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Geht es um Deutschlands Rüstungsexporte, ist damit der Verkauf von Rüstungsgütern durch deutsche Unternehmen gemeint. Bundesregierung und Staat sind nicht direkt an den Verkäufen beteiligt, jedoch müssen verschiedene staatliche Institutionen diese genehmigen. So üben sie erheblichen Einfluss auf den Rüstungsexport aus. Für Kritik an der deutschen Rüstungsexportpolitik sorgten zuletzt vor allem die Genehmigungen von Lieferungen an Ägypten und Saudi-Arabien.
Zu den Rüstungsgütern zählen Waffen und Munition, aber auch der sogenannte „erweiterte Bereich“ der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Dieser beinhaltet unter anderem Fahrzeuge, Navigationstechnik und Ausrüstung zum Körperschutz. Die Bundeswehr produziert zwar selbst keine Rüstungsgüter, ist jedoch an Tests von neuen Waffensystemen (1) und der Ausbildung befreundeter Streitkräfte zu deren Einsatz (2) beteiligt.
Gemäß Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes dürfen „zur Kriegsführung bestimmte Waffen […] nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden“. Entsprechend ist grundsätzlich streng geregelt, ob und an wen Rüstungsgüter ausgeführt werden. Jede Genehmigung bedarf einer Einzelentscheidung und der Zustimmung verschiedener Instanzen.(3) Die rechtliche Grundlage bilden neben dem Grundgesetz die folgenden Normen:
Zu den involvierten Institutionen zählen situationsabhängig (4):
Welche Ämter und Institutionen bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung involviert sind und welche rechtliche Grundlage es zu berücksichtigen gilt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Von zentraler Bedeutung ist, ob es sich bei den ausgeführten Gütern um Kriegswaffen oder andere Rüstungsgüter handelt. Sonderfälle stellen sogenannte Dual-Use-Güter und Überwachungstechnologien dar.
Wichtig ist bei dem Genehmigungsverfahren außerdem, ob das Empfängerland zu den sogenannten Drittländern gehört. Darunter fallen laut BMWK „alle Staaten, die weder der EU noch der NATO oder den NATO-gleichgestellten Staaten angehören“. (7)
Um eine Exportgenehmigung zu erhalten, müssen Rüstungsunternehmen einen Ausfuhrantrag stellen. Möchten sie zunächst prüfen, ob dieser aussichtsreich ist, können sie auch eine Voranfrage formulieren.
Anhand der Ausfuhrliste des BAFA wird zwischen Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern unterschieden. Handelt es sich um Erstere, kommen Bundesressorts, wie etwa das BMWK, bei der weiteren Prüfung zum Einsatz, bei Letzteren entscheidet das BAFA über die Genehmigung. Zudem wird bei Kriegswaffen ein zweistufiges Prüfungsverfahren angewendet. Bei „besonders bedeutenden Ausfuhrvorhaben“ (8) ist in beiden Fällen zudem der Bundessicherheitsrat involviert.
Ungeachtet der Institutionen verlangt jede Genehmigung eine Einzelentscheidung, bei der unter anderem die Menschenrechtslage, die regionale Stabilität des Empfängerlandes und internationale Beziehungen miteinbezogen werden.
Werden Kriegswaffen exportiert, muss die Ausfuhr dem Kriegswaffenkontrollgesetz entsprechen, bei sonstigen Rüstungsgütern wird die Entscheidung auf Grundlage des Außenwirtschaftsgesetzes gefällt.
Angesichts des zuletzt gewachsenen Exportvolumens der Rüstungsindustrie und Zusagen an Drittstaaten, wie Ägypten und Saudi-Arabien, wird immer wieder Kritik an den Verfahren und erteilten Genehmigungen geäußert.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die deutsche Rüstungsindustrie im Zuge der Demilitarisierung abgewickelt. Dieser Vorgang war ein integraler Bestandteil der politischen Grundsätze der Nachkriegsordnung, welche im Potsdamer Abkommen im Juli 1945 festgehalten und als die „4 D“ bekannt wurden: Denazifizierung, Demilitarisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung.
Aufgrund des Kalten Krieges und der sich verhärtenden Blockkonfrontation begann mit der Westintegration der Bundesrepublik schon Mitte der 50er-Jahren die Wiederbewaffnung. Mit dem NATO-Eintritt der BRD im Jahr 1955 war auch die Gründung der Bundeswehr verbunden. Zur Bewaffnung der Truppe wurde die nationale Rüstungsindustrie wieder aktiviert und exportierte schon bald zahlreiche Rüstungsgüter – insbesondere in Länder des sogenannten Globalen Südens.
