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Den Abschluss unserer Reihe "Jüdische Menschen in der Arbeiter_innenbewegung – emanzipatorische Kohäsionskräfte" bildet ein Gastbeitrag von Stefan Braun zu Elias Laub.
Bild: Annonce des Verlags "E. Laub'sche Verlagsbuchhandlung G.m.b.H."; aus Julian Borchert: Der historische Materialismus, Berlin 1922, S. 49.
Im Herbst 1897 wurde in Vilnius der Allgemeine jüdische Arbeiterbund in Litauen, Polen und Russland [kurz: Bund] gegründet. Der Bund hatte als sozialistische Arbeiterpartei den Anspruch, das jüdische Proletariat im Zarenreich, dessen Sprache das Jiddische war, zu organisieren. Er war jedoch nicht nur auf das Zarenreich beschränkt, sondern breitete sich von Beginn an als transnationale Bewegung aus. Bundistische Student_innengruppen und Arbeiter_innenvereine entstanden bereits kurz nach der Gründung in verschiedenen Ländern. In Deutschland gründeten sich erste bundistische Zirkel bereits um die Jahrhundertwende. Zu den Bundist_innen im Kaiserreich gehörten unter anderem Sonja Lerch, deren Leben Ernst Toller im Drama Masse Mensch verarbeitete, Frida Rubiner, die dem ersten ZK der KPD angehörte und der Verleger Elias Laub. Anhand der Biografie Laubs sollen hier biografische Entwicklungslinien von Bundist_innen in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts exemplarisch nachvollzogen werden.
Elias Laub wurde am 1. Oktober 1886 in Zagorow, Kalisz in eine chassidische Familie geboren. Um 1905 ging er wie viele andere osteuropäisch-jüdische Arbeitsmigranten nach Berlin und arbeitete dort als Zigarrenarbeiter. In Berlin trat Elias Laub 1907 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei. Zudem war Laub wahrscheinlich in jenen Jahren bereits im Berliner Bund aktiv.
Im Ersten Weltkrieg kamen ungefähr 80.000 osteuropäisch-jüdische Arbeiter_innen aus dem Zarenreich nach Deutschland. Das linke jiddischsprachige Milieu erlebte durch den Zuzug ein starkes Wachstum. In Berlin gründete sich der einflussreiche Perets-Farayn, der in seinen Hochzeiten 1800 Mitglieder umfasste, wobei die Bundist_innen die stärkste Fraktion bildeten. Der Verein bot unter anderem verschiedene Fortbildungskurse, eine Theatergruppe und einen Chor an. Elias Laub, der im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeiter_innen bereits vor dem Krieg in Deutschland gelebt hatte, wurde Teil des Vorstands. Gleichzeitig engagierte Laub sich nicht nur „oyf der yidishe gas". Während des Ersten Weltkriegs schloss sich der Bundist der linken Antikriegsbewegung an, trat der USPD und der Spartakusgruppe bei. In letzterer übernahm er eine wichtige Funktion, da er – laut seinem Schwiegersohn Lewis Coser – einen Großteil der Texte der Gruppe in seiner Druckerei druckte. Am 24. März 1918 wurde er zusammen mit Leo Jogiches und weiteren 13 Angehörigen der Spartakusgruppe verhaftet und vor dem Reichsgericht des Landesverrats angeklagt.
