Beispiele für staatliche Investitionen
Selbst sehr wohlhabende Länder mit hohen Einnahmenüberschüssen, wie z. B. Norwegen, sind öffentlich verschuldet. Die Staatsschuldenquote in Norwegen beträgt z. B. in 2022 geschätzt 47,8 %. Weil jeder Staat Investitionen tätigt, ist es auch sinnvoll, diese über Kredite zu finanzieren. Nachhaltige Entwicklung braucht Schulden. Daneben fallen in Krisensituationen nicht kalkulierte Belastungen an, die zu Mehrausgaben führen.
Ausnahmesituationen
In den vergangenen zwei Jahren mussten aufgrund der Coronapandemie hohe Summen für Wirtschaftshilfen, Gesundheits- und Sozialschutz aufgewandt werden. Auch die Bewältigung der globalen Finanzkrise ab 2008 und die einhergehende Bankenrettung 2010 verlangten enorme Ausgaben. Zuletzt hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zu den hohen Energie- und Rohstoffpreisen geführt, die nach einer sozialen Abfederung verlangen.
All dies sind Ausnahmesituationen, die natürlich eine weit höhere Nettokreditaufnahme erforderten, als ursprünglich vorgesehen. Die Ursachen für die sprunghaften Anstiege der deutschen Staatsschulden in den Jahren 2010, 2020 und 2022 sind offenkundig, doch auch abseits solcher Sonderfälle gibt es für den Staat gute Gründe, Schulden aufzunehmen.
Konjunktursteuerung
In konjunkturell schwachen Zeiten kann die öffentliche Hand mithilfe neuer Ausgaben den Rückgang der privaten Nachfrage kompensieren. Hält der rezessionsbedingte Pessimismus Industrie und Privathaushalte von Investitionen ab, kann der Staat also mit neuen Investitionen für weitere Entwicklung sorgen und damit „die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln“. Um die Lücke der konjunkturbedingten Steuerausfälle zu schließen und weiterhin Staatsausgaben zu tätigen, muss der Staat zusätzliche Kredite aufnehmen. Dieses antizyklische, keynesianische „deficit spending“ ist notwendig, um der Rezession entgegenzuwirken und die Wirtschaft wieder in Richtung Aufschwung und Hochkonjunktur zu leiten.
Schuldenquote und Folgen hoher Staatsverschuldung
Tatsächlich ist die absolute Summe der Staatsschulden gar nicht so relevant. Wichtig ist bei der Staatsverschuldung vor allem, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zur Wirtschaftskraft eines Landes steht.
Dieses Verhältnis wird in Form der Staatsschuldenquote (s.o.) ausgedrückt, welche den Schuldenstand durch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) teilt. In Deutschland lag dieser Wert im Juni 2022 bei 71,2 Prozent. Damit überschreitet die deutsche Quote derzeit die Vorgaben der EU, die sogenannten Maastricht-Kriterien, die für die Mitgliedstaaten eine Schuldenquote von maximal 60 Prozent festlegt.
Grundsätzlich sollten Länder weder maßlos Schulden aufnehmen noch vor einer Kreditaufnahme für relevante Investitionen zurückschrecken. Die „goldene Regel der Finanzpolitik“ lautet, dass eine Schuldenaufnahme gerechtfertigt ist, sofern sie mit einem ebenso großen Anstieg des öffentlichen Netto-Vermögens einhergeht.
Nicht erst seit den jüngsten krisenbedingten Ausnahmesituationen ist die willkürliche Festlegung einer Staatsschuldenquote auf das Maastricht Kriterium von 60 % zunehmend umstritten. Der Staat darf sich seine Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten nicht unnötig beschränken lassen und er muss weiterhin in der Lage sein, wichtige Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Die Klimakrise zeigt unmittelbar, dass zur Sicherung einer lebenswerten Zukunft für künftige Generationen heute massive zusätzliche Investitionen in den Ausbau einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaftsform benötigt werden. Dadurch dient eine erhöhte Staatsverschuldung der Zukunftssicherung.