Unter der sozialliberalen Regierung Willy Brandts wurden 1971 die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern“ verabschiedet. Diese sahen keine Beschränkungen für Rüstungsexporte in NATO-Mitgliedstaaten vor, während andere Länder grundsätzlich keine Kriegswaffen erhalten sollten und der Export von sonstigen Rüstungsgütern „so weit wie möglich zu beschränken“ sei. (9)
1982 folgte unter dem Kabinett Schmidt III eine Neufassung der Grundsätze, die vorsah, dass auch der Verbleib der Waffen in NATO-Staaten sichergestellt sein müsse. Ebenso galt es, außen- und sicherheitspolitischen Interessen beim Export den Vorrang vor beschäftigungspolitischen Überlegungen zu geben. (10)
Mit dem Ende des Kalten Krieges gingen in vielen Ländern die Rüstungsausgaben deutlich zurück. Deutsche Exporte spielten im globalen Vergleich – mit Ausnahme des Marineschiffbaus – lediglich eine marginale Rolle. (11)
Im Rahmen des sogenannten „Internationalen Kriegs gegen den Terror nach den Anschlägen des 11. Septembers stieg der Waffenhandel weltweit an. Laut des Jahresberichts des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) von 2010 (12) lag der Durchschnittswert der Jahre 2005 bis 2009 22 Prozent über dem Wert der Jahre 2000 bis 2004. Ein Zuwachs, von dem auch die deutsche Rüstungsindustrie profitierte: So überschritten die erteilten Ausfuhrgenehmigungen 2008 zum ersten Mal den Wert von 5 Milliarden Euro.
Deutschland zählt heute zu den weltweit größten Rüstungsexporteuren und belegt laut SIPRI (13) seit 2004 kontinuierlich einen der vordersten neun Plätze – über den gesamten Zeitraum von 2004 bis 2022 ist Deutschland insgesamt betrachtet hinter den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur. (14) Das liegt nicht zuletzt daran, dass immer mehr Auslieferungen von Rüstungsgütern an Drittstaaten genehmigt werden. Im ersten Halbjahr 2022 wurden laut Rüstungsexportbericht des BMWK Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von über 4,14 Milliarden Euro erteilt, wovon etwa 1,02 Milliarden Euro auf Drittländer entfielen. (15)
Laut SIPRI machten die Exporte der deutschen Rüstungsindustrie in den Jahren 2018 bis 2022 einen Anteil von 4,2 Prozent des Weltmarktes aus, womit die Bundesrepublik in diesem Zeitraum auf Platz 5 der Waffenexportländer (16) rangiert.
Die fünf größten Waffenexporteure und ihr Anteil am Weltmarkt (17)
Länder
Prozentsatz
Vereinigte Staaten
40 %
Russland
16 %
Frankreich
11 %
China
5,2 %
Deutschland
4,2 %
In der Fünfjahresperiode von 2012-2016 lag der deutsche Anteil am weltweiten Rüstungshandel bei 5,4 Prozent. Somit sank seitdem zwar der deutsche Anteil am weltweiten Waffenhandel, jedoch sorgten späte Genehmigungen der Regierung im Jahr 2021 für einen neuen Export-Höchstwert in der Geschichte der Bundesrepublik.
Durch Ausfuhrgenehmigungen im Wert von 4,91 Milliarden Euro, die von der scheidenden Bundesregierung innerhalb ihrer letzten beiden Amtswochen erteilt wurden, stieg das bewilligte Gesamtvolumen sprunghaft auf 9,35 Milliarden Euro an. Hauptabnehmerland: Ägypten mit Importen im Wert von 4,34 Milliarden Euro. (18)
Die deutschen Rüstungsexporte stehen immer wieder in der Kritik. Bemängelt wird unter anderem, dass die Genehmigungsprozesse unübersichtlich gestaltet und die Parlamente unzureichend eingebunden sind, da diese lediglich über getätigte Exporte unterrichtet werden.
Involviert sind stattdessen diverse Behörden, wie das Bundesamt für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg). Die unterschiedlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten verwischen hierbei klare Verantwortlichkeiten.