Wenige Monate später änderte die Novemberrevolution 1918 die Situation. Elias Laub kam frei und beteiligte sich am revolutionären Geschehen, zunächst noch als USPD-, dann als KPD-Mitglied. Sein Biograf Khaim Kazdan berichtet lakonisch, dass Laub in jener Zeit als „Polizeikommissar“ arbeitete. Die Quellen zeigen jedoch, dass Elias Laub eine wesentliche Rolle in den Ereignissen spielte, die zum sogenannten Spartakusaufstand führten. Er leitete im Winter 1918/19 ein Werbebüro, das im Auftrag des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD) vor allem USPDler für die Polizei werben sollte, um den Einfluss der linken Kräfte der Revolution zu stärken. Elias Laub war während der Weihnachtskämpfe im Winter 1918/19 mitverantwortlich für die Waffenausgabe an Revolutionäre. Unter anderem an diesen Umstrukturierungsmaßnahmen eskalierte der Konflikt zwischen den gemäßigteren und den radikalen Kräften. Eichhorn spielte hier eine entscheidende Rolle: Wegen seiner Unterstützung der Revolutionäre sollte er als Polizeipräsident abgesetzt werden. Eine Großdemonstration, die sich dagegen richtete, mündete letztlich im Spartakusaufstand. Während jener Ereignisse kämpfte Laub an der Seite Eichhorns im Polizeipräsidium.
Nach dem blutig niedergeschlagenen Aufstand war Laub am Aufbau der neugegründeten KPD beteiligt. Seit 1920 betrieb er zunächst zusammen mit Arthur Seehof und später alleine den KPD-nahen Verlag A. Seehof & Co. Neben Texten von Lenin oder Paul Levi wurde zwischen 1920 und 1921 auch die bundistische Zeitschrift Der Morgnshtern auf Jiddischgedruckt. Einerseits informierte die Zeitschrift über bundistische Aktivitäten im gesamten Deutschen Reich, z. B. in Duisburg, Essen und Berlin, andererseits vermittelte sie ein positives Bild der Oktoberrevolution, die auch unter den Bundist_innen viele Anhänger_innen fand. Damit war die Zeitschrift ein wichtiges Organisationsorgan des Bunds und verdeutlicht ebenso die Einstellung einer Mehrheit der Bundist_innen in Deutschland in den frühen 1920er Jahren.
Spätestens Ende 1921 lehnte Elias Laub einen zunehmenden Einfluss der russischen Bolschewiki ab und unterstützte in einem der zahlreichen Richtungskämpfe Ernst Reuter (Friesland), weswegen er mit weiteren Funktionären Anfang 1922 aus der KPD ausgeschlossen wurde. In der Folge entwickelte sich im Februar 1922 ein öffentlichkeitswirksamer Streit um die Eigentümerrechte des Verlags zwischen der KPD und Elias Laub. Höhepunkt des Konflikts war die Erstürmung des Ladenlokals und der Versuch der gewaltsamen Übernahme durch Wilhelm Pieck und andere Kommunisten. Aus der Sicht der Zeitgenoss_innen spielte auch Laubs jüdische Identität in diesem Konflikt eine Rolle. Das Gedicht „Kommunistischer Bänkelsang“, das im Vorwärts erschien, verarbeitet die Erstürmung des Seehof-Verlags und nahm an zwei Stellen Bezug auf Laubs jüdische Identität:
„Der Laub sei aus dem Laden rausgefeuert,Weil er zu stark levitisch angesäuert….“
„Der Laub sei aus dem Laden rausgefeuert,
Weil er zu stark levitisch angesäuert….“
„Levitisch“ hat hier offensichtlich eine Doppelbedeutung. Zum einen bezieht sich der Autor auf Paul Levi, der bereits aus der KPD ausgeschlossen wurde und zum anderen scheint er anzudeuten, dass Laubs jüdische Identität ein Problem für die KPD gewesen sei. Dies wird deutlicher, wenn man einen weiteren Vers hinzuzieht, der sich auf ebenfalls am Konflikt beteiligte Polizisten bezieht:
„Hier rückt sie [die Polizei, Anm. d. Verf.] an. Doch Pieck erklärt devot:‚Was denn? Wir schlagen hier nur Juden tot.‘“
„Hier rückt sie [die Polizei, Anm. d. Verf.] an. Doch Pieck erklärt devot:
‚Was denn? Wir schlagen hier nur Juden tot.‘“
Offensichtlich zeigt der Konflikt um den Verlag A. Seehof & Co, dass auch Linke in den 1920er Jahren in innerparteilichen Auseinandersetzen nicht vor Antisemitismus zurückschreckten.
