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Julia Kloiber arbeitet seit 2012 als Projektleiterin bei der Open Knowledge Foundation. Ihr Schwerpunkt liegt auf Projekten im Bereich Open Data und Civic Tech. Sie hat in den letzten Jahren eine Reihe von Community- und Innovations-Projekten umgesetzt, darunter Code for Germany, ein deutschlandweites Civic Tech Netzwerk. Aktuell arbeitet sie am Prototype Fund, über den 1,2 Millionen Euro an gemeinnützige Open Source Projekte vergeben werden. Sie engagiert sich im Verein Digitale Gesellschaft e. V. und spricht auf Konferenzen im In- und Ausland über freies Wissen und offene Tools.
MuP: Frau Kloiber, was sind eigentlich offene Daten/Civic Tech und wie können sie für das Gemeinwohl genutzt werden? Kloiber: Als offene Daten bezeichnet man Daten, die von Verwaltungen und öffentlichen Stellen erhoben werden und allen zur freien Nutzung zur Verfügung stehen. Darunter fallen Daten rund um die Luftqualität, genau so wie Finanzdaten und Daten zum Bildungssystem. Civic Tech übersetze ich als digitale Werkzeuge für Bürger_innen. Das sind Anwendungen und Software die unseren Alltag vereinfachen, wie beispielsweise Nahverkehrsapps oder digitale Werkzeuge, die dazu beitragen die Kommunikation zwischen Staat und Bürger_in verbessern. Viele Civic Tech Werkzeuge basieren auf offenen Daten.
MuP: Können Sie ein Beispiel näher erklären? Kloiber: Mein aktuelles Civic Tech Lieblingsbeispiel ist der Berliner Einschulungsbereicherechner1. Das Tool unterstützt die Verwaltung beim Zuschneiden von Einschulungsbereichen für Grundschulen und stellt den Planungsprozess für Externe transparent dar. Die Anwendung basiert größtenteils auf offenen, in Berlin frei verfügbaren Daten. Durch das Tool kann die Verwaltung effizienter und besser arbeiten und Eltern erhalten einen Einblick in die Planung. Ein weiteres großartiges Open Data Projekt ist das Projekt luftdaten.info, hier messen Bürger_innen mit selbst gebauten Feinstaubsensoren die Luftqualität ihrer Stadt und teilen die Daten öffentlich.
MuP: Wer engagiert sich momentan schon im Bereich offene Daten/Civi Tech? Was sind Gründe für das Engagement? Kloiber: Ganz viele unterschiedliche Gruppen und Menschen: Verwaltungsmitarbeiter_innen, Politiker_innen, Journalist_innen, Wissenschaftler_innen, Softwareentwickler_innen, Designer_innen, Umweltaktivist_innen, Lehrer_ innen, u.v.m. Menschen, die an Projekten rund um politische oder gesellschaftliche Themen arbeiten. Aber auch Startups und große Wirtschaftsunternehmen nutzen Daten aus der Verwaltung für ihre Dienstleistungen, z.B. Wetter- oder Verkehrsdaten. Die Gründe mit offenen Daten zu arbeiten, sind so vielfältig wie die Datensätze selbst. Bei vielen Menschen mit denen ich arbeite, steht gesellschaftliches Engagement im Zentrum ihrer Open Data Arbeit. Vor vier Jahren habe ich gemeinsam mit Kollegen die Community Code for Germanygegründet. Das ist ein deutschlandweites Netzwerk von Softwareentwickler_innen und interessierten Bürger_innen, die sich mit lokalen offenen Daten beschäftigen und diese zugänglich machen. Bei der Arbeit und den Projekten der Community stehen Themen wie Transparenz, Partizipation und Inklusion im Vordergrund.
MuP: Welche Fähigkeiten müssen Menschen mitbringen, die ein Open Data Projekt durchführen wollen? Kloiber: Die Fähigkeiten reichen von Datenanalyse über Storytelling bis hin zu Expertise in bestimmten Fachbereichen. Im Idealfall arbeitet man mit einem interdisziplinären Team an Projekten und ergänzt sich so. Auch mit überschaubarem technischen Wissen kann man Datenprojekte umsetzen, da es immer mehr einfache Analyse- und Visualisierungstools gibt.
MuP: Wie können engagierte Bürger_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, Parteien und Gewerkschaften Open Data sinnvoll nutzen und was müssen sie dafür tun? Kloiber: Im Idealfall bearbeitet man ein konkretes Thema oder eine Problemstellung und sucht im Zuge dieser Arbeit nach Informationen und Daten, die bei der Analyse des Themas helfen. Ein konkretes Beispiel wäre das Thema Altersarmut. Um einen Überblick über die Problematik zu bekommen, sind die Datenbanken der statistischen Landes- und Bundesämter eine gute Anlaufstelle. Danach könnte man sich auch Daten aus dem Bereich Soziales und Finanzausgaben für bestimmte soziale Dienste ansehen. Je nach Thema arbeitet man sich also durch unterschiedliche öffentliche Datenquellen zu dem Thema. Es empfiehlt sich dabei in Teams zu arbeiten, da man unterschiedliche Expertisen benötigt. Zur Datenverarbeitung sind Fähigkeiten im Bereich Softwareentwicklung nützlich, zur Analyse helfen statistische Skills und um Stories in den Daten zu finden, ist es hilfreich, mit Journalist_ innen zu kollaborieren.
MuP: Welche Tipps haben Sie für zivilgesellschaftliche Organisationen, die Open Data Projekte umsetzen wollen? Worauf sollten sie achten? Kloiber: Man sollte darauf achten, immer mit einer konkreten Problem- oder Fragestellung zu starten und mit interdisziplinären Teams zu arbeiten. Der häufigste Fehler ist der, dass man mit der Technologie oder dem Datensatz startet und sich nicht im Vorfeld überlegt, was man genau untersuchen oder analysieren möchte.
MuP: Was würden Sie Interessierten empfehlen, die sich zukünftig in den Bereich Open Data einbringen möchten? Wie können die ersten Schritte aussehen und an wen können sie sich wenden? Kloiber: Ein guter erster Schritt ist es, sich einfach mal so durch Datenportale zu klicken und sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was es momentan an offenen Daten gibt. In einem zweiten Schritt empfehle ich Kontakt mit der lokalen Open Data Community aufzunehmen. Die Code for Germany Community trifft sich regelmäßig in 25 Städten in ganz Deutschland. In den lokalen Organisationen trifft man auf Expert_innen und Gleichgesinnte und kann schnell in Projekte einsteigen oder selbst welche beginnen.
Wir bedanken uns für das Interview! Hinweis: Die Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder.
Bonn, 2017