Ähnlich ist es in den meisten europäischen Ländern. Da es nach wie vor an einem EU-weit einheitlichen Exportverfahren mangelt, entscheiden die verschiedenen Institutionen der Staaten anhand unterschiedlicher Grundsätze, welche Rüstungsexporte sie genehmigen. Besonders problematisch ist dies für europäische Kooperationsprojekte zwischen Staaten mit unterschiedlichen Regelungen zum Rüstungsexport. So finden deutsche Regelungen bei solchen Projekten oftmals keine Anwendung, erklärt Dr. Miriam Saage-Maaß, Leiterin des Programmbereichs Wirtschaft und Menschenrechte beim European Center for Constitutional and Human Rights e. V. (ECCHR) gegenüber der FES:
„Die Bundesregierung verweist immer gern darauf, dass das deutsche Kriegswaffenkontrollrecht im europäischen Vergleich streng sei. Doch auf viele Exporte im Rahmen europäischer Kooperationsprojekte, wie dem Eurofighter, ist das Kriegswaffenkontrollgesetz gar nicht anwendbar. Da gelten die wesentlich weicheren Regeln des Außenwirtschaftsgesetzes.“
Hinzukomme, dass die in den politischen Grundsätzen vorgeschriebene Überprüfung des Verbleibs in NATO-Ländern nicht eingehalten würde. Wohin sich Rüstungsgüter nach ihrem Export bewegen und welche wahrscheinlichen Konsequenzen dies mit sich bringt, würde von den Behörden nur unzureichend geprüft, kritisiert Dr. Saage-Maaß.
Als besonders problematisch wird der gestiegene Export an Drittstaaten angesehen, welcher mittlerweile den Großteil des deutschen Rüstungsexports darstellt. Bei dem Export an Drittstaaten – Staaten außerhalb der NATO und EU – wird in Kauf genommen, dass Waffen an Staaten geliefert werden, die zum Beispiel Menschenrechtsverletzungen begehen oder sich im Krieg befinden. (19) In den Jahren 2012 (20) bis 2018 (21) wurden jährlich über 50 Prozent des Ausfuhrgenehmigungswertes durch Exporte in Drittländer realisiert.
Für besonderes Aufsehen sorgten in den letzten Jahren vor allem die Ausfuhrgenehmigungen für Lieferungen an Ägypten Ende 2021 sowie an Saudi-Arabien im September 2022. Beide Länder sind Teil der saudi-arabisch geführten Militärallianz im Jemenkrieg und stehen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Bemerkenswert sind darüber hinaus die Zeitpunkte für die Genehmigungen. So wurden die Ausfuhren von drei Fregatten und sechzehn Luftabwehrsystemen noch am 7. Dezember 2021 durch den damaligen Wirtschaftsminister Altmaier bewilligt – einen Tag vor der Vereidigung von Olaf Scholz als neuem Bundeskanzler.
Auch eine Rüstungslieferung an Saudi-Arabien, die unter anderem Munition für Kampfflugzeuge umfasst, wurde sowohl aufgrund der Aktivitäten des Landes als auch aufgrund des Zeitpunktes der Zusage kritisiert. Im September verhandelte die Bundesregierung aufgrund der Energiekrise in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine mit Saudi-Arabien über mögliche Öl- und Wasserstofflieferungen.
Wenige Tage nach Besuch des Bundeskanzlers in Riad verkündete die Bundesregierung, dass die Ausfuhr von Ausrüstung und Munition für Eurofighter- und Tornado-Jets geplant sei. Da es sich bei diesem Export um ein europäisches Gemeinschaftsprojekt mit Italien, Spanien und Großbritannien handelt, stellte die Bewilligung eine Ausnahme vom geltenden Exportstopp gegenüber Saudi-Arabien dar. (22)
Obgleich die Vorschriften für deutsche Rüstungsexporte im internationalen Vergleich als streng gelten, zeigen sich immer wieder Lücken im Reglement.
In welche Richtung sich die Rüstungsexportpolitik der Bundesrepublik zukünftig entwickelt, ist derzeit unklar. Auf der einen Seite plant die Ampelregierung eine restriktivere Rüstungspolitik, welche durch ein entsprechendes Rüstungsexportkontrollgesetz (REKG) reguliert werden soll.
Andererseits gibt es Forderungen, die Regeln zu lockern, beispielsweise bei europäischen Kooperationen. Dies sei notwendig, „um der Kooperation bei wehrtechnischen Gütern einen mächtigen europapolitischen Schub zu verleihen" (23), so die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.
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