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Ostpolitik bezeichnet die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, welche unter der sozialliberalen Koalition Willy Brandts ab 1969 eine Entspannung des Ost-West-Konflikts sowie eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in der DDR zum Ziel hatte. Diese Neue Ostpolitik setzte auf einen „Wandel durch Annäherung“ und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, insbesondere zur Sowjetunion und der DDR. Die erfolgreiche Verständigung resultierte unter anderem in den wichtigen Ostverträgen, lockerte die Blockbildung des Kalten Krieges und trug damit zur späteren Wiedervereinigung Deutschlands bei.
In der von den Westalliierten verwalteten Trizone entstand mit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 offiziell die Bundesrepublik Deutschland (1) (BRD). Wenige Monate später, am 7. Oktober 1949 (2), wurde die Besatzungszone der Sowjetunion zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erklärt – die Teilung Deutschlands war besiegelt. Die BRD erklärte einen Alleinvertretungsanspruch, den der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Amtsantrittsrede bekräftigte. Diese hielt er wenige Tage nach Inkrafttreten der Verfassung der DDR. Allein die BRD sei befugt, für das deutsche Volk zu sprechen. (3)
Anhaltende Spannungen prägten die darauffolgenden Jahre. Insbesondere Berlin wurde zu einem zentralen Schauplatz des Kalten Krieges, an dem West- und Ostblock wiederholt aneinandergerieten. Ein Kernaspekt des Ost-West-Konflikts blieb der Umgang mit den zwei deutschen Staaten, deren Verhältnis sich mit dem Bau der Mauer 1961 noch einmal deutlich verschlechterte.
Bereits vor dem Mauerbau hatte sich die BRD für eine klare Haltung gegenüber der DDR entschieden. Ab 1955 verfolgte man offiziell die sogenannte Hallstein-Doktrin, um die DDR außenpolitisch zu isolieren:
Im Ostblock galt ab 1967 wiederum die Ulbricht-Doktrin:
Eine diplomatische Pattsituation, die es aufgrund der erhärtenden Blockbildung auch den NATO-Staaten und Ländern des Warschauer Pakts erschwerte, auf die DDR bzw. die BRD zuzugehen.
In dieser Zeit der Anspannung erkannte Willy Brandt die Notwendigkeit einer Annäherung und erarbeitete bereits 1963 gemeinsam mit Egon Bahr den Entwurf einer Entspannungspolitik. Bei seiner Kanzlerkandidatur unterstrich Brandt 1969 deutlich den Stellenwert des Themas und machte es zu einem relevanten Bestandteil seines Wahlkampfs.
In seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 verlieh der neugewählte Bundeskanzler seinen Plänen Nachdruck und kündigte unter anderem eine andere Ostpolitik an. Aufgabe der praktischen Politik der kommenden Jahre sei es, „die Einheit der Nation dadurch zu wahren, daß [sic] das Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der gegenwärtigen Verkrampfung gelöst“ (4) würde. Die Deutschen hätten „gemeinsame Aufgaben und gemeinsame Verantwortung: für den Frieden unter uns und in Europa“ (5), fasste Willy Brandt die Neue Ostpolitik zusammen. Mit dieser gab die Bundesrepublik die restriktive Hallstein-Doktrin auf und verfolgte eine neue Form der Politik.
Für den angestrebten „Wandel durch Annäherung“ bedurfte es einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Eine zentrale Rolle spielte dabei zunächst die Verständigung mit der Sowjetunion, deren Erfolg sich im Moskauer Vertrag widerspiegelte.
Als Ostverträge werden die ab Beginn der 1970er-Jahre unterzeichneten Abkommen und Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion, Polen, der DDR und der Tschechoslowakei bezeichnet. Aufgrund der einschlägigen Bedeutung für die Entwicklung der Ost-West-Beziehungen kann auch das Viermächteabkommen im weiteren Sinne dazu gezählt werden. (6)
Der Moskauer Vertrag war der erste sichtbare Erfolg der Neuen Ostpolitik Brandts und der Beginn der darauffolgenden Entspannungspolitik. Am 12. August 1970 unterzeichnete die sozialliberale Regierung in Person von Bundeskanzler Willy Brandt und Außenminister Walter Scheel im Kreml den Moskauer Vertrag.
