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In diesem Jahr wäre Egon Bahr 100 Jahre alt geworden. Mit einem Symposium gedenkt die Friedrich-Ebert-Stiftung dem „Architekten der Ostpolitik“, seinem Einsatz für Völkerverständigung, für die Sicherung des Friedens in Europa und die Überwindung der deutschen Teilung. Als langjähriger Begleiter und enger Vertrauter Willy Brandts legte er 1963 in der Tutzinger Rede mit der Formel „Wandel durch Annäherung“ den Grundstein für die Neue Ostpolitik. Diese prägte die Außenpolitik der sozial-liberalen Koalition ab 1969 und eröffnete den Weg für eine schrittweise Annäherung der europäischen Systemkonkurrenten, westlich und östlich des „Eisernen Vorhangs“. Bis zu seinem Lebensende blieb Egon Bahr ein international anerkannter Gesprächspartner und ein Vorbild für eine gemeinsame europäische Verständigungspolitik. Über 20 Jahre wirkte Egon Bahr zudem im Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung und prägte deren internationale Arbeit.
Ansprechpartner
PD Dr. Stefan Müller
0228 883-8068Stefan.Mueller(at)fes.de
Abteilung
Archiv der sozialen Demokratie
Im Jahr 1922 in Thüringen geboren, erlebte Egon Bahr den Zweiten Weltkrieg als Soldat. Nach 1945 arbeitete er zunächst als Journalist in West-Berlin, von 1950 bis 1960 leitete er das Bonner Büro des RIAS (Rundfunk im Amerikanischen Sektor). Mit seinem Eintritt in die SPD 1956 begann seine parteipolitische Arbeit: Von 1960 bis 1966 leitete Bahr das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin, war also Sprecher des von Willy Brandt als Regierendem Bürgermeister geführten Senats. Danach wechselte er mit ihm ins Auswärtige Amt, wo er von 1967 bis 1969 für die Planungsabteilung verantwortlich zeichnete. Im Jahr 1969 folgte er Brandt als Staatssekretär und Bundesbevollmächtigter für Berlin ins Bundeskanzleramt. Von 1972 bis 1974 amtierte Egon Bahr als Bundesminister für besondere Aufgaben.
In diesen Jahren setzte er die neue Deutschland- und Ostpolitik gemeinsam mit Brandt in praktische Politik um. Als "Architekt der Ostverträge" machte er sich für kooperative Beziehungen zur Sowjetunion, zu Polen, der DDR und der Tschechoslowakei stark. Stets war Bahr darauf bedacht, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern und das tägliche Miteinander zwischen West und Ost zu erleichtern. Bei der Durchsetzung dieser Ziele halfen ihm die vertraulichen Kontakte, die er über die Jahre zu seinen Verhandlungspartnern in den Warschauer-Pakt-Staaten aufbaute. Seine Entspannungspolitik war eine Politik der kleinen Schritte, die schließlich zum Erfolg führte.
Bahr, der seit 1972 dem Deutschen Bundestag angehörte und von 1974 bis 1976 als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit fungierte, war einer der profiliertesten Vordenker der SPD. Von 1976 bis 1981 prägte er sie als Bundesgeschäftsführer. Seinem entspannungspolitischen Anliegen blieb er treu. Von 1980 bis 1982 war er Mitglied der von Olof Palme initiierten "Unabhängigen internationalen Kommission für Abrüstung und Gemeinsame Sicherheit". Von 1984 bis 1994 leitete Bahr als Wissenschaftlicher Direktor das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg.
Egon Bahr und die Friedrich-Ebert-Stiftung waren auf vielfältige Weise miteinander verbunden. Von 1979 bis 2000 wirkte Egon Bahr im Vorstand mit und prägte ganz wesentlich die internationale Arbeit der FES. Seit 2012 vergibt das Stiftungsbüro in Moskau das Egon-Bahr-Fellowship für eine neue Generation von politisch denkenden und handelnden Nachwuchsführungskräften, um die deutsch-russischen Beziehungen zu vertiefen. Das Archiv der sozialen Demokratie verwahrt seinen Nachlass und regt Forschungen zu seinem Wirken an. Insbesondere seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gerät auch Bahrs Entspannungspolitik in die Kritik. Die Diskussion um sein Vermächtnis und die sozialdemokratische Ostpolitik begleiten wir auf einer eigenen Seite zur Geschichte der Entspannungspolitik und in unserer Reihe FES history Impuls.
