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Deglobalisierung beschreibt den Prozess, in dem sich Staaten auf wirtschaftlicher, kultureller und politischer Ebene weiter voneinander entfernen. Dieses Phänomen ist die Gegenentwicklung zur Globalisierung, die spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges an Fahrt aufgenommen hatte.
Die Deglobalisierung ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: So gelten beispielsweise geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Unsicherheiten und der Wunsch nach nationaler Souveränität als Ursachen.
Im Zuge der Deglobalisierung werden internationale Verflechtungen verringert sowie Direktinvestitionen im Ausland abgebaut und internationale Abhängigkeiten reduziert. Regierungen, die eine Deglobalisierung anstreben, verfolgen verstärkt eine Autarkie-Politik.
Im Rahmen von Deglobalisierungsentwicklungen zeigt sich in der Regel auch eine verstärkte Regionalisierung. Dies ist auf das Bedürfnis zurückzuführen, sich insgesamt weniger abhängig von anderen Ländern und Akteur_innen zu machen und damit politisch weniger erpressbar zu sein. Solche Regionalisierungbestrebungen nehmen unterschiedliche Ausmaße an – man unterscheidet zwischen Nearshoring, Reshoring und Friendshoring. Grob erklärt bedeutet Nearshoring die Verlagerung der Aktivitäten von Unternehmen ins Inland oder nähere Ausland. Reshoring ist das Gegenteil von Offshoring und meint die Rückführung der Aktivitäten ins eigene Land. Friendshoring wiederum steht für die Verschiebung wirtschaftlicher Aktivitäten in Länder mit übereinstimmenden Werten und Verbündete Staaten. Derartige Entwicklungen können eine Verringerung der internationalen Handelsströme und Investitionen verursachen, wodurch die Deglobalisierung weiter vorangetrieben werden würde.
Die Deglobalisierung bringt sowohl positive wie negative Aspekte mit sich. Einerseits gewinnen Länder eine größere Kontrolle über die eigene wirtschaftliche Entwicklung und vermeiden Konflikte durch internationale Abhängigkeiten. Andererseits dürfte Deglobalisierung zu einem allgemeinen Wohlstandsverlust durch verringerten Handel und größere wirtschaftliche Ineffizienzen führen. Für Länder mit großer Exportorientierung bedeutet dies eine reduzierte Wettbewerbsfähigkeit.
Ein markantes Beispiel für Deglobalisierungstendenzen ist der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union: Der Brexit wurde im Wesentlichen durch die Bestrebungen angefeuert, sich international weniger abhängig zu machen.
Die Gründe für deglobalisierende Tendenzen sind vielfältig. Sie lassen sich unter den folgenden Themenbereichen zusammenfassen:
Die Auswirkungen des Phänomens der Deglobalisierung bewegen sich entsprechend der Ursachen vor allem auf einer wirtschaftspolitischen Ebene und betreffen insbesondere (Arbeits-)Märkte: Der Abbau von Produktionsstätten im Ausland sowie der sukzessive Rückzug vom internationalen Handel kann zu einer allgemeinen Verringerung der Produktivität eines Landes führen. Andererseits kann diese Entwicklung auch den Arbeitsmarkt im jeweiligen Land stärken.
Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Entwicklungen und Ereignisse, die entweder Globalisierung oder Deglobalisierung vorangetrieben haben – denn es handelt sich nicht um lineare Entwicklungen. Daher nehmen wir an dieser Stelle eine zeitliche Einordnung vor. Durch welche Ereignisse wurde auf der anderen Seite die Deglobalisierung angetrieben?
1833 Die Telegraphie erleichtert und beschleunigt die Kommunikation
Ab 1840er Ausbau der Eisenbahnverbindungen erleichtert interregionale Beziehungen
Mitte des 19. Jahrhunderts Die Dampfmaschine revolutioniert die Schifffahrt und macht den Transport von Gütern auch über längere Strecken einfacher.
1869 Eröffnung des Suezkanals
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg vorläufiger Höhepunkt des internationalen Handels
1914 Eröffnung des Panamakanals
1919 Gründung der Internationalen Handelskammer
1944 Etablierung des Bretton Woods Systems und damit Grundstein für eine internationale Währungsordnung mit festen Wechselkursen
1945 Gründung der Vereinten Nationen
1950-1970 Zunahme des internationalen Handels und der Investitionen aufgrund des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und der Entstehung von regionalen Handelsabkommen wie dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA)
1980er-1990er Deregulierung und Liberalisierung von Handel und Finanzen auf globaler Ebene; Beginn des Prozesses der Privatisierung staatlicher Unternehmen und Unterstützung von Exporten
1995 Gründung der Welthandelsorganisation (WTO)
2001 China tritt der WTO bei.
1914-1918 Erster Weltkrieg - die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn werde mit einer Seeblockade vom internationalen Handel abgeschnitten.
1918/19 Die Spanische Grippe hemmt den internationalen Austausch.
