Geschlechtergerechtigkeit
Geschlechtergerechtigkeit ist ein Konzept, das aus der feministischen Frauenbewegung sowie der Betrachtung der Geschlechterverhältnisse zwischen Männern und Frauen entstanden ist. Bei Geschlechtergerechtigkeit ging es feministischen Bestrebungen daher lange Zeit darum, mit Blick auf die Verteilung von Nutzen und Verantwortung zwischen Männern und Frauen Gerechtigkeit herzustellen. (16)
In vielen Bereichen ist Geschlechtergerechtigkeit zwischen Männern und Frauen noch nicht erreicht: So gibt es bei Erwerbstätigkeit, Verdienst, Verteilung von Führungspositionen, Arbeitszeit und Sorgearbeit noch zahlreiche Unterschiede. Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay Gap, lag in Deutschland 2023 unbereinigt (über alle Tätigkeitsfelder, Erwerbsbiografien und Bildungswege hinweg) bei 18 %, bereinigt (bei der Gegenüberstellung vergleichbarer Tätigkeiten und Lebenswege) bei 6 %. (17) Frauen sind darüber hinaus häufiger prekär, also mit Niedrigeinkommen unter 2.000 Euro brutto, beschäftigt. (18) Hinzu kommt eine niedrige Frauenquote von 11 % in den Vorstandsposten der 160 größten börsennotierten Unternehmen. Da Frauen zu einem großen Teil die Sorgearbeit für Kinder übernehmen, sind sie zudem häufiger als Männer teilzeitbeschäftigt. (19) Dies führt auch zu großen Unterschieden bei der Altersrente: Im Jahr 2021 lag die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen bei 34 %. Frauen beziehen somit im Schnitt nur rund zwei Drittel von dem, was Männer als Rente ausbezahlt bekommen. (20)
Global betrachtet sind die Unterschiede der Geschlechterrollen noch größer: Der weltweite Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen beträgt 23 %. Frauen verbringen weltweit zudem dreimal so viel Zeit mit unbezahlter Hausarbeit und global nehmen 27 % weniger Frauen als Männer aktiv am Arbeitsmarkt teil. (21)
Neben den teilweise noch unfairen Geschlechterverhältnissen zwischen Männern und Frauen muss Geschlechtergerechtigkeit auch Diversität und alle Gender einbeziehen. Denn nicht nur Frauen, sondern beispielsweise auch trans* oder inter* Personen sind in Alltag und Berufsleben häufiger als cis-Personen Diskriminierung und Benachteiligung ausgesetzt. (22) Damit die Geschlechterverhältnisse sich angleichen, veraltete Geschlechterrollen zunehmend in den Hintergrund rücken und Chancengleichheit für alle Geschlechter realisiert werden kann, sind somit einige Maßnahmen nötig.
Gendergerechtigkeit in Bildungsprozessen
Ein besonderes Augenmerk wird Gendergerechtigkeit in Bildungsprozessen zuteil. Insbesondere international gibt es hier großen Handlungsbedarf: 750 Millionen Menschen können weltweit nicht lesen und schreiben – davon sind zwei Drittel Frauen. In vielen Regionen der Welt, beispielsweise Subsahara-Afrika, Nordafrika, West- und Zentralasien, ist vielen Kindern der Besuch einer Schule oder der Zugang zu Sekundarbildung nicht möglich. Auch dies betrifft global mehr Mädchen als Jungen. Im Sinne der Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen sowie der Geschlechtergerechtigkeit sind daher Maßnahmen notwendig, um den Zugang zu Bildung zu erleichtern und insbesondere Mädchen zu fördern.
Doch Gendergerechtigkeit in der Bildung ist nicht nur in anderen Regionen der Welt, sondern auch in Deutschland ein Thema. Von der frühkindlichen Erziehung, über die Schulausbildung bis hin zur Universität spielen Offenheit für Diversität und ein Fokus auf Chancengleichheit eine Rolle: Wird beispielsweise die Geschlechtsidentität von Studierenden infrage gestellt, werden ihre Pronomen falsch verwendet und keine Einrichtungen wie genderneutrale Toiletten bereitgestellt, wird das Studium für Studierende, die sich nicht als cisgender identifizieren, zur Herausforderung. Stress, Erschöpfung, eine Verzögerung oder ein Abbruch des Studiums können die Folge sein. (23)
Gendergerechtigkeit in Bildungsprozessen fängt bereits bei einem gendersensiblen Umgang mit Kindern sowie der Vermittlung von Genderkompetenz in Kindertagesstätten an, da die ersten Lebensjahre für das Verstehen von Geschlechterunterschieden und die Entwicklung der eigenen Geschlechtsidentität sehr wichtig sind. (24) Nach Ansicht von Expert_innen der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ sollten Erzieher_innen daher respektvoll und achtsam mit Kindern umgehen, die sich nicht als stereotype Mädchen oder Jungen fühlen. Mit Verhalten, das geschlechtsuntypisch erscheint, sollte in Bildungseinrichtungen entspannt und offen umgegangen werden. Zudem ist es empfehlenswert für Erzieher_innen, sich ihrer eigenen Sichtweisen von Geschlecht und Gender bewusst zu werden und sich ausreichend Wissen und Genderkompetenz anzueignen. (25)