Schließlich setzte Laub sich im Konflikt vor Gericht durch und benannte den Verlag in Laub’sche Verlagsbuchhandlung um. In einem Brief an Max Nettlau erklärte er sein Verlagsprogramm: „Ich habe im Gegenteil mir zur Aufgabe gestellt, bedeutende Sozialisten, die im Rahmen der gegenwärtigen soz. Parteien sabotiert werden, zu sammeln.“ Allmählich entwickelte sich die Laub’sche Verlagsbuchhandlung zum zentralen linkssozialistischen Verlag, u.a. mit Texten von Rosa Luxemburg, Luise Kautsky, Alexandra Kollontai, Max Adler, Julian Borchardt und vielen mehr.
1924 zog Elias Laub mit seiner Familie nach Antwerpen. Anscheinend hatte ihm Luise Kautsky eine Wohnung in Berlin angeboten, die er jedoch nicht annahm. Die Ablehnung begründete der Bundist damit, dass er als „jüdischer Ausländer“ vom Wohnungsamt Berlins abgelehnt werden würde – ein häufiges Problem für osteuropäisch-jüdische Migranten nach 1918. Die Laub’sche Verlagsbuchhandlung verkaufte er an Otto Brass. In Antwerpen, wo es eine große jüdische Gemeinde gab, hoffte er wohl, ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen zu können. Er gründete die kleine Druckerei Imprimerie d‘ Editions Laub, die vor allem jüdische Literatur druckte. Unter anderem verlegte er ein Buch Bernhard Friedbergs zur Geschichte der Familie Horowitz und einen Bericht für den Jüdischen Nationalfonds. Ebenso druckte er in den 1920er Jahren regelmäßig Flugblätter für bundistische Gruppen in Belgien. Darüber hinaus hielt Laub auch Kontakt mit deutschen Sozialdemokrat_innen. Nach 1933 lebten die aus Deutschland emigrierten Eheleute Paul Frölich und Rosi Wolfstein-Frölich bei der Familie Laub und Willy Brandt soll die Familie besucht haben. Auch druckte er Material für den Widerstand der SAPD im nationalsozialistischen Deutschland.
1939 entschied sich die Familie Laub, aufgrund der Gefahr durch die Nationalsozialisten, in die USA überzusiedeln. Nach einem Aufenthalt in Los Angeles, gründete er in New York seinen letzten Verlag, die E. Laub Publishing Co. Hier erschienen unter anderem auf Jiddisch Bücher des Historikers Simon Dubnow, Prosa von Schalom Asch, aber auch Texte aus dem bundistischen Milieu. Wie in Belgien blieb Laub weiterhin in den transnationalen Netzwerken des Bundes und der deutschen Arbeiterbewegung verankert. Mit Paul Frölich und Rosi Wolfstein teilte sich Familie Laub abermals eine Wohnung. Er besuchte Veranstaltungen linker deutscher Organisationen, wie Ruth Fischer zu berichten wusste, wobei sie ihn als „heftigen Antistalinisten“ bezeichnete. Ebenso engagierte er sich im Arbeter Ring und weiteren Organisationen des bundistischen Milieus New Yorks.
Im Oktober 1949 starb Elias Laub. Vier Kontinuitäten lassen sich in Laubs Leben festhalten: Erstens ist sein Wirken als Drucker und Verleger zu nennen, wodurch er organisatorisch Einfluss auf die Arbeiterbewegung nahm, wenngleich er kein klassischer Parteifunktionär war. Zweitens war Jüdischsein zentraler Bezugspunkt in seinem Leben. Obwohl er nicht religiös war, verdeutlicht sich dies in seinem Engagement für den Bund. Drittens waren Erfahrungen von Antisemitismus eine Konstante in Laubs Leben. Viertens blieb er auch nach Wegzug aus Deutschland in den transnationalen (politischen) Netzwerken der deutschensprachigen Linken verhaftet. Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass nach seinem Tod sowohl der jiddische Forverts als auch der deutschsprachige Aufbau Nachrufe auf Elias Laub druckten.
Stefan Braun
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