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Zum Weltflüchtlingstag veröffentlicht UNHCR den Bericht über globale Trends zu Flucht. Dieser Beitrag beleuchtet Entwicklungen und Folgen.
Bild: Informelle Zeltsiedlung von Geflüchteten in der Bekaa-Ebene, Libanon von Gerhard Merz
Im Laufe des Jahres 2016 wurde bereits berichtet, dass Menschen anhaltend aus Syrien, dem Südsudan oder im Jemen fliehen. Der Global Trends Report 2016 des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) legt nun umfassende Zahlen dar. Ende 2016 gab es weltweit 65,6 Millionen Zwangsmigrant_innen: 22,5 Millionen Flüchtlinge, 40,3 Millionen Binnenvertriebene und 2,8 Millionen Asylsuchende. Hinzu kommen mindestens 10 Millionen Staatenlose sowie viele Menschen, die in keine dieser Rechtskategorien fallen, wie beispielsweise jene, die aufgrund von Klimawandel und Umweltveränderungen ihre Heimat verloren haben.
Die Zahl der Flüchtlinge, Binnenvertriebenen und Asylsuchenden stieg zwischen 2012 und 2016 um 45% an. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge stammen 2016 aus drei Ländern: Syrien, Afghanistan und Südsudan.
Zwar wird in Deutschland und Europa politisch und medial häufig der Anschein erweckt, dass alle Flüchtlinge hierherkommen würden, jedoch offenbaren die Daten ein gegensätzliches Bild. Mit 84% befinden sich die meisten Flüchtlinge in Ländern im Globalen Süden. Die Menschen fliehen mehrheitlich aus ihren Heimatländern in benachbarte Aufnahmestaaten und bleiben so in ihren konfliktgeprägten Herkunftsregionen. Diese globale Verteilung wird mit Blick auf Binnenvertriebene noch deutlicher, also auf jene Menschen, die innerhalb ihrer Herkunftsländer geflohen sind. Es gibt nahezu doppelt so viele Binnenvertriebene wie Flüchtlinge und sie befinden sich fast ausschließlich in südlichen Regionen.
Diese Entwicklungen sind keineswegs neu, sondern knüpfen an Trends der Vorjahre an. Bereits 2015 wurde von einem neuen Höchststand geflüchteter und vertriebener Menschen berichtet, der 2016 abermals überholt wurde. Allerdings gab es 2016 nur etwa 10,3 Millionen neue Vertriebene - 2015 waren es 12,4 Millionen und 2014 13,9 Millionen. Die aktuelle Zahl bildet somit primär ab, dass Flüchtlingssituationen zunehmend lange andauern, weil keine dauerhaften Lösungen gefunden werden. Ende 2016 waren 67% aller Flüchtlinge, also 11,6 Millionen Menschen[i] weltweit, in Langzeitsituationen[ii]. Mehr als die Hälfte diese Menschen befindet sich bereits seit mehr als 10 Jahren in solchen Situationen, teilweise sogar seit mehr als 30 Jahren.
Aus diesen anhaltenden Trends können drei Herausforderungen abgelesen werden:
Im Flüchtlingsschutz ist die internationale Zusammenarbeit der Staaten unabdingbar, was bereits die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 betont. Dies betrifft sowohl die Bereitstellung von Schutz und (finanzieller) Unterstützung als auch die Suche nach dauerhaften Lösungen. Tatsächlich sind humanitäre Organisationen aber jährlich mit mangelnden Finanzierungen konfrontiert. So war etwa die humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge in der Region Ende 2016 zu 43% und jene für südsudanesische Flüchtlinge zu 68% unterfinanziert. Im Endeffekt bedeutet dies für Flüchtlinge, dass sie weniger Leistungen wie Nahrung, Wasser, Unterbringung, medizinische Versorgung und Bildung erhalten können. Da die Vereinten Nationen nur die administrativen Kosten von UNHCR tragen und operative Maßnahmen im Flüchtlingsschutz durch ‚freiwillige Beiträge‘ von Staaten und anderen Geberinstitutionen zu finanzieren sind, können Staaten einerseits entlang ihrer geopolitischen Interessen Gelder vergeben, andererseits muss der UNHCR jährlich um Förderung betteln. Dagegen könnte eine mehrjährige, nicht zweckgebundene Finanzierung des humanitären Systems die Leistungsfähigkeit des Schutzes erhöhen und zu einer effizienteren Zusammenarbeit mit vielfältigen Akteur_innen führen.