Die wichtigsten Inhalte im Überblick (7):
Mit dem Moskauer Vertrag erkannte die Bundesrepublik sowohl die Existenz der DDR als auch die Vormachtstellung der Sowjetunion in den ostmitteleuropäischen Ländern an. Mit ihrer Entspannungspolitik machte die BRD einen großen Schritt auf „den Osten“ zu. So konnten wirtschaftliche Beziehungen aufgenommen werden, von denen die Bevölkerung in der DDR profitierte.
Die Ratifizierung durch den Bundestag gestaltete sich jedoch als schwierig. Sie erfolgte erst am 17. Mai 1972 zusammen mit der Zustimmung zum Warschauer Vertrag – nach einer dreitägigen Redeschlacht im Bundestag (8) sowie einem gescheiterten Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt.
Nicht nur mit Moskau war die Bundesregierung in Verhandlungen eingetreten, auch in Warschau fanden seit Februar 1970 Gespräche statt. Obgleich wichtige Eckpunkte bereits im Moskauer Vertrag enthalten waren, stellte der Dialog mit Polen einen weiteren bedeutsamen Brückenschlag zwischen Ost und West dar, vor allem aufgrund der grausamen deutschen Besatzungspolitik der NS-Zeit sowie der Vertreibung vieler Deutscher aus dem heutigen Polen im Zweiten Weltkrieg. Der Warschauer Vertrag wurde am 7. Dezember 1970 unterzeichnet.
Die wichtigsten Inhalte im Überblick:
Doch die Warschauer Verträge gingen nicht nur wegen ihres Inhaltes, sondern auch wegen einer denkwürdigen Geste Willy Brandts in die Geschichte ein. Bei der Kranzniederlegung am Mahnmal des Warschauer Ghettos fiel der Bundeskanzler in Gedenken an die Opfer des NS-Regimes überraschend auf die Knie – der Kniefall Brandts wird zum Symbol der Neuen Ostpolitik.
Das Jahr 1970 markiert in vielerlei Hinsicht einen Umbruch im Ost-West-Konflikt und brachte eine deutliche Annäherung der beteiligten Parteien hervor, auch über Deutschland hinaus. So verhandelten auch die Botschafter der vier Siegermächte ab dem 26. März 1970 gemeinsam die Zukunft Berlins, konkrete Zugangswege sowie behördliche Präsenzen. Die Verhandlungen verliefen stockend. Erst nach Unterzeichnung des Moskauer und des Warschauer Vertrages kamen Frankreich, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion am 3. September 1971 zu einem Abkommen.
Mit Inkrafttreten des Viermächteabkommens wurde der Reiseverkehr zwischen der BRD und Westberlin nicht länger behindert und die Möglichkeiten der Kommunikation und des Reisens zwischen Ost- und Westberlin verbessert.
Nachdem die Ostverträge im Mai 1972 ratifiziert worden waren, läutete der Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR ein neues Kapitel des „Wandels durch Annäherung“ ein. Bereits im Sommer hatten Egon Bahr und Michael Kohl damit begonnen, die zukünftige Beziehung zwischen West- und Ostdeutschland zu verhandeln. Am 8. November ebneten die beiden Staatssekretäre mit der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags den Weg für eine Verbesserung des Verhältnisses.
Im Jahr 1973 beantragten BRD und DDR den Beitritt in die Vereinten Nationen und wurden am 18. September als 133. und 134. Mitglied (11) aufgenommen. Die vereinbarten Ständigen Vertretungen begannen ihre Arbeit am 2. Mai 1974 in Bonn und Berlin. Darüber hinaus folgten dem Grundlagenvertrag diverse Einzelverträge, welche unter anderem den Reise-, Post- und Telefonverkehr zwischen Ost- und Westdeutschland ermöglichten.
Mit den Beschlüssen zu weiteren Infrastrukturprojekten, beispielsweise dem Bau der Autobahn zwischen Hamburg und Berlin im Jahr 1978, folgten weitere Annäherungen. 1986 schlossen die beiden Staaten ein Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit (12), welches bereits deutlich von einer Überwindung ehemaliger Differenzen zeugte.
Auch wenn bis zum Mauerfall 1989 und zur Wiedervereinigung 1990 noch viele weitere Anstrengungen und insbesondere die umfassenden gewaltfreien Proteste der DDR-Bürger_innen, nötig waren, stellten die Neue Ostpolitik und der Grundlagenvertrag ein wichtiger Schritt zur Annäherung zwischen den Menschen in West- und Ostdeutschland dar.
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