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Die politischen Umbrüche des „Arabischen Frühlings“ im Nahen Osten und Nordafrika wirken bis heute nach, gehören aber für viele junge Menschen in der Region nicht mehr zur eigenen Lebensgeschichte. Um die Situation dieser Generation besser zu verstehen, hat die Friedrich-Ebert-Stiftung 2021/22 ihre zweite große Jugendstudie im Nahen Osten und in Nordafrika durchgeführt.
von Friederike Stolleis
Die Umfrageergebnisse geben Einblicke in Lebenschancen, Selbstverständnis und Zukunftsperspektiven von 12.000 jungen Menschen zwischen 16 und 30 Jahren aus Ägypten, Algerien, Irak, Jemen, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Palästina, Sudan, Syrien und Tunesien.
Eines der Ergebnisse ist das geringe Interesse junger Menschen an Politik. In den meisten Ländern der Region geben mehr als zwei Drittel der Befragten an, sich überhaupt nicht für politische Themen zu interessieren. Ein zentraler Aspekt ist das geringe Vertrauen der jungen Menschen in politische Institutionen. Von 18 verschiedenen Institutionen genießen politische Parteien und Parlamente das geringste Vertrauen.
„An die Menschen denken Politiker zuletzt.“ (Lubna, 22, Marokko)
Dieses Misstrauen spiegelt sich auch in der Assoziation mit dem Begriff "Politik" wider. Korruption und Parteipolitik sind die ersten Begriffe, die den Jugendlichen in den Sinn kommen, wenn sie an Politik denken.
„In staatlichen Einrichtungen grassiert die Korruption. Aber selbst, wenn man in den Institutionen korrupte Personen loswerden will, schafft man es einfach nicht. (Karim, 25, Algerien)
„Für die Parteien ist ein junger Mensch nur eine Nummer und keiner, der aktiv mitwirkt. Mir ist klar geworden, dass unsere Ansichten überhaupt nicht gefragt sind und unsere Vorschläge sowieso nie beachtet werden.“ (Ali, 25, Jordanien)
Noch alarmierender ist der Befund, dass das Interesse an demokratischen Systemen in der Region seit 2016 deutlich abgenommen hat. Immer weniger junge Menschen sprechen sich für ein demokratisches System aus, während in den meisten Ländern die Präferenz für einen "starken Mann", der das Land regiert, gestiegen ist. Dieser Trend ist ein Ausdruck der Desillusionierung und des tiefen Misstrauens gegenüber den bestehenden politischen Strukturen.
Trotz ihrer Politikverdrossenheit zeigen die jungen Menschen in der MENA-Region eine bemerkenswerte Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Mehrheit der Befragten (78%) gibt an, sich ehrenamtlich zu engagieren und dies oft mit großem Enthusiasmus:
„Soziale Projekte […] geben mir positive Energie, das Gefühl, zur Gesellschaft und zur Menschheit dazuzugehören, weil ich Hilfe nicht nur als ein Geschenk für andere betrachte, sondern mehr Positives zurückbekomme, als die Person bekommt, der ich helfe.“ (Amani, 27, Irak)
„Wer ehrenamtliche Arbeit einmal ausprobiert und die Freude daran erlebt hat, wird nicht mehr damit aufhören. […]. Wir können so den Menschen, der Erde und dem Land, in dem wir leben, etwas zurückgeben.“ (Salem, 25, Jemen)
Obwohl junge Menschen generell bereit sind, sich für bestimmte Ziele einzusetzen, zögern sie, dies innerhalb eines institutionalisierten Rahmens zu tun.
„Gründe für die Zurückhaltung bei der politischen Beteiligung sind die Angst, dort eingebunden zu werden, sowie das Misstrauen gegen die Eliten der Parteien. Deshalb wenden sich junge Menschen der ehrenamtlichen Arbeit zu.“ (Mohammad, 22, Jordanien)
Die Hälfte der engagierten jungen Menschen sind als Einzelpersonen aktiv, während ein weiteres Drittel angibt, sich spontan zu engagieren. Nur eine Minderheit ist Mitglied einer Gewerkschaft (6%) oder einer politischen Partei (5%). Diese Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Jugend zunehmend von traditionellen Organisationen abwendet und neue, informellere Wege des Engagements sucht.
Während für frühere Generationen gesellschaftliches Engagement in Gewerkschaften und Parteien Teil des antikolonialen Kampfes und des Aufbaus eines modernen Staates war, sind diese Institutionen für die heutige Generation nicht mehr positiv besetzt.
Junge Menschen verfügen aktuell kaum noch über institutionalisierte politische Handlungsräume. Oder aber sie lehnen sie ab, da sie angesichts der zunehmenden Einschränkungen, denen zivilgesellschaftliche Organisationen unter den autoritären Regimen der MENA-Region ausgesetzt sind, nicht mehr attraktiv sind. Jedoch finden junge Menschen in autoritären, abgeschotteten Systemen eigene Wege der Mobilisierung und des Engagements für soziale und politische Themen.
Constantin Grund, Leiter der Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung Sudan und Jemen, berichtet über die Situation im Jemen im IPG-Journal.
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