In den Personenbeständen des Archivs der sozialen Demokratie befindet sich der Nachlass Egon Bahrs aus den Jahren 1945–1992. Der Bestand umfasst ca. 62 laufende Meter und beinhaltet neben persönlichen Unterlagen und publizistischen Tätigkeiten u.a. Korrespondenzen, Tageskopien, Vermerke und Materialsammlungen aus den Tätigkeiten als Bundesgeschäftsführer der SPD, Botschafter im Auswärtigen Amt, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Mitglied des Deutschen Bundestags und der SPD-Bundestagsfraktion, Bundesminister für besondere Aufgaben beim Bundeskanzler, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie weitere Unterlagen aus den Themenferldern Ostpolitik und Deutschlandpolitik, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik.Der Bestand ist zu Forschungszwecken nach vorheriger Anmeldung und erteilter Einsichtsgenehmigung im AdsD einsehbar.
Sie bezeichnet Egon Bahrs Rede in der Evangelischen Akademie Tutzingen im Juli 1963. Dort plädierte er zusammen mit Willy Brandt erstmalig mit der Formel „Wandel durch Annäherung“ für eine Entspannungspolitik, die die Risiken der atomaren Aufrüstung minimieren und den globalen Frieden langfristig sichern sollte.
Mit diesem Markenkern der Neuen Ostpolitik sollte die politische und militärische Konfrontation zwischen den beiden Blöcken des Westens und des Ostens in nichtkonfrontative Bahnen gelenkt werden. Der „Westen“ verzichtete demnach auf die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der kommunistischen Staaten und versicherte glaubhaft, keinen militärischen Konflikt zu suchen („Annäherung“). Dies sollte im „Osten“ den Raum für innergesellschaftliche Reformen und eine politische Liberalisierung öffnen („Wandel“). Im Zentrum dieses „Wandels durch Annäherung“ standen Erleichterungen für die Bürger_innen der DDR, nicht zuletzt im Reiseverkehr mit der Bundesrepublik. Der Weg zu Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR führte über eine Normalisierung des Verhältnisses zur Sowjetunion – der entscheidenden Macht des Ostblocks. So ergab sich, dass der Vertrag mit der Sowjetunion der erste der sogenannten Ostverträge wurde. Diese Neue Ostpolitik sicherten Egon Bahr und Willy Brandt im „Westen“ durch ihr Bekenntnis zur Europäischen Union und zur NATO ab.
Sie bezeichnen eine Reihe von Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ostblockstaaten, insbesondere mit der Sowjetunion und Polen 1970 sowie der DDR 1972. Egon Bahr war an diesen Verträgen federführend beteiligt. Ihre festgelegten Grundsätze lehnten sich an das Völkerrecht an. Im Mittelpunkt standen der gegenseitige Gewaltverzicht und die Anerkennung der Nachkriegsgrenzen, insbesondere der Westgrenze Polens (Oder-Neiße-Grenze). Gerade die Anerkennung der polnischen Grenzen war in der Bundesrepublik umstritten und Willy Brandt und die SPD wurden hierfür von konservativer Seite heftig angegriffen. Die Ostverträge im Überblick:
Moskauer Vertrag am 12. August 1970
Warschauer Vertrag am 7. Dezember 1970
Viermächteabkommen über Berlin am 3. September 1971 (Inkrafttreten des Abkommens und der ergänzenden Vereinbarungen am 3. Juni 1972)
Protokoll über den Post- und Fernmeldeverkehrmit der DDR am 30. September 1971 (Abkommen am 30. März 1976)
Transitabkommenmit der DDR am 17. Dezember 1971
Vertrag über den Reise- und Besucherverkehrmit der DDR am 20. Dezember 1971
Verkehrsvertragmit der DDR 26. Mai 1972
Grundlagenvertrag mit der DDR am 21. Dezember 1972 (Inkrafttreten am 21. Juli 1973)
Prager Vertrag am 11. Dezember 1973