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Die Deutschen und der Wohlfahrtsstaat

Wie haben sich die Einstellungen der deutschen Bürger_innen zu „ihrem“ Wohlfahrtsstaat seit der Wiedervereinigung entwickelt? In einer neuen Veröffentlichung beleuchten wir die Einstellungen der Bevölkerung zur sozialen Sicherung.

Bild: Bild: age fotostock / Alamy

Wenn es um die Frage geht, wer für die Absicherung sozialer Risiken verantwortlich ist, ist sich eine große Mehrheit der Bevölkerung einig: der Staat. Gleichzeitig ist das Vertrauen in die sozialen Sicherungssysteme und die sozialpolitischen Akteure vergleichsweise gering. Das ist eines der zentralen Ergebnisse unserer neuen Studie „Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates – Hohe Verantwortung, verlorenes Vertrauen?“.

In der Diskussion um die Reform des Wohlfahrtsstaates ist das eine wichtige Botschaft. Denn die Vorstellungen der Bürger_innen von einem guten beziehungsweise gerechten Wohlfahrtsstaat sind von erheblicher Bedeutung, wenn es darum geht, politische Unterstützung für die Durchsetzung von Reformvorschlängen zu mobilisieren. Gleichzeitig ist es für deren langfristige Tragfähigkeit entscheidend, dass sich diese Reformen mit den grundlegenden Wertorientierungen und Gerechtigkeitseinstellungen der Bevölkerung decken.

Deutschland, Schweden und die Niederlande: Große Unterstützung für den Wohlfahrtsstaat

Für die vorliegende Veröffentlichung haben wir die Einstellungen der Bevölkerung zum deutschen Wohlfahrtsstaat seit der Wiedervereinigung anhand vorliegender Studien nachgezeichnet. Die Ergebnisse werden im Kontext der realen sozialpolitischen Entwicklungen betrachtet und mit den Erfahrungen in den Niederlanden und Schweden verglichen.

Die Analyse zeigt, dass die grundlegenden Ziele und Prinzipien des Wohlfahrtsstaates nach wie vor in allen drei Ländern von einer großen Mehrheit der Bevölkerung geteilt und unterstützt werden. In Schweden ist das „wohlfahrtsstaatliche Anspruchsniveau“, also die dem Staat zugeschriebene sozialpolitische Verantwortung, allerdings deutlich höher als in Deutschland und den Niederlanden.

Soziale Ungleichheit enttäuscht Erwartungen

In einem gewissen Kontrast dazu steht die kritische Bewertung der erbrachten wohlfahrtsstaatlichen Leistungen, die sich in einer zunehmenden Unzufriedenheit mit dem sozialen Sicherungssystem und der Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands äußert. In den meisten Teilbereichen der Sozialpolitik, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, spricht sich eine Mehrheit der Bevölkerung für höhere Ausgaben aus, auch wenn dies möglicherweise höhere Steuern erfordert.

Die normativen Erwartungen an den Wohlfahrtsstaat sind in den neuen Bundesländern höher als in den alten Bundesländern, die Zufriedenheit mit seinen Leistungen ist dort dagegen schwächer ausgeprägt. Im internationalen Vergleich ist die durchschnittliche Zufriedenheit mit den Leistungen des Wohlfahrtsstaates in Deutschland deutlich geringer als in den Niederlanden und Schweden.

In keinem der drei Untersuchungsländer ist die Diskrepanz zwischen den Erwartungen an den Wohlfahrtsstaat und der Bewertung seiner Leistungen so groß wie in Deutschland. Vieles deutet darauf hin, dass die Zunahme sozialer Ungleichheit in Form von größeren Einkommensunterschieden und steigender Armut das Vertrauen in die wohlfahrtsstaatlichen Institutionen geschwächt haben.

Raum für Reformen – aber welche?

All das legt nahe, dass wir kluge sozialpolitische Reformen brauchen, um den Erwartungen der Bevölkerung an den Wohlfahrtsstaat gerecht zu werden. Offen bleibt dabei jedoch die Frage, wie sich die deutsche Bevölkerung die Zukunft des Wohlfahrtsstaates im Jahr 2016 vorstellt, und in welche Richtung er konkret weiterentwickelt werden sollte.

Es ist genau diese Frage, der wir uns im Projekt „Gute Gesellschaft – Soziale Demokratie 2017plus“ annehmen. Erste Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung zur Zukunft des Wohlfahrtsstaates erwarten wir in Kürze.

Ansprechpartner in der FES: Max Ostermayer

Kohl, Jürgen

Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates

hohe Verantwortung, verlorenes Vertrauen?
Bonn, 2016

Zum Download (PDF) (1,6 MB PDF-File)


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