit könnten den Weg für spürbaren Wandel ebnen. Zivilgesellschaftlicher Aktivismus ist wichtig, damit migrantische Arbeiterinnen Sichtbarkeit, Schutz und Mitbestimmung erhalten, doch nicht weniger wichtig ist, dass die Regierungen von Herkunfts- wie Zielländern eine größere Verantwortung und Rechenschaftspflicht hinsichtlich des Rechtsschutzes migrantischer Arbeiterinnen übernehmen und angemessene Arbeitsbedingungen für alle fördern.
Mehr zur Stellungnahme des Feminist Forum on Migration & Displacement (Feministischen Forums zu Migration und Vertreibung) findet sich hier.
[1] Name geändert.
Zur Person
Priyanka Kapar ist bei der FES Nepal Programmverantwortliche für das Regionalprojekt zu Geschlechtergerechtigkeit in Asien. Zu ihren Interessen gehören Politik, Konfliktanalyse, Friedenskonsolidierung, Internationale Beziehungen, Diplomatie sowie geschlechtsbezogene und soziale Gerechtigkeit, wobei sie sich insbesondere inklusiven und intersektionalen Ansätzen widmet.