Ab 1929 Weltwirtschaftskrise „Die Große Depression“ – Protektionistische Maßnahmen, die verschiedene Regierungen verhängen verringern langfristig den internationalen Warenaustausch
1939-1945 Zweiter Weltkrieg
Bis 1989/1990 Der „Kalte Krieg“ zwischen Sowjetunion und USA spaltet große Teile der Welt in zwei verfeindete Blöcke, die kaum miteinander in Austausch treten
2008 Ausbruch der globalen Finanzkrise, die zu einer Verlangsamung des globalen Handels führt
2016 Brexit-Referendum im Vereinigten Königreich
2016 Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten mit einer "America First"-Agenda und Ankündigung von Handelsbeschränkungen
2020 Ausbruch der COVID-19-Pandemie, die zu weiteren Einschränkungen im globalen Handel und in der globalen Lieferkette führt
2022 Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine mit massivem Einfluss auf internationale Handelsströme
Der Brexit war eine erste Erschütterung, aber der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat die Globalisierung, die in den vergangenen Jahrzehnten voranschritt, entscheidend beeinträchtigt. So sehr, dass Expert_innen gar ihr Ende und damit den Beginn einer Deglobalisierung prognostizieren. Zusätzlich hat der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine für eine Erschütterung der globalen Märkte gesorgt.
Die teilweise Schließung der Grenzen, daraus resultierende Lieferengpässe und die radikal zurückgehende Reisemöglichkeitenwährend der Pandemie haben die Globalisierung beeinflusst. Doch dies waren vor allem vorübergehende Effekte. Den weitaus langfristigeren Einfluss auf die Weltwirtschaft und damit die Globalisierung hat wohl das Umdenken der Menschen, Unternehmen und Regierungen: Pandemie und Krieg zeigten die Nachteile einer globalisierten Welt und die Verletzlichkeit moderner Volkswirtschaften. Folgen, wie beispielsweise eine mangelnde Versorgungssicherheit, lösten an vielen Stellen das Bedürfnis nach internationaler Unabhängigkeit aus. Die Folge: Internationale Handelspartnerschaften werden zumindest hinterfragt, Lieferketten diversifiziert und eine Regionalisierung, wo möglich, vorangetrieben.
Gegen eine totale Deglobalisierung spricht allerdings, dass globale Märkte für manche Branchen unverzichtbar geworden sind. Manche Produkte lassen sich nur in globalen Wertschöpfungsketten herstellen, weil gewisse Ressourcen und Expertisen nicht überall vorhanden sind.
Darüber hinaus wird die Nachfrage nach Produkten in Schwellen- und Entwicklungsländern voraussichtlich weiterwachsen. Daher ist davon auszugehen, dass Unternehmen sich auch angesichts der Deglobalisierungstendenzen nicht gänzlich aus dem Ausland zurückziehen werden, um dortige Bedarfe weiter und potenziell verstärkt decken zu können.
Fest steht: Durch die Ereignisse der vergangenen Jahre hat die Globalisierung einen Wandel durchlebt. Dieser Prozess wird noch weitergehen: Handelsströme werden sich weiter verändern und neu gedacht werden.
Eine Deglobalisierung birgt für das Exportland Deutschland und seine Wirtschaft entscheidende Gefahren. Eine sinkende globale Nachfrage nach deutschen Gütern würde die ökonomische Unsicherheit sowie den Konkurrenzdruck hierzulande verstärken und könnte sich entsprechend negativ auf den Wohlstand auswirken.
Die langfristigen Folgen einer Deglobalisierung für Deutschland werden in einem 2022 vom Ifo Institut veröffentlichten Aufsatz zusammengefasst: Dort heißt es, dass insbesondere Nearshoring und Reshoring negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft hätten. Aber auch die Verlagerung von Betriebsstätten in gleichgesinnte Länder (Friendshoring) und die damit einhergehende sukzessive wirtschaftliche Abkapselung von China würde zumindest kurzfristig zu einem wirtschaftlichen Einbruch führen. Sollten daraus Handelskriege mit anderen autokratischen Regimen entstehen, wäre mit einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit zu rechnen.
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich im Mai 2022 beim 52. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos zur Deglobalisierung und nannte sie einen „Holzweg“. Obgleich er die Verschiebungen im Welthandel und in der politischen Weltordnung anerkenne, sprach er sich für die Gestaltung einer multipolaren Welt mit unterschiedlichen Machtzentren aus. Man müsse neue Zusammenarbeitsmuster schaffen und internationale Solidarität fördern, anstatt sich voneinander abzuschotten und in Protektionismus zu üben. Dafür seien neue Partnerschaften essenziell – beispielsweise auch mit Ländern des so genannten Globalen Südens. Gleichzeitig verfolgt auch die Bundesregierung eine Politik, die die internationalen Risiken für die deutsche Wirtschaft verringern soll. So kündigte sie in ihrer kürzlich veröffentlichten China-Strategie an, die ökonomischen Risiken in der Kooperation mit der Volksrepublik zu reduzieren. Dieser Ansatz wird als De-Risking bezeichnet.
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