Während die Zahl der Geflüchteten steigt, werden dauerhafte Lösungen für sie nur selten zeitnah gefunden. 2016 konnten nur 552.200 Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer zurückkehren, 189.300 umsiedeln und sich 23.000 lokal integrieren. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen etwas gestiegen, nichtsdestotrotz wurde lediglich für 4,4% der Flüchtlinge weltweit eine dauerhafte Lösung gefunden.
Diese erschreckend geringe Zahl reflektiert die Solidaritätskrise der internationalen Gemeinschaft – sowohl bei der Kooperation in Flüchtlingssituationen als auch in der Bearbeitung von Fluchtursachen. Denn solange Staaten sich nicht bereit erklären, Geflüchtete aufzunehmen, können sie weder umsiedeln noch sich lokal integrieren. Und solange gewaltsame Konflikte in Herkunftsländern anhalten, können die Menschen auch nicht dahin zurückkehren. Die Bundesregierung setzt in der Minderung von Fluchtursachen auf die Entwicklungszusammenarbeit. Aber ihre Einflussmöglichkeiten in Konfliktregionen sind sehr begrenzt. Vielmehr werden Entwicklungen durch Kriege binnen kurzer Zeit zunichtegemacht.
Den Preis für die internationale Solidaritätskrise tragen die geflüchteten Menschen - Familien, Frauen, Männer, Kinder und Ältere. Zusätzlich zu unzureichenden Schutzleistungen müssen sie häufig jahre- bis jahrzehntelang mit ungewisser Zukunft im Exil bleiben. Die Lebensbedingungen etwa in Flüchtlingslagern sind in vielerlei Hinsicht prekär. Dort sind Menschen rechtlichen und strukturellen Restriktionen, wie fehlenden Arbeitsmöglichkeiten, und diversen Unsicherheiten, wie sexualisierter und geschlechterbasierter Gewalt ausgesetzt. Wenn die humanitäre Hilfe unterfinanziert bleibt, intensivieren sich diese Gefahren und Einschränkungen.
Dabei kann Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Beitrag im humanitären Flüchtlingsschutz leisten, wenn sie eine entwicklungsorientierte Flüchtlingsarbeit unterstützt. Dies kann Entfaltungsmöglichkeiten für geflüchteten Menschen eröffnen, ihre Lage strukturell verbessern und als Triple-Win-Situation Möglichkeiten für Flüchtlinge sowie nördliche Geber- und südliche Aufnahmeländer bieten.
Eine ausführlichere Diskussion der Herausforderungen des Flüchtlingsregimes werden von Ulrike Krause und Janna Wessels auf dem FlüchtlingsforschungsBlog präsentiert.
Zur Autorin: Dr. Ulrike Krause ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift für Flüchtlingsforschung sowie Mitglied im Vorstand des Netzwerk Flüchtlingsforschung und der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung.
Kontakt: Felix Braunsdorf, Referent für Migration und Entwicklung
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[i] Ausgenommen der palästinensischen Flüchtlinge.
[ii] Langzeitsituationen (engl. protracted refugee situations) werden von UNHCR als solche definiert, bei denen 25.000 oder mehr Flüchtlinge derselben Nationalität seit fünf oder mehr Jahren in einem bestimmten Asylland im Exil leben (siehe im Bericht über globale Trends zu Flucht von UNHCR S. 22).
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Dr. Johannes Crückeberg
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Marcus Hammes
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